653/A XXI.GP

Eingelangt am: 21.03.2002

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier, Mag. Gisela Wurm

und GenossInnen

betreffend „Verschuldung in Österreich"

Mahnungen, Klagen, Pfändungen und Exekutionen haben Ende der 80iger Jahre
enorm zugenommen, immer mehr Menschen (Privathaushalte) gerieten großteils
unverschuldet in eine Schuldenfalle aus der sie nicht mehr herauskamen. Die
Möglichkeit eines Schuldenregulierungsverfahrens sollte dem Abhilfe schaffen.

Seit 1. Jänner 1995 haben nicht nur Unternehmen, sondern auch verschuldete
Privatpersonen eine (theoretische) Chance, dass ihnen bei Zahlungsunfähigkeit ein
Teil ihrer Schulden erlassen wird. Durch diese gesetzliche Regelung des
Privatkonkurses ist es auch für Gläubiger, die vor dem aufgrund der ehemaligen
Lohnpfändungsbestimmungen nie etwas von überschuldeten Personen bekommen
haben, nun möglich geworden, jetzt im Rahmen eines Interessensausgleich einen
bestimmten Prozentsatz zu bekommen: Wer bei Gericht Konkurs anmeldet, kann
letztendlich durch Beschluss des Gerichts von bis zu 90 % seiner Schulden befreit
werden. Wobei verschiedene Möglichkeiten der Entschuldung bestehen
(Außergerichtlicher Ausgleich, Zwangsausgleich, Zahlungsplan und
Abschöpfungsverfahren).

Aber: Gerade in Sozialfällen greifen die bestehenden Regelungen der
Privatinsolvenz nicht. Nach einer Studie der Bundesarbeiterkammer muss im
Abschöpfungsverfahren jeder zweite Antrag von Schuldnerinnen abgelehnt werden,
weil es ihnen beispielsweise nicht gelingt innerhalb von sieben Jahren 10 % der
Konkursforderung als Mindestquote zu erwirtschaften, sowie die Gerichts- und
Verfahrenskosten zu bezahlen. Viele Gerichte weisen den Antrag ab, wenn im
Abschöpfungsverfahren 10 % der Konkursforderung trotz „Wohlverhalten" nicht
erbracht werden. Schuldenerlass aus Gründen der „Billigkeit" findet im Regelfall
durch das Gericht nicht statt.

Deutlich wurde auch, dass die Zinsendynamik vielfach Ursache der Verschuldung ist
bzw. ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Quote von 10 % im
Abschöpfungsverfahren nicht erzielt werden kann.

Bevorzugt aber sind nach der derzeitigen Rechtslage bei der Schuldenregulierung in
erster Linie in Privatkonkurs gegangene Unternehmer und Manager, so nach dem
Motto „die Großen können sich es richten, die Kleinen bleiben auf der Strecke".

Die Zahl der verschuldeten Privathaushalte (Schuldnerinnen) hat in den letzten
Jahren weiterhin nach Berichten der Kreditschutzverbände und
Schuldnerberatungsstellen weiter zugenommen. Die Probleme sind somit geblieben.
Immer mehr Personen bzw. Familien leben unter der Armutsgrenze. Auch bei
Personen, die im Berufsleben oder in Erwerbstätigkeit stehen, nimmt das Risiko der
Armutsgefährdung zu. Armut geht meist mit einer Überschuldung einher, viele
verschuldete Personen haben - ohne Schuldenregulierungsverfahren - keine
Möglichkeit, ihre Schulden jemals loszuwerden.


Es wird geschätzt, dass mindestens 300.000 Haushalte (Familien) in Österreich
verschuldet sind. Zugenommen haben die Fälle in den Schuldnerberatungsstellen,
gerade nach der Einführung der Drittschuldnerabfrage, durch die die Gläubiger beim
Hauptverband der Sozialversicherungsträger den jeweiligen Arbeitgeber eines
Schuldners für eine Gehaltspfändung abfragen können. Die Umstellung auf den Euro
sowie die Möglichkeit der Abfrage der ZMR-Zahl wird zu weiteren Zuwächsen in den
Schuldnerberatungen führen. Einige Schuldnerberatungsstellen können jetzt bereits
aus Überlastungsgründen keine neuen Klienten mehr aufnehmen. Viele
ÖsterreicherInnen haben sich in Fremdwährungskrediten verschuldet - das sind
42 Mrd. Euro entweder in Schweizer Franken oder Yen. Wird der Yen bzw. der
Schweizer Franken weiter aufgewertet, steigen damit auch die Zinsen und damit
auch die Rückzahlungsprobleme. Dies könnte dann zu weiteren Verschuldungen
führen und damit zur Inanspruchnahme von Schuldnerberatungsstellen.

Viele Schuldner haben bereits im Alter zwischen 14 und 19 Jahren begonnen, auf
Kredit zu leben. Immer mehr Jugendliche sind verschuldet, wobei ein Grundübel die
Möglichkeit einer Kontoüberziehung ist, von der immer mehr Jugendliche Gebrauch
machen.

Die Kontoüberziehung ist meist der Einstieg in die Schuldnerkarriere. 53 % der im
Rahmen der Studie des Institutes für Sozialdienste in Vorarlberg befragten
Jugendlichen gaben an, das sie ihr Konto überziehen können.
Das Leben auf Pump setzt sich fort mit der Finanzierung des Führerscheins (52 %
nach einer Studie der Salzburger Helix-Forschung über Jugendverschuldung) und
des ersten Autos. Danach kommt als weitere Ursache für die Verschuldung die
Hausstandsgründung (34 %). Ratenkäufe und Versandhausgeschäfte sind weitere
Ursachen. 20 % der Jugendlichen können den Verlockungen der
Konsumgesellschaft nicht widerstehen (überhöhter Konsum) und finanzieren sich
einen aufwendigen Lebenswandel. Dazu kommen nun hohe Handyrechnungen,
sowie gehäuft Ausgaben für Statussymbole (z.B. Markenbekleidung). Durch das
Absenken der Volljährigkeit bzw. durch die Möglichkeit Verbindlichkeiten nachträglich
mit Erreichen des 18. Lebensjahres zu übernehmen, verstärkte sich dieses Problem.

In Vorarlberg sind nach einer Umfrage bereits 28 % der Berufsschüler verschuldet,
und das - obwohl Kontoüberziehungen von Minderjährigen, die noch über kein
Einkommen verfügen - rechtlich vorerst unwirksam sind.
Daher ist es notwendig, der zunehmenden Verschuldung von jungen Menschen
durch ein geschlossenes Maßnahmenpaket entgegenzuwirken.

Aufgrund dessen und bekannt gewordener Probleme und Defizite im Konkursrecht,
wurde bereits in der
XX. GP im Justizministerium eine Arbeitsgruppe unter
Beiziehung von Experten zur Verbesserung des Privatkonkurses eingerichtet.
Dies führte nun zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz.
Das „Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2002" schafft nun zwar kleine
Verbesserungen für Schuldnerinnen, die grundsätzlichen Probleme werden aber
dadurch nicht gelöst.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird ersucht,

1. dem Nationalrat unter Einbeziehung der Erfahrungen der

Schuldnerberatungsstellen, Novellen zur Konkursordnung, des KSchG, ABGB,
ZPO etc, innerhalb von drei Monaten zuzuleiten. Damit sollen im Rahmen des
Insolvenzrechtes die Regeln über den Privatkonkurs eindeutig verbessert werden
(z.B. Schuldenregulierungsverfahren) und unter anderem auch mittellosen
Personen ein Zugang zur Entschuldung ermöglicht werden.

2.  Dabei sollen insbesondere folgende Probleme gelöst werden.

a. Wegfall der Mindestquote:

Wegfall der Mindestquote von 10 Prozent. Jedem redlichen Schuldner
muss das Privatkonkurs-Verfahren offen stehen. Eine von der
Bundesarbeitskammer gemeinsam mit der ARGE-Schuldnerberatung 1999
durchgeführte Studie zeigte, dass vor allem für Kleinschuldner (Schulden
bis zu ATS 500.000) und sozial schwache Personen die Mindestquote
nicht erfüllbar ist.

b. Vertragliche Pfandrechte:

Vertragliches Pfandrecht am Gehalt muss mit Konkurseröffnung erlöschen.
Der Fortbestand des vertraglichen Pfandrechts am Gehalt benachteiligt
überschuldete KonsumentInnen gegenüber bestimmten Berufsgruppen.
Aber auch all jene Gläubiger, die sich nicht rechtzeitig das vertragliche
Pfandrecht gesichert haben, werden gegenüber jenem Gläubiger (in der
Regel ein Kreditinstitut), der sich rechtzeitig das vertragliche Pfandrecht
gesichert hat, benachteiligt.

c.  Gehaltsverpfändung:

Um Belastungen von Arbeitsverhältnissen durch die Vormerkung von
Gehaltspfändungen zu vermeiden, soll ein Verbot im § 12 KSchG
geschaffen werden, wonach Vormerkungen von vertraglichen
Gehaltsverpfändungen erst dann zulässig und wirksam sind, wenn der
Schuldner sich im Zahlungsverzug befindet und die zugrundeliegende
Schuld nach § 13 KSchG wirksam fällig gestellt wurde.

d. Anrechnungsregeln:

Bei Zahlungsverzug von KonsumentInnen sollen Zahlungen zuerst auf die
Kosten, dann auf das Kapital und schließlich zuletzt auf die Zinsen
angerechnet werden dürfen.

e. Zinsen:

Beschränkung der Zinsen bei Verbrauchergeschäften auf die Höhe des
Kapitals, und zwar unabhängig davon, ob sie gerichtlich geltend gemacht
werden.


f.   Zinseszinsen:

Bei Verbrauchergeschäften soll die Berechnung von Zinseszinsen
verboten sein.

g. Scheidung:

Anlässlich der Ehescheidung sollte der Richter auf Grund eines Antrages
eines Ehegatten die Möglichkeiten haben, unter Berücksichtigung der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des jeweiligen Ehepartners bei
Aufnahme des Kredits sowie des Zuwachses des mit dem Kredit
erworbenen Vermögens, zu entscheiden, die Schuld zu splitten bzw. einen
der Ehegatten gänzlich - auch der Bank gegenüber - aus der Haftung zu
entlassen.

h. Bürgschaften:

Das Heranziehen von einkommens- und vermögenslosen Personen -

meist Ehepartner oder Lebensgefährten, oder minderjährigen

Jugendlichen - zu Bürgschaften ist ausdrücklich zu verbieten.

Die Übernahme einer Bürgschaft bzw. Mithaftung für Kredite zur

Abdeckung bestehender Verbindlichkeiten ist zu verbieten.

Nach der Unterfertigung einer Bürgschaft ist eine „Abkühlphase" mit einem

Rücktritts recht zu normieren, um unüberlegte Bürgschaften zu verhindern.

i.   Kontoüberziehungen von Minderjährigen sind zu verbieten.

j.   Inkassokosten (Zulässigkeit vorprozessualer Kosten):

Dies wäre in der ZPO über eine Pauschalierung der vorprozessualen
Kosten zu regeln.

3.  Ein Maßnahmenpaket zur Konsumentenerziehung - gemeinsam mit der
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur- vorzulegen, mit dem
(minderjährige) Jugendliche in Schulen über Geld, Girokonto, Kredite, Leasing,
Zinsen und Schulden sowie über die rechtlich zulässigen
Verpflichtungsmöglichkeiten aufgeklärt werden.

4.  Eine verbesserte personelle Ausstattung der Schuldnerberatung sicherzustellen,
damit Schuldnerinnen nicht mehr abgewiesen werden müssen und das Netz der
Schuldnerberatungsstellen in Österreich weiter auszubauen.

Zuweisunqsvorschlag: Justizausschuss