672/A XXI.GP
Eingelangt am: 18.04.2002
ANTRAG
der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer
und GenossInnen
betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert
wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz,
mit
dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das
Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das
Bundesverfassungsgesetz BGB1.1
Nr.
68/2000, wird wie folgt geändert:
1. Art. 13 wird folgender Abs. 3 angefügt:
„(3) Die Aufnahme von Finanzschulden darf die Summe der im
Finanzjahr
veranschlagten
Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Ausnahmen sind nur
zulässig
zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, wobei
zu diesem
Zweck aufgenommene Finanzschulden zu tilgen sind, sobald dies mit dem Ziel des
gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichtes vereinbar ist."
2. Art. 151 wird folgender Abs. 26 angefügt:
„(26) Art. 13 Abs. 3 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes
BGBl. I
Nr. .../...
tritt mit 1. Jänner 2003
in Kraft."
Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuß
Begründung:
Die
gegenwärtige Bundesregierung verfolgt in ihrer Budgetpolitik starr das
Ziel eines
Nulldefizits,
und zwar ohne auf die verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Funktionen eines
Budgetdefizits
zu achten und ohne danach zu unterscheiden, zu welchen Zwecken der Staat
Schulden
eingeht. Die Bundesregierung verfolgt das Nulldefizit nicht nur mit einer
Erhöhung
der
Abgabenquote auf einen historischen Höchststand, sondern stoppt gleichzeitig
- ohne
strukturelle
Maßnahmen zur Defizitbegrenzung - die öffentlichen Investitionen in
einem
Ausmaß,
das hausgemacht den weltweiten Wirtschaftsabschwung drastisch verschärft.
Gleichzeitig
werden durch die fehlenden Investitionen die Zukunftschancen Österreichs
gefährdet.
Die
negativen Folgen einer solchen unflexiblen Politik bekommt ganz Österreich
bereits zu
spüren.
Die Bundesregierung verabsäumt es, angesichts der herrschenden Rezession
ausreichende
Maßnahmen zur Konjunkturförderung zu setzen, die Bauwirtschaft liegt
darnieder.
Es ist
daher dringend erforderlich, Grundsätze einer verantwortlichen
Budgetpolitik ver-
fassungsgesetzlich festzuschreiben. Mit dem vorliegenden Antrag wird daher Art.
13 B-VG,
der
bereits für die Haushaltsführung von Bund, Ländern und Gemeinden
das Ziel der
Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes vorschreibt,
entsprechend ergänzt:
Ausgehend vom Ziel
eines ausgeglichenen Haushaltes wird dementsprechend in Art. 13 Abs.
3 zunächst festgelegt, dass die Aufnahme von Finanzschulden innerhalb
eines Finanzjahres
nicht
höher sein darf als die Summe der Ausgaben für Investitionen.
Unter
Finanzschulden sind gemäß Art. 51 Abs. 6 B-VG (§ 65
Bundeshaushaltsgesetz)
Geldverbindlichkeiten
zu verstehen, die nicht innerhalb des gleichen Finanzjahres getilgt
werden.
Der
Begriff der Investitionen ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben, sondern
ergibt sich
aus dem finanzwissenschaftlichen Investitionsbegriff. Dementsprechend sind
Ausgaben für
Investitionen
solche Ausgaben, die bei makroökonomischer Betrachtung die Produktions-
mittel
der Volkswirtschaft erhalten, vermehren oder verbessern. Dies ist dann der
Fall, wenn
die
finanzierten Vorhaben mit hinreichender Gewißheit über das
Haushalbsjahr erhalten
bleiben und ökonomisch genutzt werden können. Dazu zählen
insbesondere Investitionen in
staatliche
Infrastrukturvorhaben, sonstige Baumaßnahmen, der Ervverb von beweglichen
Sachen, die über eine bestimmte Wertgrenze hinausgehen und eine
Nutzungsdauer von über
einem
Jahr haben, der Erwerb von unbeweglichen Sachen und Beteiligungen sowie
Darlehen
und
Förderungen für Investitionen an andere öffentliche Auftraggeber
und Private. Ausge-
nommen sind allerdings Ausgaben für den militärischen Bereich, weil
diese Ausgaben zu den
Verbrauchsgütern
gezählt werden, weil sie nicht die Wirtschaftskraft der Volkswirtschaft
stärken
oder erhalten (Siehe dazu Rodler, Bundeshaushaltsrecht, FN 2 zu § 13 BHG
und die
weiteren
Nachweise dort).
Da diese
Investitionen definitionsgemäß die Volkswirtschaft stärken bzw.
erhalten und auch
in der
Zukunft wirksam werden, ist es auch gerechtfertigt, hiefür Schulden
einzugehen, sodass
auch künftige Generationen, die diese Investitionen ebenfalls nützen
zu ihrer Finanzierung
beitragen.
Der zweite Fall, der
die Inkaufnahme eines Defizits rechtfertigt, ist die Konjunkturförderung
zur
Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. Das
bereits in Art. 13
Abs. 2
als Ziel vorgesehene gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist in § 2 Abs. 2
Bundes-
haushaltsgesetz näher definiert. Darunter ist im Einklang mit
volkswirtschaftswissenschaft-
lichen Definitionen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen
Beschäftigtenstand,
einem
hinreichend stabilen Geldwert, der Sicherung des Wachstumspotentials und der
Wahrung des aussenwirtschaftlichen Gleichgewichtes zu verstehen.
Für derartige
Zwecke eingegangene Finanzschulden sind allerdings zu tilgen, sobald dies die
Konjunktur
erlaubt.
Die genannte
Vorschrift gilt- entsprechend Art. 13 Abs. 2 - für Bund, Länder und
Gemeinden.
Die Einhaltung der Vorschrift ist durch den Verfassungsgerichtshof
überprüfbar,
der das
jährliche Bundesfinanzgesetz, die Budgetgesetze der Länder und
Beschlüsse der
Gemeinden
(die als Verordnungen zu qualifizieren sind) an diesem Budgetgrundsatz zu
messen
hat. Ermächtigungen zu Kreditaufnahmen, die von dieser Vorschrift nicht
gedeckt
sind,
wären dementsprechend vom Verfassungsgerichtshof aufzuheben.
Die
Vollziehung dieser Verfassungsvorschrift setzt voraus, dass künftig
Investitionen in den
Budgets
entsprechend gekennzeichnet werden, was durch eine geringfügige
Änderung der
Gliederung
des Budgets möglich ist, da die meisten Investitionen bereits als Ausgaben
für
„Anlagen"
(§ 20 Abs. 4 BHG) zu verbuchen sind.