699/A XXI.GP

Eingelangt am: 12.06.2002

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

                            

                            

der Abgeordneten Glawischnig, Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

betreffend Schaffung einer „GVO-freien Zone Österreich"

Nach wie vor sind die Auswirkungen der Freisetzung gentechnisch veränderter Or-
ganismen (GVO) in Bezug auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht
vorhersehbar.

Derzeit ist die österreichische Landwirtschaft noch "gentechnikfrei". Aber mit der Um-
setzung der EU-Freisetzungsrichtlinie wird das derzeit auf EU-Ebene bestehende
Moratorium auf Neuzulassungen von Gentech-Pflanzen fallen. Damit könnte schon
bald eine Zulassungswelle von GVO auf Österreich zukommen. Eine Studie, die im
Auftrag des BMSG und der Oberösterreichischen Landesregierung erstellt und am 6.
Mai d.J. in Oberösterreich präsentiert wurde, hat dieses Szenario vorweggenommen
und geprüft, wie weit die Schaffung von gentechnikfreien Zonen notwendig bzw. rea-
listisch ist. Laut Studie ist ein Nebeneinander von gentechnikfreier Bewirtschaftung
und dem GVO-Anbau in Österreich praktisch nicht möglich. Bei der Schaffung von
kleinen bis mittleren gentechnikfreien Zonen müssten Schutz- und Pufferzonen ein-
gerichtet werden. Bei diesen Trennzonen müsste von einem Radius von vier
Kilometern ausgegangen werden, was bei der klein strukturierten österreichischen
Landwirtschaft nicht durchführbar wäre, da die Grundgrößen kleiner als die Schutz-
zonen um die GVO-Felder wären. Will man diese traditionellen Strukturen erhalten,
so bleibt laut Studie letztendlich keine andere Möglichkeit, als Österreich flächende-
ckend gentechnikfrei zu erhalten.

Angesichts des österreichweit hohen Anteils an Biobetrieben (ca. 10% der Betriebe
und ca. 9% der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden biologisch bewirtschaftet),
aber auch der konventionellen Betriebe, die sich gegen den Einsatz der sog. „Grü-
nen Gentechnik" aussprechen sowie des hohen Anteils an ökologisch sensiblen Ge-
bieten besteht ein dringender Bedarf, eine gentechnikfreie Zonen Österreich zu
schaffen.

In ganz Österreich gibt es auf Länder-, Gemeinde und Betriebsebene laufend Dekla-
rationen zur Gentechnikfreiheit. Seit 1997 haben sich über 700 österreichische Bür-
germeister gegen die Freisetzung von Gentech-Planzen auf ihrem Gemeindegebiet
ausgesprochen. Die Burgenländische Landtag hat erst kürzlich die Erklärung des
Burgenlandes zur gentechnikfreien Zone beschlossen. In einigen anderen Bundes-
ländern wurden aus der Überlegung heraus, die Natur vorsorglich vor unabschätzba-
ren Folgeerscheinungen zu schützen, über das Verbot der Freisetzung von GVO be-
reits nachgedacht bzw. bei Einhaltung der Bestimmungen des Gentechnikgesetzes
an Bewilligungen gebunden (z.B. im Vorarlberger Gesetz über Naturschutz und
Landschaftsentwicklung). In Kärnten wurden im Umweltausschuss gentechnikfreie
Bioregionen beschlossen.

Mittlerweile wird selbst auf EU-Ebene von Kommissar Fischler die Einführung GVO-
freier Zonen vorgeschlagen: „Möglicherweise müssten zukünftig "gentechnikfreie Zo-


nen" eingerichtet werden, damit ökologisch wirtschaftende Betriebe weiterhin 100
Prozent GVO-freie Produkte anbieten können, so Fischler. Wissenschaftler hatten
vor dem Treffen erklärt, dass eine Streuung von gentechnisch veränderten Organis-
men bei einem großflächigen Einsatz dieser Technologie nicht zu verhindern sei.
Damit Bio-Betriebe weiterhin selbst geringe GVO-Spuren in ihren Produkten vermei-
den können, müssten sie räumlich von der konventionellen Landwirtschaft mit GVO-
Einsatz getrennt werden."(@grar.de Aktuell, 19. September 2001).

Auch Bundesminister Haupt hat in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfra-
ge der Grünen 3455/AB vom 22. April 2002 darauf hingewiesen, dass aufgrund der
kleinräumigen Strukturen der österreichischen Landwirtschaft eine Koexistenz von
GVO-Kulturen und einer gentechnikfreien Produktion nicht möglich sei und daher die
Einrichtung von "gentechnikfreien Zonen" ein Mittel der Wahl darstelle.

Zusammen mit den in Österreich derzeit geltenden relativ strengen Grenzwerten für
unbeabsichtigte Verunreinigungen von Saatgut mit GVO wäre mit der Einrichtung ei-
ner österreichweit GVO-freien Zone die Möglichkeit geschaffen, einem dringenden
Bedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Mit einem unmissverständlichen
Bekenntnis zur Gentechnikfreiheit ließe sich für Österreich europa- und weltweit eine
große Marke mit Profil ausbauen, die den Konsumentinnen wieder mehr Sicherheit
bietet. Mit dem politischen Ziel, eine gentechnikfreien Zone Österreich zu schaffen,
könnte eine Vorreiterrolle in Europa eingenommen werden.

Österreich steht vor der folgenreichen Entscheidung, entweder eine passive Rolle zu
spielen und den umstrittenen Bereich Gentechnik in der Landwirtschaft so zu akzep-
tieren, wie er von anderen gestaltet wird, oder selbst politische Konzepte zu entwi-
ckeln und durchzusetzen. Da auf lange Sicht die Koexistenz einer gentechnikfreien
Produktion und einem Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) im
Rahmen der kleinräumigen Struktur der österreichischen Landwirtschaft nicht mach-
bar ist, stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Um einen Entwicklungs- und Sicherheitsraum für eine gentechnikfreie nachhaltige
Landwirtschaft zu gewährleisten und um mögliche, nicht vorhersehbare Fehlentwick-
lungen durch Gentechnikanwendung zu verhindern, wird die Bundesregierung aufge-
fordert, folgende Maßnahmen zu treffen:

1.  Österreich zur gentechnikfreien Zone zu erklären und dieses Ziel im Gentech-
nik-Gesetz sowie in den entsprechenden Materiengesetzen zu verankern;


2.  bis spätestens Ende 2002 unter Einbindung unabhängiger Expertinnen dem
Nationalrat ein umfassendes Konzept zur Errichtung einer gentechnikfreien
Zone Österreich vorzulegen - insbesondere unter Bezugnahme auf Schutzan-
forderungen für ökologisch sensible Gebiete, für den biologischen Landbau
sowie die Imkerei und unter Bedachtnahme auf internationale Abkommen des
Biodiversitäts- und Biosphärenschutzes;

3. auf EU-Ebene, in Kooperation mit Nachbarstaaten sowie im nationalen, regio-
nalen und lokalen Bereich Initiativen für gentechnikfreie Zonen zu unterstüt-
zen und dafür einzutreten dass das Konzept gentechnikfreier Zonen im EU-
Rechtsbestand verankert wird.

4. zum Schutz und zur Durchsetzung dieser gentechnikfreien Regionen die not-
wendigen Maßnahmen zur Beseitigung allfällig auftretender beabsichtigter
und unbeabsichtigter Freisetzungen zu ergreifen;

5. das Gentechnik-Gesetz dahingehend zu ändern, dass auch unbeabsichtigte
Freisetzungen in den Geltungsbereich des Gentechnik-Gesetzes fallen und
insbesondere gewährleistet ist, dass die für die Inverkehrbringung eines Pro-
duktes verantwortlichen Biotechnologie-Unternehmen im Falle von Übertre-
tungen der Saatgut-Gentechnik-Verordnung die volle Produkt- und
Umwelthaftung für die von GVO verursachten Schäden (Kosten der
Beseitigung, allfällige Schadenersatzansprüche etc.) zu übernehmen haben;

6.  im Zusammenhang mit der EU-Umwelthaftungs-Richtlinie dafür einzutreten,
dass im Bereich der Gentechnik die Haftung auch für zugelassene Produkte
nach der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung, die auch das Ent-
wicklungsrisiko mit einschließt, geregelt wird;

7.  im Bereich der Wissenschaft und Forschung, Bildung und Beratung, insbe-
sondere aber auch in der landwirtschaftlichen Beratung, die Gentechnikfrei-
heit als wichtiges Ziel zu verankern und entsprechend zu fördern;

8.  in einem jährlichen Bericht die Ergebnisse sämtlicher Saatgutuntersuchungen,
Vorsorgemaßnahmen und Monitoringergebnisse betreffend GVO-
verunreinigtem Saatgut, Sorten und Anbaukulturen der Öffentlichkeit bekannt-
zugeben.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuß vorgeschla-
gen.