732/AE XXI.GP
Eingelangt am: 10.07.2002
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag.
Terezija Stoisits, Mag. Ulrike Lunacek Freundinnen und
Freunde
betreffend begleitende
Maßnahmen nach der Aufhebung von § 209
StGB
Der §
209 StGB wurde 1970 mit dem Strafgesetzbuch neu geschaffen. Davor
hat es ein Totalverbot sowohl für weibliche als auch für
männliche Homosexualität
gegeben.
Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat
mit Erkenntnis vom 21. Juni
2002 dem Antrag des Oberlandesgericht Innsbruck Folge gegeben und den §
209
des Strafgesetzbuches endlich als verfassungswidrig aufgehoben. Der Gerichtshof
hat die Bestimmung nicht mit sofortiger Wirkung beseitigt, sondern für das
Außerkrafttreten eine Frist bis 28. Februar 2003 festgesetzt.
Eine
Angleichung der Altersgrenzen für homo- und heterosexuelle
Handlungen war aus
psychologischer, medizinischer, gesellschaftspolitischer und
verfassungsrechtlicher Sicht längst überfällig. Derartig
diskriminierende
Straftatbestände stellen eine Gefahr für die körperliche und
psychische Gesundheit
von schwulen Jugendlichen dar
und widersprechen im Übrigen sowohl der
Bundesverfassung als auch der
Europäischen Menschenrechtskonvention.
Das
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof ist sehr zu begrüßen. Leider
konnte sich der Verfassungsgerichtshof noch im Jahre 1989 nicht zur -jetzt bei
selber Sach- und Rechtslage erfolgten - Aufhebung dieses menschenrechts- und
verfassungswidrigen Bestimmung durchringen. Auf Grund dieses heftig
kritisierten
und - aus heutiger Sicht -
offensichtlichen Fehlurteils sind allein seit 1989 rund 250
Personen menschenrechtswidrig ins Gefängnis gesteckt worden.
Die Aufhebung des
§ 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof gilt
rückwirkend nur im Anlassfall. Bereits rechtskräftige Verurteilungen
bleiben mit allen
Folgen für die Verfolgten aufrecht. Noch nicht angetretene
Freiheitsstrafen müssen
auch nach der Aufhebung vollzogen werden.
Deshalb müssen nach der
Beseitigung dieser letzten strafrechtlichen
Sonderbestimmung für schwule Männer jetzt alle rechtskräftigen
Verurteilungen
allein nach § 209 StGB getilgt und rückwirkend aufgehoben,
Untersuchungs- und
Strafgefangene, die allein wegen § 209 StGB verurteilt bzw. verfolgt
werde, sofort
aus den Strafanstalten entlassen werden und ist dafür Sorge zu tragen, dass
bereits
rechtskräftige Freiheitsstrafen nicht mehr angetreten werden müssen.
Darüber
hinaus sollte sich die Republik Österreich bei allen Opfern für die
menschenrechtswidrige Verfolgung entschuldigen und für eine angemessene
Entschädigung für das erlittene Unrecht sorgen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
1.
Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat eine Entwurf
für
ein Bundesgesetz zur Amnestie, Rehabilitierung und Entschädigung wegen
Verurteilungen, die überwiegend nach dem als verfassungswidrig
aufgehobenen § 209 Strafgesetzbuch erfolgten, vorzulegen. Der Vorschlag
hat jedenfalls die Rechtsgrundlage für folgende Maßnahmen zu
umfassen:
Die Tilgung aller überwiegend auf § 209 beruhenden Verurteilungen,
damit niemand wegen Verurteilung oder sonstiger behördlicher
Tätigkeit aufgrund § 209 StGB in welcher Art auch immer benachteiligt
wird;
die Löschung aller Vormerkungen, insbesondere im Strafregister und
im kriminalpolizeilichen Aktenindex auf Grund § 209 StGB;
die Löschung aller personenbezogenen Daten, insbesondere auch
erkennungsdienstlichen Daten, die im Zusammenhang mit Verfahren
nach § 209 StGB ermittelt worden sind;
die rückwirkende Aufhebung aller Verurteilungen, die überwiegend auf
§ 209 StGB beruhen;
die Entlassung aller überwiegend nach § 209 StGB verurteilten
Gefangenen aus dem Strafvollzug und
die volle finanzielle Entschädigung aller überwiegend nach § 209 StGB
Verurteilten und Rückerstattung der Geldstrafen.
2.
Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, bereits vor Inkrafttreten des
Bundesgesetzes zur Amnestie, Rehabilitierung und Entschädigung von
Verurteilten nach dem verfassungswidrig aufgehobenen § 209
Strafgesetzbuch alle nach der geltenden Rechtslage möglichen Schritte zu
setzen,
damit
die Aussetzung des Strafvollzuges für alle nach § 209 StGB verurteilten
Strafgefangenen und
den Aufschub des Strafvollzuges für alle allein nach § 209 StGB
Verurteilten
gewährleistet werden kann und dem Nationalrat darüber zu berichten.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuß vorgeschlagen.