1022/AB XXI.GP
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage der Ab -
geordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Annemarie Reitsamer und Genossinnen
betreffend Einforderung der Behandlungskosten von betrunkenen Patienten,
Nr. 1092/J, wie folgt:
Frage 1:
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der den gegenständlichen Fragen zu Grunde
liegende Sachverhalt aus der vorliegenden Anfrage nicht klar zu entnehmen ist. Al -
lenfalls wurde der Sachverhalt auch in der zitierten Zeitungsmeldung undifferenziert
dargestellt. Das Einfordern der Behandlungskosten von sozialversicherten (betrun -
kenen) Patientinnen ist jedenfalls rechtlich unzulässig, wenn seitens der Sozialversi -
cherung eine Leistungspflicht nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften be -
steht.
Sollte sich die Anfrage auf den neuen § 135a Abs. 2 ASVG beziehen, ist dazu anzu -
merken, dass es sich dabei nicht um die Einforderung der Behandlungskosten, son -
dern lediglich um einen Behandlungsbeitrag in der Höhe von ATS 150 oder 250
handelt. Ein solcher Behandlungsbeitrag wird für solche Behandlungen einzuheben
sein, die sich als unmittelbare Folge der Trunkenheit einer Person ergeben, nicht
aber für eine notwendige ambulante Behandlung im Zusammenhang mit der Be -
handlung einer allenfalls gegebenen Alkoholkrankheit (z.B. Nachbehandlung nach
einem stationären Aufenthalt).
Da - wie bereits ausgeführt - nicht klar ist, auf welchem angenommenen Sachverhalt
die gegenständliche Anfrage beruht, wird ergänzend - völlig unabhängig von der
Frage einer allfälligen Alkoholisierung von Patientinnen - auf folgenden Sonderfall
hingewiesen, bei dem es tatsächlich zum Ersatz der Behandlungskosten durch den
Patienten/die Patientin kommen kann:
Vor dem Hintergrund der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung hat die
Feststellung des Vorliegens der Notwendigkeit einer Anstaltspflege durch die Abga -
be der so genannten ,,Leistungszuständigkeitserklärung” seitens des zuständigen
Krankenversicherungsträgers zu erfolgen. Liegt eine solche Erklärung vor und hat
somit der Krankenversicherungsträger das Vorliegen der Vorraussetzungen für eine
Anstaltspflege bestätigt, so kann es zu einer Vorschreibung der Behandlungskosten
gegen den Betroffenen (auch von Seiten des Krankenanstaltenträgers) gar nicht
kommen.
Die soziale Krankenversicherung übernimmt bekanntlich entsprechende Behand -
lungskosten grundsätzlich unabhängig von den der Erkrankung zu Grunde liegenden
Ursachen.
Nun mag es aber so sein, dass vereinzelt in bestimmten Fällen, in denen jemand in
ein Spital zur stationären Behandlung eingeliefert wird, aus Sicht der gesetzlichen
Krankenversicherung tatsächlich gar keine die Anstaltspflege erforderlich machende
Krankheit vorgelegen ist und sie daher ihre Leistungszuständigkeit hinsichtlich der
Anstaltspflege verneint. In solchen Fällen erscheint es daher möglich, dass die ange-
fallenen Kosten von Seiten des Spitalserhalters dem oder der Betroffenen unmittel-
bar vorgeschrieben werden.
Aus den Bestimmungen des § 144 Abs.3 ASVG sowie des § 22 KAG lässt sich näm -
lich ableiten, dass die Kriterien für die Gewährung von Anstaltspflege durch einen
Träger der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und das für die Aufnahme in
einer Krankenanstalt wesentliche Kriterium der "Anstaltsbedürftigkeit" andererseits
nicht notwendig deckungsgleich sind.
Bei Aufnahme in eine Krankenanstalt ohne vorherige Einweisung durch einen Kran -
kenversicherungsträger hat der aufnehmende Anstaltsarzt seiner Entscheidung über
die Aufnahme ausschließlich das krankenanstaltenrechtliche Kriterium der Anstalts -
bedürftigkeit zugrundezulegen.
Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Krankenversicherungsträger bei der
(notwendig nachträglichen, wenn auch eine ex - ante Betrachtung zugrundelegenden)
Prüfung seiner Leistungszuständigkeit zu einem negativen Ergebnis kommt.
Die genannte Problematik ist daher auch nicht eine, die sich unmittelbar und aus -
schließlich im Zusammenhang mit der Spitalsbehandlung Betrunkener ergibt. Bei
den von den anfragenden Abgeordneten angesprochenen Fällen handelt es sich
möglicherweise um solche Fälle, in denen das Vorliegen der Vorraussetzungen einer
Anstaltspflege vom zuständigen Krankenversicherungsträger verneint wurde.
In diesen Fällen dürfte die Vorschreibung der Kosten an den/die Patienten/in daher
seitens des jeweiligen Krankenanstaltenträgers tatsächlich möglich sein.
Fragen 2 und 3:
Alkoholismus ist ohne Frage eine "Krankheit”, deren Entstehung oft durch das Vor -
liegen anderer psychischer oder psychiatrischer Grundkrankheiten begünstigt bzw.
verursacht wurde.
Frage 4:
Das hängt einerseits von den Behandlungskosten und andererseits von den Wirt -
schaftlichen Möglichkeiten der betreffenden Personen ab. Bei Suchtkranken ist zu
bedenken,
• dass deren wirtschaftliche Situation krankheitsbedingt meist schlecht ist (hohe
Arbeitslosenrate, hohe Rate an Personen auf schlecht bezahlten Arbeitsplätzen),
• dass sich daher die Kosten in vielen Fällen nach hohem Verwaltungsaufwand als
uneinbringbar erweisen würden,
• und dass zusätzlich Schulden im Behandlungs - und Rehabilitationsfall sich als
großes Reintegrationshindernis erweisen würden.
Wie oben erwähnt, ist aber eine generelle Einforderung von Behandlungskosten von
Suchtkranken auch gar nicht beabsichtigt.
Frage 5:
Eine Limitierung des Alkoholausschankes an Betrunkene ist in der Gewerbeordnung
vorgesehen. Ich erachte die diesbezügliche Regelung unter der Voraussetzung, dass
sie eingehalten wird bzw. deren Einhaltung entsprechend kontrolliert wird, für ausrei -
chend.
Frage 6:
Zum einen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die bereits bestehenden zahl -
reichen Aktivitäten im Bereich der Prävention hinweisen: Suchtaufklärungsbroschü -
ren, die Tätigkeit der Fachstellen für Suchtprävention in den Bundesländern, ein
Netz von ambulanten und stationären Suchtberatungs - und Behandlungseinrichtun -
gen, welche Leistungen auch in Zusammenhang mit suchtspezifischer Primär - und
Sekundärprävention anbieten, Suchtpräventionsprojekte in den Schulen und in der
außerschulischen Jugendarbeit, die Unterstützung von wissenschaftlichen und prak -
tischen Suchtpräventionsprojekten durch den Fond “Gesundes Österreich” und vie -
les mehr.
Seit Beginn des Jahres hat die Alkoholkoordinations - und Informationsstelle des
Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen am Anton - Proksch -
Institut in Zusammenarbeit mit dem Ludwig - Boltzmann - Institut für Suchtforschung
ihre Arbeit aufgenommen. Diese Stelle erhebt systematisch relevante Daten in die -
sem Gebiet und steht nicht nur dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen, sondern auch der Öffentlichkeit als beratende Einrichtung zur Verfü -
gung.
Zum anderen möchte ich festhalten, dass künftige Maßnahmen im Einklang mit den
Vorgaben der WHO, insbesondere im Rahmen des Europäischen Aktionsplans Al -
kohol 2000 - 2005, zu treffen sein werden. Insbesondere wird Augenmerk darauf zu
legen sein, das Ausmaß des Trinkens bei der Jugend zu verringern. Die Präventi -
onsbemühungen müssen verstärkt darauf abzielen, die Jugendlichen vor dem Druck
ihres Umfeldes zum Alkoholkonsum zu schützen und sie zu gesundheitszuträglichen
Entscheidungen zu befähigen.
Frage 7:
In einer Reihe von Ländern ist es üblich, für Personen, die gewerblich Alkohol aus-
schenken, Kurse anzubieten, die diesen auch eine Hilfestellung im korrekten Um-
gang mit Alkoholisierten bieten. Eine entsprechende auch von der WHO empfohlene
Vorgangsweise sollte auch in Österreich überlegt werden.
Frage 8:
Seitens der WHO wird die Finanzierung von Tätigkeiten zur Steuerung von Alkohol -
konsum - d.h. für Gesundheitsförderung, Forschungsarbeiten zur Alkoholpolitik und
Unterstützung der Gesundheitsdienste auf örtlicher und nationaler Ebene - durch
“Alkoholsteuern” empfohlen. Aus gesundheitspolitischer Sicht ist es mir jedenfalls ein
wesentliches Anliegen, dass - ungeachtet der finanzpolitischen Umsetzung - entspre -
chende Mittel zur Verfügung stehen.
Frage 9:
Das Ziel aller Präventionsmaßnahmen muss es sein, der Bevölkerung bewusst zu
machen, dass Alkohol am Steuer klar und eindeutig abzulehnen ist. Die gesetzliche
Begrenzung auf 0,5 Promille ist aus wissenschaftlicher Sicht ausreichend und ent -
spricht auch dem europäischen Standard. Eine Absenkung dieser Grenze auf 0.0
Promille wäre nicht sinnvoll, da man auch ohne den Konsum alkoholischer Getränke
zu geringfügigen Alkoholwerten kommen kann. Eine allzu niedrige Promillgrenze
würde überdies den gesellschaftlichen Konsens gefährden, dass die bestehenden
Regelungen sinnvoll und auch einzuhalten sind.
Frage 10:
Rund 5% der erwachsenen Österreicher sind alkoholkrank (Querschnitt), weitere
13% sind zwar nicht alkoholkrank, trinken aber in gesundheitsgefährdendem Aus -
maß. Das ergibt insgesamt 18% mit problematischem Alkoholkonsum.
Im Laufe des Lebens erkranken rund 10% an Alkoholismus (Längsschnitt).
Frage 11:
Die Behandlung erfolgt stationär und ambulant in spezialisierten Einrichtungen, in
psychiatrischen Einrichtungen, in Einrichtungen für interne Medizin, etc. In den meis -
ten Bundesländern gibt es eine dichtes Netz an Beratungsstellen und Ambulanzen
und es stehen rund 900 spezialisierte Betten für Alkoholkranke zur Verfügung. Öster -
reich verfügt über eines der besten Behandlungsnetze für Alkoholkranke. Jeder Pati -
ent, der zur Behandlung motiviert ist, kann ohne lange Wartezeit einen ambulanten
oder stationären Behandlungsplatz finden.
Frage 12:
Alkoholismus ist eine Erkrankung, die nicht vollkommen geheilt werden kann. Alko -
holiker können in der Regel nie wieder kontrolliert Alkohol trinken und es kommt
auch nach erfolgreichen Behandlungen in vielen Fällen immer wieder zu mehr oder
weniger ausgeprägten Rückfällen. Als Behandlungserfolg gilt, wenn es gelingt,
• die Zahl, Dauer und Intensität der Alkoholkonsumphasen erheblich zu reduzieren,
• den allgemeinen Gesundheitszustand der
Patienten erheblich zu verbessern,
• beruflich desintegrierte Alkoholkranke wieder zu integrieren,
• sozial desintegrierte Alkoholkranke wieder zu integrieren etc.
Das Ausmaß des Erfolgs variiert sehr, da der Behandlungserfolg bei Alkoholismus
demgemäß nicht seriös mit der populären dreistufigen Skala “geheilt” - “verbessert”
- “unverändert” beschrieben werden kann. Davon, dass sich in der Mehrzahl der
Fälle durch Therapie eine maßgebliche Verbesserung erzielen lässt, kann man je -
doch grundsätzlich ausgehen.
Frage 13:
Wenn man auch kurzfristige Rückfälle irgendwann im späteren Lebensverlauf als
Rückfall bezeichnet, ist die Rückfallrate recht hoch. Bezeichnet man aber als Rück -
fall nur jene Fälle, bei denen es nach einem Rückfall bald nach der Behandlung zu
einem endgültigen Absturz kommt, so ist die Rückfallrate allerdings niedrig.
Frage 14:
Leider kommt die Einsicht, dass eine Behandlung notwendig ist, bei vielen Alkoholi -
kern erst so spät, dass bereits bleibende gesundheitliche und/ oder soziale Schäden
eingetreten sind. Bei der großen Mehrzahl der Fälle kommt aber irgendwann der
Punkt, wo sich der/ die Kranke selbst die Krankheit eingesteht und Schritte setzt, um
diese zu überwinden. Fast ein Drittel der Wiener Alkoholkranken kommt irgendwann
im Laufe des Lebens zu einer stationären Behandlung ans Anton - Proksch - Institut.
Von den restlichen 2/3 werden manche in anderen Sonderkrankenhäusern, psychia -
trischen Abteilungen oder in Ambulanzen behandelt. Viele Alkoholkranke finden
auch bei Selbsthilfegruppen Unterstützung.
Frage 15:
Von der Werbeindustrie wird vertreten, dass Werbung keinen Einfluss auf die kon -
summenge, sondern nur auf die Wahl der Marken hat. Es ist aber durchaus anzu -
nehmen, dass durch gezielte Werbung unerwünschte Auswirkungen auf das Kon -
sumverhalten hervorgerufen werden können. Diesbezüglich bestehende gesetzliche
und freiwillige Beschränkungen der Werbewirtschaft sind durchaus sinnvoll, ich wür -
de auch eine Regelung für zielführend erachten, wonach sich Alkoholwerbung nicht
an Jugendliche oder Betrunkene richten darf. Auch soll Werbung nicht zum Miss -
brauch auffordern. Ich gehe aber davon aus, dass man mit weiteren nationalen Wer -
beeinschränkungen oder -verboten derzeit grundsätzlich keine sehr großen Erfolge
im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch erzielen kann und dass es daher nur im
Kontext gemeinsamer Maßnahmen auf internationaler oder europäischer Ebene
zweckmäßig ist, diese Thematik einer ernsthaften weiteren Diskussion zu unterzie -
hen.