1047/AB XXI.GP
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 987/J betreffend
Aktivitäten zur Gewährleistung der Nahversorgung der Bevölkerung, welche die
Abgeordneten Kubitschek und Genossen am 5. Juli 2000 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Landeshauptmänner in ihren Regelungen
den regionalen und strukturellen Gegebenheiten Rechnung tragen und somit den vom
Verfassungsgerichtshof getroffenen Vorgaben entsprechen können.
Antwort zu den Punkten 2 und 3 der Anfrage:
In seinem Beschluss vom 10. Juni 1999, Zl. B 2000/98 - 10, führte der
Verfassungsgerichtshof zum Einzugsbereich aus, dass die damals in Geltung stehende
Einkaufszentren - Verordnung den Einzugsbereich
für jeden Handelsbetrieb in gleicher
Weise festsetze und auf Besonderheiten, wie beispielsweise das Warensortiment oder die
Lage des Handelsbetriebes keine Rücksicht nehme. Nach Ansicht des
Verfassungsgerichtshofes ist eine einheitliche Regelung des Einzugsbereichs ohne
Bezugnahme auf die verschiedenen Handelsbranchen und regionalen Unterschiede
sachlich nicht gerechtfertigt. Würde die Einkaufszentren - Verordnung eine regionale und
branchenbezogene Differenzierung zulassen, könnte auch eine adäquate
Abschöpfungsquote festgelegt und somit den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten
Rechnung getragen werden.
Diese Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes fanden ihren Niederschlag in der in
§ 77 Abs. 8 der Gewerbeordnungsnovelle geschaffenen Verordnungsermächtigung für die
Landeshauptmänner. Es ist davon auszugehen, dass die Landeshauptmänner über
besondere Kenntnisse der speziellen örtlichen Gegebenheiten sowie der regionalen
Nahversorgungssituation in ihren Ländern verfügen und diesen auch im Rahmen der
Festsetzung der Kerngrößen in geeigneter Weise Rechnung tragen können.
Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:
Die bisher in Geltung stehenden Regelungen der Einkaufszentren - Verordnung, welche mit
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Dezember 1999, ZI. G 96/99 - 13,
V 50/99 - 13 u.a., mit Wirkung 30. Juni 2000 zur Gänze aufgehoben wurden, gaben zu
zahlreichen Anfragen aus der Vollziehung Anlass, da mit diesen Regelungen im Bereich
der Gewerbeordnung absolutes Neuland betreten wurde. Aufgrund der Erfahrungen in der
Vollziehung wurde nunmehr eine Neudefinition des Begriffes „Stadt - oder
Ortskerngebiet“ sowie des Begriffes ,,Bruttogeschoßfläche“ vorgenommen. Weiters wurde
eine Warenliste entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes in Form einer
Verordnung erarbeitet, die der Nahversorgung
dient. Bei dieser Verordnung, welche am
31. August 2000, BGBl. II Nr. 277/2000 kundgemacht wurde, handelt es sich um eine
bundeseinheitliche Regelung.
Antwort zu den Punkten 5 bis 9 der Anfrage:
Die zunehmende Beschleunigung des Konzentrationsprozesses in vielen Branchen ist kein
österreichisches, sondern ein international zu beobachtendes Phänomen, das auch vor dem
Bereich des Einzelhandels nicht Halt macht und sich auch leicht zahlenmäßig belegen
lässt. Im Jahr der Einführung der gemeinschaftlichen Fusionskontrolle (1990) wurde nur
ein Fall aus dem Sektor Einzelhandel zur Genehmigung angemeldet, im Jahr 1999 waren
es 18 Fälle.
Im nationalen Verfahren hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit im Wege der
Finanzprokuratur zwar ein - in Bezug auf den Einzelhandel bis dato noch nicht
ausgeschöpftes - Antragsrecht, jedoch keine inhaltliche Entscheidungsbefugnis. Die
Hauptaktivitäten wurden auf die europäische Ebene konzentriert.
In einer vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten in Auftrag
gegebenen Studie wurden die Möglichkeiten allfälligen negativen Folgen des
Konzentrationsprozesses entgegenzuwirken untersucht.
Eine wichtige Maßnahme ist die Verankerung des ausdrücklichen, an marktbeherrschende
Unternehmen gerichteten Verbotes des Verkaufs unter dem Einstandspreis im
Kartellgesetz. Da jeder betroffene Unternehmer die Möglichkeit hat, vor dem
Kartellgericht ein Verfahren wegen Marktmachtmißbrauchs in Gang zu bringen, ist somit
eine wesentliche Chance für kleine Mitbewerber gegeben, sich gegen gezielte
Verdrängung zur Wehr zu setzen.
Das Ziel des Wettbewerbsforums im Frühjahr des heurigen Jahres war, die Gründe für
Wettbewerbsdefizite - nicht zuletzt auf den
Märkten für Einzelhandel - aufzuzeigen und
unter Beteiligung von Unternehmern zu diskutieren. Weitere Reformen im
österreichischen Kartellrechtswesen sind ein wichtiges Anliegen.
Nicht vergessen werden darf jedoch, dass das sogenannte Greißlersterben auch Ursachen
hat, die nicht mit Mittel des Wettbewerbsrechts zu bekämpfen sind: die
Konsumentenpräferenzen scheinen sich eindeutig in Richtung Super - und Großmärkte mit
breitem Warenangebot und preisaggressivem Marketing zu entwickeln. Nimmt der
Konsument das Angebot auch der kleinen Einzelhandeisbetriebe nicht oder nicht in
ausreichendem Maße an, müssen auch die besten juristischen Instrumente versagen.
Antwort zu den Punkten 10 und 11 der Anfrage:
Nein.
Antwort zu Punkt 12 der Anfrage:
Zu Wettbewerbsproblemen kann es insbesondere dann kommen, wenn die Zahl der
Marktteilnehmer gering ist, diese vergleichbare Kostenstrukturen aufweisen, Produkte
homogen sind und hohe Markteintrittsbarrieren bestehen. Erschwerend können noch der
Mangel an Einkaufsmacht der Konsumenten und strukturelle Verflechtungen der
Wettbewerber hinzukommen. Dies sind jedoch Probleme, die unabhängig von der
Anmeldung von bestimmten Zusammenschlüssen auftreten, die ja naturgemäß immer nur
anhand eines konkreten Falls eingreifen kann. Hier sind andere Instrumente als die
Fusionskontrolle gefragt.
Antwort zu Punkt 13 der Anfrage:
Die Intensität des Wettbewerbs hängt auch auf einem regional abgegrenzten Markt nicht
ausschließlich von der Anzahl der Wettbewerber ab. Die Beantwortung dieser Frage
würde eine komplexe Analyse der jeweiligen Marktsituation, der Finanzkraft der
betreffenden Wettbewerber, ihres Zugangs zu Versorgungsquellen und anderen
Vertriebsformen, bestehender Markteintrittsbarrieren, der die Mobilität der Konsumenten
beeinflussenden Faktoren, wie geographische Verhältnisse, etc. bedingen. Ein Abstellen
auf ausschließlich quantitative Kriterien greift bei einer Prüfling aus
wettbewerbsrechtlicher Sicht jedenfalls zu kurz, vielmehr bedarf es im Sinne einer
wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 1 KartG) einer umfassenden qualitativen
Beurteilung, die sämtliche relevanten Faktoren berücksichtigt.