1051/AB XXI.GP
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1063/3 betreffend die
Forderung von Herrn Bundesminister Bartenstein nach einer Kartellbehörde, sowie die
Aktivitäten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen der
österreichischen Wettbewerbspolitik, welche die Abgeordneten Mag. Kubitschek und
Genossen am 7. Juli 2000 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 bis 4 der Anfrage:
Die zunehmende Beschleunigung des Konzentrationsprozesses in vielen Branchen ist kein
österreichisches, sondern ein international zu beobachtendes Phänomen. Dieser Prozess hat in
der Praxis zur Folge, dass an die Stelle vieler kleiner Unternehmer, die vorwiegend national
operieren, solche treten, die Teil multinationaler Konzerne sind. Diese zunehmende
Konzentration führt zur Wettbewerbsproblemen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zahl
der Marktteilnehmer gering ist, diese vergleichbare Kostenstrukturen aufweisen, die Produkte
homogen sind und hohe Markteintrittsbarrieren
bestehen. Erschwerend können noch der
Mangel an Einkaufsmacht der Konsumenten und strukturelle Verflechtungen der
Wettbewerber hinzukommen. Demgemäß sind auch in Österreich eine Reihe von Märkten
von zumindest potentiellen Wettbewerbsbeschränkungen gekennzeichnet.
Einer davon ist zweifellos der Markt für Lebensmitteleinzelhandel, wo der
Konzentrationsprozess ganz besonders rasch verlaufen ist. In einem - vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit veranstalteten - Wettbewerbsforum im
Frühjahr des heurigen Jahres, ging die Meinung unabhängiger Experten dahin, dass nur eine
mit adäquaten Ressourcen, einem modernen und effizienten Verfahrensrecht und einem
hohen Grad von Unabhängigkeit ausgestattete Organisation in der Lage ist,
Wettbewerbsverstöße effektiv zu bekämpfen und langfristig für eine entsprechende
Bewusstseinsbildung unter allen Teilnehmern am Wirtschaftsleben zu sorgen. Daher ist die
Verwirklichung von weiteren Reformen im österreichischen Kartellrechtswesen ein wichtiges
Anliegen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ist aber auch den Ursachen des
Konzentrationsprozesses im Fall des Einzelhandels nachgegangen und hat eine
diesbezügliche Studie vom Institut für Wirtschaftsforschung ausarbeiten lassen. Damit
wurden wichtige weitere Lösungsansätze aufgezeigt.
Dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit kommt zwar die „inhaltliche
Zuständigkeit“ für Wettbewerbspolitik zu, diese geht jedoch - mit einer Ausnahme - nicht
mit einer entsprechender Vollziehungs - und Legistikkompetenz für Kartell -,
Marktmißbrauchs - und Zusammenschlussangelegenheiten einher.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit war maßgeblich an der
Kartellgesetznovelle 1999, die wesentliche Verbesserungen im Hinblick auf eine weitere
Annäherung des österreichischen Wettbewerbsrechts an das Gemeinschaftsrecht und eine
Steigerung der Effizienz der Kartellgerichtsbarkeit gebracht hat, beteiligt. In den Materialien
zur Novelle 1999 wurde auch vom Gesetzgeber auf die Notwendigkeit zur Fortführung des
Reformprozesses hingewiesen. Die Bundesregierung tritt ebenfalls für grundlegende
Reformen in der Kartellrechtsvollziehung ein.
Abseits von diesen langfristigen Überlegungen arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit aber laufend an der Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs in
Österreich. Aufgrund des EU - Wettbewerbsgesetzes ist das Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit zur Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln in Österreich berufen. In
enger und ausgezeichnet funktionierender Zusammenarbeit mit den Dienststellen der
Europäischen Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, wird nicht nur bei legistischen
Vorhaben wie der Modernisierung der Vollziehung der Art 81 (Kartellverbot) und 82 (Verbot
des Marktmachtmissbrauches) sondern auch bei Einzelfällen langfristig das
wettbewerbsrechtliche Umfeld Europas und damit Österreichs für die Zukunft gestaltet.
Antwort zu den Punkten 5 bis 7 der Anfrage:
Anträge auf Betreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten bzw. des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurden in folgenden Fällen gestellt:
Exide/CEAC, STUAG/STRABAG/Innereber, Porr/Terrag Adag Tunnelbau, Avanti/Shell,
Coca - Cola/Schweppes und Post/feibra.
Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Zusammenschlussfälle. Anträge auf Abstellung
des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wurden nicht gestellt.
Antwort zu den Punkten 8 und 9 der Anfrage:
Aufgrund eines von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte gestellten
Prüfungsantrages nahm des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit von einem solchen
Abstand.
Antwort zu den Punkten 10 und 11 der Anfrage:
Bei der Übernahme der restlichen Meinl Filialen durch die Spar - Gruppe, haben die Parteien
bereits im Vorverfahren ausreichende Zusagen gemacht, weshalb die Stellung eines
Prüfungsantrages nicht geboten war. Seit Beginn meiner Amtszeit wurde ein Prüfungsantrag
im Fall Post/feibra gestellt.
Antwort zu Punkt 12 der Anfrage:
Antragstellungen in Verfahren vor dem Kartellgericht können immer nur in Einzelfällen
erfolgen. In den Fällen, wo dies geboten erschien, wurden solche Anträge auch gestellt.
Antwort zu Punkt 13 der Anfrage:
Im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit werden keine Aufzeichnungen über die
Zahl der von den anderen Amtsparteien gestellten Anträge geführt.
Antwort zu den Punkten 14 bis 20 der Anfrage:
Bei der Ahndung von Wettbewerbsverstößen gibt es zwei grundsätzlich verschiedene
Ansätze. Der eine geht davon aus, dass die größte Abschreckungswirkung von (u.U.
drastischen) gerichtlichen Strafen gegen die handelnden Personen ausgeht.
Der andere Ansatz ist die Ahndung von Kartellabsprachen und Marktmissbräuchen mittels
Geldbußen. Diese müssen allerdings auch, um spürbare disziplinierende Wirkung entfalten zu
können, drastisch sein. Dass ein solches System ebenso gut funktioniert wie ein mit
gerichtlicher Strafbarkeit operierendes, zeigt das Gemeinschaftsrecht: Geldbußen in
Milliardenhöhe veranlassen selbst multinationale Konzerne, von Kartellverstößen Abstand zu
nehmen.
Die Präventivwirkung hängt aber nicht nur von der Höhe der Strafdrohung sondern von einer
Kombination aus Ergreifungswahrscheinlichkeit und zu gewärtigender Strafe ab.
Ich vertrete die Ansicht, dass nur ein System mit hinreichend hoher
Ergreifungswahrscheinlichkeit einerseits und spürbaren Sanktionen, die dann aber auch
ausgeschöpft werden, langfristig wettbewerbliches Wohlverhalten unter den
Marktteilnehmern zu erreichen vermag.
Antwort zu Punkt 21 der Anfrage:
Ebenso wie das Gemeinschaftsrecht oder das deutsche Kartellrecht sieht das österreichische
Recht keine Zerschlagung von Unternehmern oder Unternehmensgruppen vor, stützt sich also
auf das Präventionsprinzip. Dafür gibt es eine Reihe guter Gründe. Die Folgen von
Entflechtungen in den Vereinigten Staaten waren nicht so uneingeschränkt positiv, dass der
gravierende Eingriff in Grundrechte dadurch gerechtfertigt scheint. Vielfach wurde aus einem
marktmächtigen Unternehmer bloß eine Gruppe von solchen gemacht. Eine ex ante Kontrolle
von Zusammenschlüssen kann, wie das EU - Recht zeigt, mindestens so effektiv wie ein
System sein, in dem Unternehmen mit ungewissem Ausgang gespalten werden.
Antwort zu den Punkten 22 bis 25 der Anfrage:
Der internationale Vergleich zeigt, dass Wettbewerbsrecht jedenfalls in erster Instanz
praktisch überall von Verwaltungsbehörden, oft im Zusammenwirken mit einem
Kollegialorgan, welches die endgültige Entscheidung trifft, vollzogen wird. Dies gilt nicht
nur für die wohl beiden effizientesten Wettbewerbsbehörden in Europa, die Generaldirektion
Wettbewerb in Brüssel und das deutsche Bundeskartellamt, auch viele kleinere
Mitgliedstaaten, die erst in den letzten Jahren Wettbewerbsbehörden geschaffen haben, haben
sich entschlossen, unabhängige Verwaltungsorgane mit den Kartellangelegenheiten zu
betrauen. Dabei spielen Erwägungen der größeren Effizienz, Raschheit und Einfachheit des
Verwaltungsverfahrens eine entscheidende Rolle. Wesentlich ist dabei aber die
Unabhängigkeit der Behörde.
Antwort zu Punkt 26 der Anfrage:
Die Frage, ob eine Wettbewerbsbehörde selbst Ermittlungshandlungen setzen kann, ist von
der Frage zu trennen, ob für Hausdurchsuchungen eine richterliche Verfügung benötigt wird.
Der Wettbewerbsschutz darf zweifellos nicht zu Lasten des Grundrechtsschutzes gehen, es
müssen aber Ermittlungen gegen den Willen
der betroffenen Unternehmen möglich sein.
Die Schaffung einer neuen effizienteren Behördenstruktur für die
Wettbewerbsrechtsvollziehung kann zweifellos nur ein Aspekt einer wettbewerbsorientierten
Wirtschaftspolitik sein.
Antwort zu Punkt 27 der Anfrage:
Wie schon vorher erwähnt, ist die Unabhängigkeit derjenigen Stellen, die in
Wettbewerbssachen rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen hat, von größter
Wichtigkeit. Da die Diskussionen über die Neustrukturierung der Kartellrechtsvollziehung
aber erst am Anfang stehen, sind Überlegungen, wie im Falle der Schaffung neuer
Entscheidungsstrukturen die Sicherstellung der Unabhängigkeit im einzelnen zu geschehen
hat, noch nicht im Detail angestellt worden.
Antwort zu Punkt 28 der Anfrage:
In meinem Interview habe ich nicht davon gesprochen, dass Hausdurchsuchungen ohne
richterlichen Befehl oder gar ohne begründeten Verdacht durchgeführt werden sollen. Die mit
den Ermittlungen betraute Stelle - sei dies ein Kartellanwalt oder eine Verwaltungsbehörde -
muss aber über ausreichende Erhebungsbefugnisse verfügen. Meine Zweifel haben sich
insbesondere darauf bezogen, ob Strafverfahren die geeignete Form zur Ahndung von
Kartellverstößen sind.
Antwort zu den Punkten 29 und 30 der Anfrage:
Die von mir angegebene Zahl von Mitarbeitern stellt selbstverständlich eine bloße Schätzung
dar; Berechnungen sind im vorliegenden Zusammenhang wohl schwer möglich. Meine
Schätzungen beruhen auf den Größen von Wettbewerbsbehörden vergleichbarer Staaten,
stellen aber sicher die Obergrenze des Bedarfs dar.
Bei der Beurteilung der Kosten darf der durch die Prävention von Wettbewerbsverstößen
entstehende gesamtwirtschaftliche Nutzen nicht
außer Acht gelassen werden.
Antwort zu Punkt 31 der Anfrage:
Wie der OECD Empfehlung betreffend wirksame Vorgangsweise gegen Hardcore Kartelle zu
entnehmen ist, gehört die Frage der durch Wettbewerbsverstöße verursachten Schäden zu
einem Bereich, in dem ein großes Informationsdefizit besteht. Konkrete Berechnungen
existieren daher nicht, auf Grundlage von Hochrechnungen aufgedeckter Kartelle lässt sich
das Ausmaß des angerichteten volkswirtschaftlichen Schadens jedoch grob schätzen.
Antwort zu den Punkten 32 und 33 der Anfrage:
Im Fall der Schaffung einer Kollegialbehörde mit richterlichen Einschlag als
Berufungsinstanz über einer erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde wäre die Befassung des
Verwaltungsgerichtshofs im Regelfall ebensowenig erforderlich wie im Fall eines
Kartellanwaltes mit bloßer Ermittlungs - und Antragsbefugnis aber ohne
Entscheidungsbefugnis.