1066/AB XXI.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 991/J - NR/2000, betreffend
geschlechtsspezifische Kostenverursachung im Straßenverkehr, die die
Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde am 5. Juli 2000 an mich gerichtet
haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Vorweg möchte ich festhalten, daß das Verkehrsressort das erste Ressort war, das
frauenspezifischen Aspekten im Verkehrsbereich Rechnung zu tragen beabsichtigte
und zu diesem Zweck einen sog. "Frauenfachbeirat" gegründet hat, der auch mit
einem eigenen - wenn auch vorerst bescheidenen - Budget ausgestattet wurde, um
seine Wirksamkeit und Effizienz sicherzustellen.
Zu Frage 1:
Eine geschlechtsspezifische Datenerhebung im Straßenverkehr wird von der
Abteilung Verkehrstechnik des Kuratoriums für Schutz und Sicherheit (KUSS)
durchgeführt. Allerdings geben diese Daten keinen Aufschluß über die
Kostenverursachung im Sinne einer Schuldzuschreibung bei Unfällen, da die
Schuldfrage bei Datenerhebung noch ungeklärt ist. Unter Berücksichtigung der
Unfalltypen und deren Folgewirkungen lassen die geschlechtsspezifischen Daten
Rückschlüsse auf die
Kostenverursachung daher nur sehr bedingt zu.
Die Unfallfolgekosten des Straßenverkehrs liegen in einer Größenordnung von etwa
50 Milliarden ATS pro Jahr.
Der Anteil der Frauen, die eine Lenkberechtigung erwerben, entspricht seit mehreren
Jahren ungefähr jener der Männer, allerdings erwerben Frauen die Lenkberechtigung
meist erst, wenn sie etwas älter sind. Ihr Anteil an der Verkehrsteilnahme (als
Lenkerinnen eines Kfz) betrug Mitte der 90er Jahre durchschnittlich 27 Prozent und
ist in den letzten Jahren weiter angestiegen.
Die jährlichen Kilometerleistungen von Autofahrerinnen haben sich in den letzten
Jahren mehr als verdoppelt, trotzdem fahren Frauen durchschnittlich immer noch
deutlich weniger als Männer. Rund 40 Prozent der Fahrerinnen legen weniger als
5.000 Kilometer pro Jahr zurück, 37% fahren 5.000 bis 10.000 km pro Jahr, nur 8%
mehr als 20.000 km. (Zum Vergleich: die durchschnittliche Jahresfahrleistung eines
Personenkraftwagens beträgt rd. 13.500 km.)
Im Jahr 1999 waren in Österreich insgesamt 74.190 LenkerInnen von Fahrzeugen
(vom Fahrrad bis zum Sattelzug) an Unfällen beteiligt. Davon waren 52.547
männlichen und 21.643 weiblichen Geschlechts (das sind 29,2%). D.h. der Anteil der
unfallbeteiligten Lenkerinnen spiegelt im wesentlichen ihren Anteil an der
Verkehrsleistung wider.
Im Jahr 1999 waren von 421 getöteten Pkw - LenkerInnen 325 Männer und 96
Frauen, das sind 22,8 Prozent - das ist auch auf die innerstädtische Nutzung des
Pkw von Seiten der Frauen zurückzuführen. Ebenso wie die Verkehrsleistung steigt
also die Unfallbeteiligung von Frauen an, allerdings werden signifikant weniger
Lenkerinnen bei Straßenverkehrsunfällen tödlich oder schwer verletzt.
Frauen setzen sich selten alkoholisiert hinter das Lenkrad (im Jahr 1999 waren 7,6%
der an Unfällen beteiligten Alkoholisierten weiblich), sie sind fast nie in sogenannte
,,Disco - Unfälle” involviert, außerdem begehen sie kaum Fahrerflucht und fahren sehr
selten ohne Lenkberechtigung. Schließlich sind die Lenkerinnen auch weit seltener
als “Geisterfahrer” unterwegs, der
Anteil der Frauen, die entgegen der
vorgeschriebenen Fahrtrichtung unterwegs waren, betrug in den Jahren 1987 bis
1999 knapp 15 Prozent.
Zu Frage 2:
In den von meinem Ressort bearbeiteten Gesetzesmaterien KFG und StVO wird
versucht, Verkehrssicherheitsinhalte zu verwirklichen, die möglichst allen
Verkehrsteilnehmern zu Gute kommen. Für jugendliche Problemlenker, bei denen es
sich meist um Männer handelt, wurden die Bestimmungen des Probeführerscheins
und der Stufenführerschein für Motorräder geschaffen. Überschreitungen der
Verkehrsregeln gehen automatisch zu Lasten von Verkehrsrowdys. Wenn dies
mehrheitlich Männer sind, sind sie von den Konsequenzen der gesetzlichen
Regelungen also stärker betroffen als Frauen.
Zu Frage 3:
Der geschlechtsspezifischen Kostenverursachung im Straßenverkehr wird indirekt
Rechnung getragen, indem diejenigen, die den motorisierten Individualverkehr am
meisten nutzen, monetär am stärksten beansprucht werden durch ihre
Aufwendungen zur Mineralölsteuer. Unangepaßte Fahrer werden stärker zur Kasse
gebeten, weil sie durch ihre häufigen und hohen Geldstrafen
Verkehrssicherheitsarbeit mitfinanzieren. Weiters zahlen Fahrer hoch motorisierter
Fahrzeuge eine höhere KFZ - Steuer. Der Schulungsaufwand für die Nachschulung
wird vom Betroffenen selbst getragen. Zum Teil wird bei den Versicherungen im
KFZ - Bereich ein sogenannter "Lady - Bonus" (Rabatt) vergeben, der die geringere
Unfallbeteiligung von Frauen berücksichtigt.
Aus verkehrspsychologischer Sicht erscheint es sinnvoll, den weiblichen Fahrstil
stärker zu propagieren. Frauen verhalten sich im Straßenverkehr rücksichtsvoller,
defensiver und weniger risikofreudig als Männer. Frauen sollten stärker in
Verkehrssicherheitsarbeit und Fragen der Infrastruktur mit gleichem Mitspracherecht
(d.h. gleiche Karrierechancen) wie ihre männlichen Kollegen eingebunden werden
und Frauen sollten verstärkt in der Fahrschulausbildung tätig sein. Frauenspezifische
Arten der Mobilität, wie Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Radfahren und zu
Fußgehen, sollten attraktiver gestaltet werden um auch Männer zur Nutzung dieser
Möglichkeiten zu animieren.
Zu Frage 4:
Die Frage, inwieweit es für die verursachten Kosten einen geschlechtsspezifischen
Ausgleich geben sollte, ist eine budgettechnische Frage, welche
zuständigkeitshalber an den Herrn Bundesminister für Finanzen zu richten wäre.