1121/AB XXI.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1084/J - NR/2000, betreffend Harntests auf

Drogenkonsum bei Verkehrstauglichkeitsprüfung durch Polizei und Gendarmerie sowie

mögliche legistische Konsequenzen für SubstitutionspatientInnen, die die

Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde am 7. Juli 2000 an mich gerichtet

haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Zu Frage 1:

 

Es gibt eine Reihe von Untersuchungen über die psychotrope Wirkung von

Cannabis; deren Ergebnis läßt sich dahingehend zusammenfassen, dass die

Wirkung zwar mit der konsumierten Menge ansteigt, sich jedoch keine

„Schwellenwerte“ festlegen lassen. Auch wird die Wirkung durch die Kombination mit

anderen Substanzen, insbesondere mit Alkohol, gesteigert.

 

Zu den Fragen 2, 2a und 3:

 

Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft gibt es hinsichtlich des THC - Gehalts

im Harn keine absoluten Grenzwerte, wie sie etwa für den Blutalkoholgehalt

bestehen. Wird im Rahmen einer Untersuchung THC im Harn nachgewiesen, so hat

die Behörde zu prüfen, ob der Lenker durch Suchtgift beeinträchtigt war; dies wird in

der Regel durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens

geschehen. Der bloße Nachweis von THC im Harn zieht hinsichtlich des

Verkehrsrechts keine Rechtsfolgen nach sich.

Zu Frage 4:

 

Eine allgemeine „Verkehrstauglichkeitsprüfung“ ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Sofern jedoch die Vermutung besteht, dass jemand in einem durch Suchtgift

beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt hat, er deshalb zu einem Arzt

gebracht wird, und dieser im Rahmen der Untersuchung einen Harntest durchführt,

so stehen hierfür eine Reihe von anerkannten Testverfahren zur Verfügung. Für

welches Verfahren sich der Arzt im konkreten Fall entscheidet, ist nicht von

vornherein festgelegt.

 

Zu Frage 5:

 

Ein Harntest kann von dem Arzt, dem ein Proband zwecks Untersuchung vorgeführt

wurde, im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführt werden. Voraussetzung für die

Vorführung zum Arzt ist allerdings die Vermutung, dass eine Person in durch

Suchtgift beeinträchtigtem Zustand ein Fahrzeug lenkt oder gelenkt hat. Nach derzeit

vorliegenden Informationen kann diese Vermutung durch folgende Kriterien

begründet sein: diverse Pupillenreaktionen auf die jeweiligen Drogen,

Muskelschwäche (zeigt sich im Bedürfnis, sich anzulehnen; hängende Augenlider,

usw.), glasige Augen, im Auto befindliche Utensilien, Ablecken der Lippen aufgrund

Mundtrockenheit; Zähneknirschen und Muskelkrämpfe durch Körperaustrocknung,

Verwirrtheitszustände, Müdigkeit, aber auch das andere Extrem: Überaktivierung,

Rededrang, Rastlosigkeit, übermäßige Kontaktfreudigkeit, starkes Schwitzen, usw.

 

Zu Frage 6:

 

Sowohl eine rechtskräftige Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem

durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand als auch eine erwiesene

Suchtgiftabhängigkeit können zu einer Entziehung der Lenkberechtigung führen.

„Folgeuntersuchungen“ in einer Form, dass eine Person in regelmäßigen Abständen

aufgefordert werden könnte, Blutproben abzugeben, um das Vorliegen einer

allfälligen Suchtgiftabhängigkeit regelmäßig zu überprüfen, sind jedoch gesetzlich

nicht vorgesehen.

Abgesehen davon sind durch Analyse des Blutes sämtliche Inhaltsstoffe (nicht nur

Suchtgifte) feststellbar, sofern ihre Konzentration die für einen wissenschaftlichen

Nachweis erforderliche Mindesthöhe erreicht. Aufgrund wissenschaftlicher

Erkenntnisse steht auch fest, dass es bei regelmäßiger Cannabisaufnahme zu einer

Kumulierung des THC - Metaboliten THC - COOH im Blut kommt.

 

Zu den Fragen 7 und 10:

 

Voraussetzung für den Entzug der Lenkberechtigung ist das Vorliegen von

bestimmten Tatsachen, die einen Mangel der Verkehrszuverlässigkeit gemäß § 7

FSG herbeiführen. Aufgrund dieses Mangels der Verkehrszuverlässigkeit ist ein

Entzug der Lenkberechtigung auszusprechen. § 7 Abs. 3 und 4 enthält eine

demonstrative Aufzählung von bestimmten Tatsachen, die einen Mangel der

Verkehrszuverlässigkeit darstellen, unter anderem die Begehung einer strafbaren

Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz (dabei handelt es sich um einen alten

Verweis, der durch einen Verweis auf das nunmehr in Kraft stehende

Suchtmittelgesetz zu ersetzen ist). Ein Entzug der Lenkberechtigung (von

mindestens 3 Monaten) ist demnach nur bei schweren von den Gerichten zu

verfolgenden strafbaren Handlungen auszusprechen.

 

Weitere Konsequenzen, wie amtsärztliche oder verkehrspsychologische

Untersuchung sind nicht zwingend vorgeschrieben, können aber im Einzelfall je nach

den Umständen vorgeschrieben werden.

 

§ 58 StVO hingegen hat mit einem Mangel der Verkehrszuverlässigkeit nichts zu tun,

sondern stellt nur auf einen konkreten Fall ab: niemand darf ein Fahrzeug in einem

(körperlichen) Zustand in Betrieb nehmen, der ihm eine sichere Beherrschung dieses

Fahrzeuges nicht erlaubt. Wodurch dieser Zustand hervorgerufen wurde, ist völlig

unerheblich; andererseits sagt eine Übertretung des § 58 StVO auch nichts über das

Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des FSG aus.

Zu Frage 8:

 

Nach Ablauf der Entziehungszeit und Beibringung etwaiger sonstiger

vorgeschriebener Gutachten kann ein formloser Antrag auf Wiederausfolgung des

Führerscheines gestellt werden. Beträgt die Entziehungszeit 18 Monate oder mehr,

ist die Lenkberechtigung erloschen und es muss die Wiedererteilung der

Lenkberechtigung beantragt werden.

 

Zu Frage 9:

 

Bei der Bundesrechenzentrum GmbH bzw. von den Behörden wird ein

Führerscheinregister geführt, in das Bestrafungen, die zum Entzug der

Lenkberechtigung führen, eingetragen werden. Bei wiederholter Begehung solcher

Delikte wird von der Behörde eine höhere Geldstrafe bzw. eine längere

Entzugsdauer der Lenkberechtigung ausgesprochen. Ich möchte allerdings

nochmals darauf hinweisen, dass aufgrund eines positiven Harntests allein eine

Bestrafung nicht möglich ist (siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 3).

 

Zu den Fragen 11,13, 14 und 14a:

 

Die Rechtslage bezüglich Erteilung oder Belassung der Lenkberechtigung für

Substitutionspatienten ist in § 14 Abs. 4 der Führerscheingesetz -

Gesundheitsverordnung nicht eindeutig geregelt. Aus dem Wortlaut „Personen, die aus

medizinischen Gründen Sucht - oder Arzneimittel erhalten....“ ist nicht ausreichend klar

ableitbar, ob unter diese Bestimmung auch Substitutionspatienten zu subsumieren

sind. Aus systematischen Gründen können jedoch die Voraussetzungen für eine

Erteilung oder Belassung einer Lenkberechtigung für Substitutionspatienten niemals

geringer sein als für Personen, die ihre Abhängigkeit bereits überwunden haben (§

14 Abs. 5 FSG - GV).

 

Im Rahmen einer Novelle zur FSG - GV soll klargestellt werden, dass auch die

Erteilung oder Belassung einer Lenkberechtigung an Substitutionspatienten unter

Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, gegebenenfalls einer

verkehrspsychologischen Untersuchung sowie unter dem regelmäßigen Nachweis

der Freiheit vom Suchtmittelmissbrauch möglich ist.

Zu Frage 12:

 

Die Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung sowie dazu ergehende Novellen

können nur im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und

Generationen kundgemacht werden. Dies setzt eine Einigung der beiden Ressorts

über die Inhalte dieser Verordnung voraus. Darüber hinaus besteht beim

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen als ständige

Arbeitsgruppe das „Drogenforum“, das sich umfassend mit dem Problemkreis des

Drogenmissbrauchs beschäftigt und an dessen Sitzungen regelmäßig auch Vertreter

meines Ressorts teilnehmen. Die Problematik der Drogen im Straßenverkehr stellt

einen regelmäßigen Tagesordnungspunkt bei den Sitzungen dar.

 

Beim Gesundheitsamt handelt es sich hingegen um eine Dienststelle des Magistrats

der Stadt Wien, mit der keine besondere Zusammenarbeit besteht.

 

Zu Frage 15:

 

Gemäß § 14 Abs. 5 FSG -GV kann Personen, die alkohol -, suchtmittel - oder

arzneimittelabhängig waren, nach einer befürwortenden fachärztlichen

Stellungnahme und unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine

Lenkberechtigung für die Klassen A und B erteilt werden. Die Klassen C und D

werden nicht erwähnt, gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes

99/11/0047 - 5 vom 27. Mai 1999 bedeutet diese Nichtnennung aber nicht, dass die

Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klassen C und D an solche Personen

ausgeschlossen ist. Der Zugang zu den Klassen C und D kann aber keinesfalls

leichter sein als zu den Klassen A und B, weshalb zumindest ebenfalls eine

befürwortende fachärztliche Stellungnahme und die Bedingung ärztlicher

Kontrolluntersuchungen zu fordern ist.