1125/AB XXI.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Pfeffer, Genossinnen und Genossen haben am 7. Juli

2000 unter der Nr. 1051/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

"Todesfälle beim Bundesheer seit 1990“ gerichtet. Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Entgegen den Behauptungen der Anfragesteller werden die Themen ,,Suizid bzw. Todes -

fälle“ im Bundesheer keineswegs tabuisiert. Vielmehr wird von meinem Ressort alles

unternommen, um derartigen tragischen Ereignissen, soweit dies überhaupt möglich ist,

vorzubeugen. Hiebei liegt das Augenmerk primär darauf, Soldaten bei seelischen

Belastungen zu jeder Tages - und Nachtzeit persönliche Hilfestellung anzubieten sowie

Auffälligkeiten, Vorzeichen oder Andeutungen rechtzeitig zu erkennen und geeignete

psychologische Betreuung zu veranlassen. Diese intensiven Bemühungen mögen auch die

Ursache dafür sein, dass die Selbstmordrate beim Bundesheer geringer ist als jene im zivilen

Bereich. Im übrigen ist auch kein Fall dokumentiert, in dem die Ursache für einen

Selbstmord im Zusammenhang mit dem Dienstbetrieb im Bundesheer zu suchen ist.

 

Im Einzelnen beantworte ich die vorliegenden Anfrage wie folgt:

 

Zu 1:

 

Unter Vorsitz des seinerzeitigen Leiters der Gruppe Inspektion beschäftigten sich Experten

der Sanitätsabteilung, des Heerespsychologischen Dienstes, der Präsidialabteilung A, der

Ergänzungsabteilung A, der Operationsabteilung, des Presse - und Informationsdienstes, des

Büros für Wehrpolitik sowie des Militärkommandos Burgenland im Juli 1998 mit der

Thematik ,,Selbstmordfälle im Bundesheer“. Die Arbeitsgruppe analysierte eingehend diese

überaus komplexe Problematik, zog Schlussfolgerungen und gab Empfehlungen ab, die u.a.

nachstehende Bereiche betrafen:

- Sensibilisierung von Kommandanten und Kameraden hinsichtlich des Erkennens von

  Problempersönlichkeiten und Selbstmordgefährdeten, richtiges Verhalten nach dem

  Erkennen;

- Betreuung nach Erstbehandlung durch Kommandanten immer durch Fachpersonal;

- Kontrolle der Informationspflicht betreffend ,,Help - Line Service“ (Plakat, Info - Karte);

- Besondere Sorgfalt bei der Ausgabe scharfer Munition, strenge Strafen bei unbefugtem

  Besitz;

- Intensivere Auseinandersetzung mit Begriffen wie „Menschenbild“, „Empathie“,

   ,,Führungsklima“, ,,Psychohygiene“ etc. im Rahmen der Kaderschulung;

- Information der Medien zur Verhinderung von Nachahmungsfällen infolge der

   Berichterstattung über Selbstmordfälle.

 

Das Ergebnis der Arbeitsgruppe wurde am 31. Juli1998 in einem Protokoll dargelegt. Die

Empfehlungen wurden vom Bundesministerium für Landesverteidigung insbesondere durch

Ergänzung der diesbezüglichen Ausbildungsunterlagen und im Rahmen der Aus - und

Weiterbildung der Kommandanten aller Ebenen umgesetzt. Darüber hinaus wurde die

Selbstmordproblematik in das Projekt „Psychologische Vorbereitung von Soldaten für den

militärischen Einsatz“ integriert.

 

Zu 2:

 

Die Aufgaben der Abteilung ,‚Heerespsychologischer Dienst“ sind in der Geschäfts -

einteilung des Bundesministeriums für Landesverteidigung festgelegt und umfassen

„Angelegenheiten der Psychologie im Bundesheer; Angelegenheiten der Methoden der

Meinungsforschung; fachspezifische Belange der Personalauswahl, der Menschenführung

und der sozialwissenschaftlichen Forschung; Angelegenheiten der klinischen Psychologie

im Sinne des Psychologengesetzes 1990“, weiters „Angelegenheiten der Fliegerpsychologie

und der Verkehrspsychologie; fachspezifische Belange der Heerespilotenauswahl, der Flug -

sicherheit und der Pilotenbetreuung“.

 

Zu 3:

 

Der Heerespsychologische Dienst informiert den Leiter der Gruppe „Ausbildungsmittel und

Infrastruktur“ im Rahmen der Dienstaufsicht laufend und anlassbezogen. Gesonderte

„Berichte“ werden nicht erstellt.

Zu 4 bis 7:

 

Hiezu verweise ich auf die der Anfragebeantwortung als Beilage angeschlossene Übersicht.

Da die diesbezüglichen umfangreichen Daten erst seit dem Jahr 1995 statistisch erfasst

werden, ersuche ich um Verständnis, dass eine Beantwortung der Fragen nur für die letzten

sechs Jahre möglich ist.

 

Zu 8:

 

Untersuchungskommissionen werden bei allen Unfällen mit Heeresfahrzeugen, Waffen,

Gerät, Munition, Sprengmitteln, Unfällen in der Ausbildung sowie in allen Fällen mit

tödlichem Ausgang, schweren Verletzungen und bei vermutetem Fremdverschulden

eingesetzt. Wieviele Untersuchungskommissionen in diesem Sinn in den letzten zehn Jahren

konkret eingesetzt wurden, ist statistisch nicht erfasst.

 

Zu 9:

 

Die Untersuchungsergebnisse werden von den zuständigen Fachabteilungen meines Ressorts

analysiert und gegebenenfalls zum Anlass für geeignete Maßnahmen (z.B. Änderung von

Vorschriften, technische Verbesserungen, strengere Dienstaufsicht) genommen.

 

Zu 10:

 

Untersuchungskommissionen werden aus einem Vorsitzenden, einem rechtskundigen Organ

und den jeweils erforderlichen Mitgliedern mit speziellen Fachkenntnissen zusammen -

gesetzt. Bei entsprechendem Bedarf, insbesondere im Falle gerichtlicher Erhebungen,

werden auch externe Gutachter beigezogen bzw. Gutachten berücksichtigt.

 

Zu 11:

 

Eine psychologische Betreuung erfolgt bei entsprechender medizinischer Indikation; dafür

stehen im Heersspital Wien eine psychiatrische und eine klinisch - psychologische Ambulanz,

in den Militärspitälern Graz und Innsbruck klinisch - psychologische Ambulanzen zur

Verfügung.

Zu 12:

 

Zur psychischen Aufarbeitung traumatischer Ereignisse für sekundäre und tertiäre Opfer

dient das sog. ,,Critical Incident Stress Debriefing - System" des Heerespsychologischen

Dienstes. Auf Wunsch können durch den jeweiligen Kommandanten weitere Betreuungs -

leistungen, etwa durch Truppenarzt, Heerespsychologen und Ambulanzen der Militärspitäler

eingeleitet werden. Darüber hinaus kann auch in diesen Fällen jederzeit vom Help - Line

Service des Heerespsychologischen Dienstes Gebrauch gemacht werden.

 

Zu 13:

 

Die Schulung des Kaderpersonais hinsichtlich des „Erkennens und Behandelns von

Problempersönlichkeiten“ und zur „Begründung von hilfreichen Beziehungen“ ist bereits

Teil der Kaderausbildung und wird laufend verbessert.

 

Zu 14:

 

So bedauerlich Suizidfälle im Assistenzeinsatz auch sind, ist doch festzustellen, dass bis

dato in keinem Fall ein unmittelbarer Bezug zwischen Motiv und dem Dienstbetrieb im

Assistenzeinsatz bzw. im Bundesheer herstellbar war. Auch im Bereich der Ausbildung,

Vorbereitung oder Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen konnten keine Defizite

festgestellt werden.

 

Im Übrigen ist mit Nachdruck festzustellen, dass Soldaten im Assistenzeinsatz grundsätzlich

keiner extremen psychischen und physischen Belastung unterliegen. Sie werden nämlich im

Zuge ihrer Ausbildung durch ihre Kommandanten auf den Assistenzeinsatz vorbereitet,

wobei sich die Ausbildung, einschließlich der Gewöhnung an extreme Situationen

(Schlafentzug, Stress usw.) an den wesentlich höheren Anforderungen eines militärischen

Einsatzes orientiert.

 

Zu 15:

 

Nach dem militärischen Führungssystem trägt der Kommandant die Verantwortung für die

ihm unterstellten Soldaten. Wie schon erwähnt, ist er sensibilisiert, auffälliges Verhalten zu

erkennen, darauf richtig zu reagieren und bei Bedarf zu veranlassen, dass Soldaten psycho -

logischer Betreuung zugeführt werden. Weiters ist durch das ,,Help - Line Service“ des

Heerespsychologischen Dienstes gewährleistet, dass jeder Soldat, der eine psychologische

Betreuung benötigt, diese rund um die Uhr telefonisch oder persönlich - auch anonym -

erhält. Darüber hinaus befinden sich auch permanent Militärgeistliche im Einsatzraum, die

den Soldaten jederzeit Beistand leisten.

 

Nach besonders belastenden Vorfällen wird durch den Heerespsychologischen Dienst ein

sog. „Stress - Debriefing“ durchgeführt, in dem betroffene Soldaten das traumatische Ereignis

unter fachkundiger Supervision persönlich verarbeiten.

 

Zu 16

 

Im Rahmen des militärischen Führungsverfahrens werden laufend Überprüfungen und

Beurteilungen vorgenommen, um eine Verbesserung der Effizienz und des Dienstbetriebes

sowie der Truppenbetreuung im Assistenzeinsatz zu bewirken.