1163/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stoisits, Freundinnen und Freunde haben
am 14. Juli 2000 unter der Nr. 1164/J an mich eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend NS - Bestimmungen in österreichischen Gesetzen und Entfernung
dieser Gesetzesstellen aus dem Rechtsinformationssystem im Laufe des
19. April 2000 gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage Nr. 734/J betreffend national -
sozialistische Bestimmungen in österreichischen Gesetzen und Entfernung dieser
Gesetzesstellen aus dem Rechtsinformationssystem (RIS) beruht auf der Recht -
sprechung des Verfassungsgerichtshofes. Zufolge dieser Rechtsprechung sind
durch § 1 R - ÜG "alle nach dem 13. 3. 1938 erlassenen Gesetze, die mit den
Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar sind, dem Rechtsempfinden des
österreichischen Volkes widersprechen oder typisches Gedankengut des National -
sozialismus enthalten, rückwirkend mit Wirksamkeit vom 10. April 1945 (§4) aufge -
hoben worden. Dass eine Kundmachung der Staatsregierung im Sinne des § 1 Abs.
2 R - ÜG hinsichtlich der hier in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht erlassen
wurde, steht unbestritten fest. Allein nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes
ist die Erlassung der im § 1 Abs. 2 R - ÜG vorgesehenen Kundmachung nicht eine
Voraussetzung für den Eintritt der im § 1 R - ÜG festgelegten Rechtsfolgen. Rechts -
vorschriften, die einem der im § 1 R - ÜG festgelegten Tatbestande widerstreiten, sind
vielmehr auch dann als aufgehoben anzusehen, wenn eine solche Kundmachung
nicht erlassen wurde. Die Gerichte, einschließlich des Verfassungsgerichtshofes,
haben in diesen Fällen das Recht und die Pflicht, bei Entscheidung einer konkreten
Rechtssache zu prüfen und festzustellen,
ob eine von ihnen anzuwendende
reichsdeutsche Norm, die während der deutschen Besetzung in Österreich in Kraft
gesetzt wurde, jene Merkmale trägt, die § 1 R - ÜG anführt. Trifftdies zu, dann sind
die Gerichte berechtigt und verpflichtet, das betreffende Gesetz als aufgehoben und
daher nicht mehr als Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung zu betrachten
und von seiner Anwendung im konkreten Fall abzusehen (VfSlg. 2620, 2976, 3231,
4087)“.
Zu den Fragen 3 und 4:
Vorauszuschicken ist, dass die Frage der gesetzlichen Grundlage der im Bereiche
der Bezirksverwaltungsbehörden anzusiedelnden Gesundheitsämter in erster Linie
die für die Regelung der Landesorganisation zuständigen Landesregierungen und
das für das Gesundheitswesen zuständige Bundesministerium für soziale Sicherheit
und Generationen betrifft.
Eine ersatzlose Aufhebung dieser geltenden Rechtsvorschriften durch die Rechts -
bereinigung wurde von den zuständigen Ressorts offenbar deshalb nicht angestrebt,
weil diese nach wie vor geltenden Rechtsvorschriften weiterhin für die Vollziehung
benötigt werden. Soweit es sich um - in der Zwischenzeit in die Landeskompetenz
übergeleitetes - Landesorganisationsrecht handelt, ist der Bund weder für eine
Neuerlassung noch für eine Aufhebung zuständig.
Zu Frage 5:
Geltungsgrund der in Rede stehenden Vorschriften ist ein österreichisches
Verfassungsgesetz, welches dafür Vorsorge getroffen hat, dass anlässlich der
Rechtsüberleitung nationalsozialistische Inhalte nicht übergeleitet wurden.