1241/AB XXI.GP

Eingelangt am: 17.11.2000

BM f. soziale Sicherheit und Generationen

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an meine Amtsvorgängerin gerichtete schriftliche parlamentari -

sche Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen betreffend

Kieferorthopädie1 Nr. 1247/J, wie folgt:

 

Zunächst ist ganz grundsätzlich auf Folgendes hinzuweisen:

 

Die Absicherung und Weiterentwicklung des österreichischen Sozialsystems ist eine

vordringliche Aufgabe für die neue Bundesregierung. Jeder, der Sozialleistungen

braucht, soll diese ausreichend, sicher und schnell erhalten. Innerhalb unseres be -

währten Sozialsystems gilt es, eine verbesserte Aufgabenteilung zwischen Staat und

Privat zu finden. Die Bundesregierung will neben dem Wohlfahrtsstaat eine lei -

stungsstarke und lebendige Wohlfahrtsgesellschaft etablieren.

 

Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Bundesregierung am

14. April 2000 den Krankenkassen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung einen Sanie -

rungsauftrag mit folgenden Grundsätzen erteilt:

 

                - keine Einschränkung medizinischer Leistungen,

                - keine Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge,

                - kein Selbstbehalt bei niedergelassenen Ärzten.

Stattdessen:

 

                - Kürzungen im Verwaltungsaufwand,

                - Dämpfung der Arzneimittelkosten,

                - Lenkungsmaßnahmen mit dem Ziel, die Patienten in verstärktem Ausmaß

                   bei niedergelassenen Ärzten zu versorgen und damit die Frequenz in

                   Spitalsambulanzen zu reduzieren.

 

Zur Umsetzung dieses Vorhabens enthält das am 5. Juli 2000 vom Nationalrat be -

schlossene Sozialrechts - Änderungsgesetz 2000 folgende Einzelmaßnahmen:

 

                - Anhebung der Rezeptgebühr auf 55 S,

                - Einsparungen bei den über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausge -

                   henden satzungsmäßigen Mehrleistungen,

                - Einführung eines 20%igen Selbstbehaltes bei Vertragsabschluss Psycho -

                   therapie,

                - Aufhebung des Sonderwochengeldes im B-KUVG;

                - Einrichtung eines versicherungsträgerübergreifenden Controllings im Haupt -

                   verband der österreichischen Sozialversicherungsträger;

                - Stärkung des Kostenbewusstseins der Versicherten (Pflicht der Krankenver -

                   sicherungsträger, die Versicherten jährlich über die für sie und ihre Angehö -

                   rigen erbrachten Sachleistungen zu informieren);

                - Behandlungsbeiträge für ambulante Spitalsbehandlung;

                - Einfrieren des Verwaltungsaufwandes, wobei jedoch die zukunftsorientierten

                Projekte der flächendeckenden Einführung der Sozialversicherungs - Chip -

                karten und der Fortentwicklung der EDV samt Implementierung der Stan -

                dardprodukte nicht gefährdet werden dürfen.

 

Hinsichtlich des in der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage konkret ange -

sprochenen Behandlungsbeitrages für ambulante Spitalsbehandlung ist darauf hin -

zuweisen, dass auch diese Regelung durchaus moderat und sozial ausgewogen

gestaltet wurde, sodass kein Versicherter ungebührlich in Anspruch genommen wird.

 

So sind beispielsweise medizinische Notfälle, sozial schutzbedürftige Personen und

Leistungen anlässlich des Versicherungsfalles der Mutterschaft schon von vornher -

ein vom Behandlungsbeitrag ausgenommen. Ausgenommen sind aber auch jene

Behandlungen in Ambulanzen, bei denen Untersuchungs - und Behandlungsmetho -

den erforderlich sind, die außerhalb der Krankenanstalt (bzw. der eigenen Einrich -

tung eines Sozialversicherungsträgers) nicht in geeigneter Weise oder nur unzurei -

chend zur Verfügung stehen.

 

Grundsätzlich erhält die Einführung eines Behandlungsbeitrages ihre Berechtigung

aber wohl schon aus Gründen des damit verbundenen Steuerungseffektes. Damit

soll jedenfalls die Überlastung in den Ambulanzen zurückgedrängt und diese für sta -

tionäre Patienten sowie für jene, die auf einen Ambulanzbesuch angewiesen sind,

freigehalten werden.

Zu den einzelnen Fragen wäre Folgendes festzuhalten:

 

 

Frage 1:

 

Zunächst darf hier auf die auch von den anfragenden Abgeordneten bereits zitierte

Beantwortung der diesbezüglichen parlamentarischen Anfrage Nr. 334/J vom

9.2.2000 verwiesen werden. In Ergänzung dazu hat der Hauptverband der österrei -

chischen Sozialversicherungsträger mitgeteilt, dass sehr wohl von Seiten des Haupt -

verbandes geplant ist, weitere Gespräche mit der Bundeskurie der Zahnärzte zu füh -

ren, die das Ziel verfolgen, methodenunabhängig die Kieferorthopädie in den Ver -

tragsbereich einzubinden. Die damit verbundenen finanziellen Vorstellungen der

Zahnärzteschaft seien allerdings derzeit nicht abschätzbar, weshalb auch noch nicht

vorausgesagt werden könne, wann mit einem Ergebnis dieser Verhandlungen ge -

rechnet werden könne.

 

Frage 2:

 

Ergänzend zu den Ausführungen zu Frage 1 wäre im vorliegenden Zusammenhang

vor allem darauf hinzuweisen, dass der Abschluss bzw. die Verhandlungen zum Ab -

schluss eines Vertrages zwischen dem zuständigen Versicherungsträger bzw. dem

Hauptverband und der jeweils in Frage kommenden Ärztekammer in den privatauto -

nomen Gestaltungsbereich der vom Gesetzgeber als Selbstverwaltungskörper aus -

gestalteten Versicherungsträger fällt und eine Einflussnahme darauf durch den Bun -

desminister für soziale Sicherheit und Generationen auch im Rahmen seines Auf -

sichtsrechts grundsätzlich nicht möglich ist.

 

Es ist mir bekannt, dass Kieferregulierungen vor allem für Familien mit mehreren

Kindern hohe Kosten bedeuten. Um diese Belastungen für Familien tragbar zu ma -

chen, ist es mir ein großes Anliegen, die für die entsprechende Altersgruppe interna -

tional betrachtet großzügige Familienförderung im bestehenden Ausmaß mit Alters -

und Mehrkindstaffel zu erhalten.

 

Wie ebenfalls bereits in der Stellungnahme zur parlamentarischen Anfrage Nr. 334/J

vom 9.2.2000 ausgeführt, ist darauf hinzuweisen, dass Restkosten, die im Zusam -

menhang mit der Kieferregulierung anfallen, in besonders berücksichtigungswürdi -

gen Fällen, insbesondere in Berücksichtigung der Familien - , Einkommens - und Ver -

mögensverhältnisse der zu Unterstützenden, aus dem Unterstützungsfonds des je -

weiligen Versicherungsträgers übernommen werden können. Nach meinem Wis -

sensstand wird von den Krankenversicherungsträgern von dieser Möglichkeit in Ein -

zelfällen durchaus Gebrauch gemacht.

Frage 3:

 

Soferne eine ärztliche Überweisung vorliegt, beträgt der Behandlungsbeitrag - Ambu -

lanz nicht 250,-- Schilling sondern 150,-- Schilling pro Ambulanzbesuch, wobei die -

ser Behandlungsbeitrag pro Versichertem (Angehörigem) 1.000,-- Schilling im Kalen -

derjahr nicht übersteigen darf.

 

Wie sich aus den einleitenden Ausführungen ergibt, besteht bereits derzeit ein Reihe

von Ausnahmen von der Pflicht zur Entrichtung eines Behandlungsbeitrages. Diese

Regelung wurde also durchaus moderat und sozial ausgewogen gestaltet, wobei

darauf Bedacht genommen wurde, dass kein Versicherter ungebührlich in Anspruch

genommen wird. Sollte sich herausstellen, dass dieses Ziel in Einzelfällen trotz der

vom Gesetzgeber getroffenen Vorkehrungen nicht zur Gänze erreicht werden kann

und es da oder dort zu unzumutbaren Härten kommt, besteht jedoch durchaus Ge -

sprächsbereitschaft hinsichtlich weiterer Adaptionen.

 

Von Personen, die von der Rezeptgebühr befreit sind, darf der Behandlungsbeitrag

auf Grund der beschlossenen Regelung nicht eingehoben werden.

 

Fragen 4 bis 7:

 

Nein, es ist nicht meine Absicht Zahnambulatorien „auszuschalten“. Derzeit werden

die Auswirkungen der Einführung des Behandlungsbeitrages auf die Kassenambula -

torien in meinem Ressort im Zusammenwirken mit den betroffenen Krankenkassen

genau geprüft.

 

Zum derzeitigen Zeitpunkt scheint eine seriöse Aussage darüber, ob es tatsächlich

auf Grund der Einführung eines Behandlungsbeitrages zur Notwendigkeit der

Schließung einzelner Zahnambulatorien kommen wird, nicht möglich.

 

Zunächst stellt sich hier nämlich die Frage, in wie vielen Fällen der Inanspruchnahme

einer Zahnbehandlung in einer Zahnambulanz es tatsächlich zur Einhebung eines

Behandlungsbeitrages kommen bzw. in welchen Fällen allenfalls eine der ge -

schilderten Ausnahmemöglichkeiten greifen wird. Erst danach wird sich zeigen, wie

viele der vom Behandlungsbeitrag wirklich Betroffenen tatsächlich auf Grund der

Einhebung des Behandlungsbeitrages von den Zahnambulatorien zu den niederge -

lassenen Zahnärzten abwandern.

Hinsichtlich der Frage nach den Maßnahmen zum Ausgleich der Mehrbelastung der

Menschen (Frage 6) verweise ich auf die Absätze 2 und 3 meiner Beantwortung zu

Frage 2.

 

Frage 8:

 

Die Setzung von personellen Maßnahmen zur Anpassung an geänderte Rahmen -

bedingungen liegt im alleinigen Verantwortungsbereich des jeweiligen Versiche -

rungsträgers. Eine direkte Einflussmöglichkeit darauf kommt dem Bundesminister für

soziale Sicherheit und Generationen nicht zu.

Frage 9:

 

Durch die Einführung des Behandlungsbeitrages - Ambulanz werden Einnahmen von

rund einer Milliarde Schilling jährlich erwartet.

 

Die Verwaltungskosten sollen durch den gesetzlich vorgeschriebenen elektronischen

Datenfluss zwischen den Krankenanstalten und den Krankenversicherungsträgern

und dadurch, dass die Einhebung des Behandlungsbeitrages nur einmal pro Jahr zu

erfolgen hat, gering gehalten werden. Doch ist zur Frage der Höhe der durch die

Einhebung entstehenden Verwaltungskosten festzuhalten, dass es dazu keine gesi -

cherten Berechnungen gibt.