1246/AB XXI.GP

Eingelangt am: 20.11.2000

BM f. Justiz

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Parnigoni und Genossinnen haben an mich eine

schriftliche Anfrage betreffend „angekündigter Reduktion der Bezirksgerichte"

gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zu 1,2 und 4:

Die österreichische Gerichtsorganisation weist - im Vergleich zu anderen Behörden -

strukturen - eine starke räumliche Aufsplitterung auf. Bundesweit bestehen mehr als

doppelt so viele Bezirksgerichte wie Bezirksverwaltungsbehörden, obwohl der

Bürger im Laufe seines Lebens ungleich häufiger eine Bezirksverwaltungsbehörde

aufsucht als - wenn überhaupt jemals - ein Bezirksgericht. Mehr als 93 % der insge -

samt rund 3,7 Millionen gerichtlichen Geschäftssachen fallen bei den Bezirksgerich -

ten an, dennoch lasten von den 191 Bezirksgerichten nur

               

                28 (=14,66 %) nicht einmal einen Richter zur Gänze,

                70 (=36,65 %) 1 bis 1,9 Richter

                31 (=16,23 %) 2 bis 2,9 Richter

                46 (=24,08 %) 3 bis 10 Richter

                16 (=8,38%) mehr als 10 Richter

aus.

 

Ein Vergleich mit der Verwaltungsorganisation der Bundesländer zeigt, dass dort -

wie bereits eingangs erwähnt - wesentlich größere Organisationseinheiten bestehen.

Den 191 Bezirksgerichten stehen 102 Bezirksverwaltungsbehörden gegenüber.

Auch ein Vergleich mit der Gerichtsorganisation unserer Nachbarstaaten innerhalb

und außerhalb der Europäischen Union zeigt, dass auf der Ebene der Bezirksge -

richte bzw. Amtsgerichte im Durchschnitt wesentlich größere Einheiten bestehen. So

sind in Bayern bei keinem Amtsgericht weniger als sieben Richter ausgelastet.

Gleiches gilt etwa auch für den Reformstaat Tschechien.

 

Aus all diesen Überlegungen hat das Bundesministerium für Justiz ein völlig neues

Organisationskonzept entwickelt, das von folgenden Prinzipien getragen ist:

 

• Klare und verständliche Organisationsstrukturen, die auf die Rechtsmittelzüge in

   den Verfahrensgesetzen abgestimmt sind. Für alle erstinstanzlichen

   Rechtssachen soll dieselbe Organisationsebene zuständig sein (Wegfall der

   unterschiedlichen Eingangszuständigkeiten der Bezirks - und Landesgerichte);

   Verminderung der vier Organisationsebenen (Bezirksgericht, Landesgericht,

   Oberlandesgericht, Oberster Gerichtshof) auf drei Organisationsebenen (neues

   Eingangsgericht, dessen Bezeichnung noch festzulegen ist; Oberlandesgericht;

   Oberster Gerichtshof).

 

• Dezentralisierung der Eingangszuständigkeiten (mit Ausnahme der haftanfälligen

   Strafsachen) von den 21 Landesgerichten auf die 64 neuen Eingangsgerichte;

   gleichzeitig Konzentration der Zuständigkeiten der 191 Bezirksgerichte auf die 64

   neuen Eingangsgerichte.

 

• Mit der Dezentralisierung der Eingangszuständigkeiten der Landesgerichte

   werden insbesondere die Zivilsachen mit einem Streitwert von über 130.000 S

   und sämtliche arbeitsgerichtlichen sowie sozialgerichtlichen Rechtssachen sowie

   die Firmenbücher näher bei der rechtschutzsuchenden Bevölkerung angesiedelt

   sein.

 

• Konzentration der Rechtsmittelsachen bei den Oberlandesgerichten, wodurch

   eine einheitlichere Rechtsprechung in allen gerichtlichen Geschäftsbereichen

   gesichert wird.

 

• Der Oberste Gerichtshof, der im Vergleich zu anderen europäischen

   Höchstgerichten überproportional viele Richter beschäftigt, soll entlastet werden

   und nur mehr für grundsätzliche und richtungsweisende Entscheidungen

   zuständig sein.

 

• Verbesserung der Laufbahnerwartungen des Großteils der Richter durch

   einheitliche Laufbahnen für alle Eingangsrichter und erweiterte

   Aufstiegsmöglichkeiten zu den Oberlandesgerichten.

  

Dieses völlig neue Konzept einer Gerichtsorganisation führt natürlich auch zu

Änderungen in der Bezirksgerichts - , aber auch Gerichtshofstruktur in Niederöster -

reich. Ein genauer Zeitplan für die Umsetzung dieses Konzepts wurde noch nicht

ausgearbeitet.

Zu 3:

Bei den bisherigen Zusammenlegungsbestrebungen wurde von einem Einsparungs -

potenzial von rund 30 Millionen S ausgegangen. Nach dem oben dargestellten

neuen Konzept werden die zu erzielenden Einsparungen wesentlich höher liegen;

genaue Kostenberechnungen liegen noch nicht vor.

 

Zu 5 und 6:

Zeugen haben nach geltendem Recht Anspruch auf eine Zeugengebühr. Diese

umfasst schon jetzt den Ersatz der notwendigen Reisekosten (Massenbeförderungs -

mittel), die notwendigen Aufenthaltskosten (Verpflegung, Nächtigung) und die

Entschädigung für entstandene Zeitversäumnis (meist: entgangener Verdienst).

 

Auch eine Partei kann bereits derzeit Kosten ansprechen; ihr werden Reisekosten

und Entschädigung für Zeitversäumnis immer dann im Rahmen der Kostenentschei -

dung zugesprochen, wenn ihr persönliches Erscheinen bei Gericht notwendig war.