1300/AB XXI.GP

Eingelangt am: 04.12.2000

 

 

Die Abgeordneten Dr. Partik - Pablé und Kollegen haben am 4. Oktober 2000 unter

der Zahl 1310/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

‚Abschiebepraxis bei Minderjährigen“ gerichtet. Diese Anfrage beantworte ich nach

den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Dieser Sachverhalt war mir bislang nicht bekannt.

 

Nach den mir nun vorliegenden Berichten dürfte es sich um einen chinesischen

Staatsangehörigen handeln, der am 18. Mai 2000 ohne gültiges Reisedokument in

Wien illegal aufhältig angetroffen und festgenommen wurde. Bei einer sogleich

durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung wurde das Alter des Fremden auf

ungefähr 19 Jahre geschätzt. Noch am selben Tag wurde er in Schubhaft

genommen.

 

Am 19. Mai 2000 wurde von der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches

Büro, wegen Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (illegale

Einreise, Mittellosigkeit, Nichtmitwirkung an der Identitätsfeststellung) ein auf fünf

Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nachdem der Genannte behauptet

hatte, 13 Jahre alt zu sein, wurde er am 24. Mai 2000 vom Chefarzt der

Bundespolizeidirektion Wien untersucht. Dabei wurde sein Alter zwischen 14 und 16

Jahre geschätzt.

 

Auf Grund dieser Einschätzung wurde der Jugendliche noch am selben Tag aus der

Schubhaft entlassen und der Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie,

übergeben.

 

Da sich nachträglich herausstellte, dass das Aufenthaltsverbot wegen eines

Zustellmangels nicht rechtswirksam erlassen worden war, der Fremde im Rahmen

der Jugendwohlfahrt untergebracht und von der Stadt Wien in einem Heim in

Klosterneuburg versorgt wurde, und somit keine Gefahr mehr für die öffentliche

Ruhe, Ordnung und Sicherheit bestand, wurde am 27. September 2000 von der

Bezirkshauptmannschaft Wien - Umgebung bescheidmäßig die Ausweisung verfügt,

die am 14. Oktober 2000 in Rechtskraft erwuchs. In diesem Verfahren wurde der

Minderjährige vom Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie (MA 11),

vertreten.

 

Bei der zweiten angesprochenen Person dürfte es sich um einen marokkanischen

Staatsangehörigen handeln, dessen Asylantrag gemäß § 5 AsylG als unzulässig

zurückgewiesen worden war. Der Minderjährige wurde am 15. März 2000 gemäß

dem Dubliner Übereinkommen nach Italien übersteht, kehrte jedoch am 30. März

2000 wieder nach Österreich zurück und wurde in der Folge von der

Magistratsabteilung 11 im Jugendheim in Klosterneuburg untergebracht.

 

Eine im März d.J. durchgeführte amtsärztliche Untersuchung ergab, dass das

angegebene Geburtsdatum, nämlich der 5. Juni 1985, glaubwürdig sei.

 

Da überdies mit Beschluss des Jugendgerichtshofes Wien vom April d.J. dem

Magistrat der Stadt Wien als zuständigem Jugendwohlfahrtsträger die volle Obsorge

übertragen wurde, hatte die zuständige Behörde davon auszugehen, dass sich der

Genannte tatsächlich im 15. Lebensjahr befindet und somit minderjährig ist. Die

Behauptung, er sei 18 Jahre oder älter, ist somit nicht zutreffend.

 

Gegen den minderjährigen Marokkaner wurde mit Datum vom 25. Oktober 2000 eine

Ausweisung erlassen. Über eine Berufung dagegen wurde noch nicht entschieden.

 

Zu Frage 2:

 

Eine Abschiebung des chinesischen Staatsangehörigen ist erst seit Eintritt der

Rechtskraft der Ausweisung - also seit 14. Oktober 2000 - möglich. Da der

Genannte über kein gültiges Reisedokument verfügt, ist seine Abschiebung derzeit

aus faktischen Gründen nicht durchführbar. Die Bezirkshauptmannschaft Wien -

Umgebung ist um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht.

 

Zur Minderung der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit fremdenpolizeilichen

Maßnahmen gegen chinesische Staatsangehörige ist mein Ressort bemüht, die

Zusammenarbeit mit China bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit Fremder zu

verbessern. Darüber hinaus sind auch auf EU - Ebene im Rahmen des bereits

eingeleiteten Dialogs über Migrationsfragen konstruktive Ansätze zu erkennen.

 

Zu Frage 3:

 

Da die Untersuchungen in beiden Fällen ein wahrscheinliches Alter zwischen 14 und

16 Jahren ergeben haben, wurden keine „offensichtlich älteren Jugendlichen" in dem

Heim untergebracht.

 

Zu Frage 4:

 

Es ist festzuhalten, dass der chinesische Staatsangehörige bis zur Durchsetzung der

Ausweisung in dem Jugendheim in Klosterneuburg untergebracht ist. Er ist

ordnungsgemäß gemeldet und für das Verfahren jederzeit verfügbar, so dass von der

Verhängung der Schubhaft abzusehen war. Der Genannte unterliegt damit auch

grundsätzlich keiner Bewegungseinschränkung.

 

Zur Frage einer Erwerbstätigkeit des Minderjährigen wurde die Anfrage zum Anlass

genommen, den geschilderten Sachverhalt einer Überprüfung zu unterziehen; das

Resultat liegt noch nicht vor.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Nach meinen Informationen ist das Problem der zuverlässigen Feststellung des

Alters eines Menschen in fast allen anderen europäischen Staaten gleich gelagert.

Offenbar steht - wie auch die im März dieses Jahres veranstaltete

Konsensuskonferenz über "medizinische Verfahren zur Altersbestimmung im

administrativen Kontext“ gezeigt hat - derzeit keine wissenschaftlich anerkannte

medizinische Methode für die zuverlässige Altersbestimmung zur Verfügung.

 

Insbesondere steht fest, dass das - nach geltendem Recht nicht zulässige (§ 4 Abs.

2 Strahlenschutzgesetz) - Verfahren des Handwurzelröntgens nur eine Aussagekraft

bis zum 17. Lebensjahr bei männlichen und bis zum 15. Lebensjahr bei weiblichen

Jugendlichen hat. Darüber hinaus ist eine Standardabweichung zwischen 11 und 14

Monaten zu berücksichtigen.

 

Zu diesem Ergebnis gelangt auch ein Gutachten, das im Rahmen eines Verfahrens

vor der Schweizerischen Asylrekurskommmission erstellt wurde.

 

Auch der Menschenrechtsbeirat hat sich in seinem Bericht „Minderjährige in

Schubhaft“ umfassend mit der Frage der Altersbestimmung befasst und kommt zum

Schluss, dass „abgesehen von den medizinisch - wissenschaftlichen Bedenken der

Anwendung des Verfahrens des Handwurzelröntgens zur Altersfeststellung,

ionisierende Strahlen gemäß § 4 Abs. 2 des Strahlenschutzgesetzes ausschließlich

für medizinische Zwecke angewendet werden dürfen".

 

Der Beirat empfiehlt daher, „von einer Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen der

Altersfeststellung mit Hilfe von wissenschaftlichen Methoden, insbesondere unter

Anwendung von ionisierenden Strahlenuntersuchungen, Abstand zu nehmen.

 

In Umsetzung der Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates habe ich die

Fremdenpolizeibehörden angewiesen, bei der Altersfeststellung vor allem Personen

in den Entscheidungsprozess miteinzubeziehen, die aus beruflichen Gründen über

viel Kontakt und Erfahrung mit Minderjährigen verfügen. Zu diesem Zweck wurde den

Behörden eine Liste mit Namen von Kinderärzten und Jugendpsychologen, die in der

Sachverständigenliste aufscheinen und bei der Klärung des Alters herangezogen

werden können, übermittelt.

 

Der chefärztliche Dienst meines Ressorts steht mit allen wesentlichen

deutschsprachigen Institutionen, die in diesem Bereich tätig sind, in Kontakt. Im

deutschsprachigen Raum gibt es seit einiger Zeit eine Expertengruppe, die

entsprechende Standards für die Altersfeststellung erarbeiten will.