1317/AB XXI.GP

Eingelangt am:07.12.2000

 

DER BUNDESMINISTER

FÜR JUSTIZ

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und

Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend "mediale Vorverurteilun -

gen von schwarzafrikanischen Untersuchungshäftlingen“ gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zu 1:

 

Äußerungen von Personalvertretern habe ich nicht zu beurteilen.

 

Zu 2:

 

Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer

strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Ein Verstoß

gegen den verfassungsgesetzlich geschützten Grundsatz des fairen Verfahrens

durch Verletzung der „Unschuldsvermutung“ setzt daher voraus, dass ein konkrete

verdächtige Person vor der Entscheidung der zuständigen Gerichte im Sinne der

Lösung der Tat - und Schuldfrage als überführter Rechtsbrecher hingestellt und auf

diese Weise vorverurteilt wird (vgl. auch § 7b des Mediengesetzes).

 

Nach dem Inhalt der Anfrage handelt es sich im vorliegenden Fall jedoch um allge -

meine Bemerkungen im Hinblick auf einen unbestimmten, größeren Personenkreis,

die keiner bestimmten Person zugeordnet werden können, sodass eine Verletzung

der Unschuldsvermutung schon aus diesem Grund nicht vorliegt (vgl. Hannusch,

Kommentar zum Medienrecht, Rz 3 zu § 7b).

Zu 3:

 

Der Leiter der Justizanstalt Wien - Josefstadt hat eine Gegendarstellung zu dem in

der Anfrage genannten Artikel in der "Kronen - Zeitung“ vom 17. September 2000 an

die Austria Presse Agentur gerichtet, die zur Information angeschlossen wird.

 

Zu 4:

 

Nein.

 

Zu 5 und 7:

 

Mehrere im Rahmen der "Operation Spring“ verfolgte Personen wurden unter

Anwendung der Qualifikation des § 28 Abs. 4 Z. 1 und 2 SMG verurteilt, ein Teil

dieser Schuldsprüche ist bereits im Rechtskraft erwachsen. Einige weitere Personen

wurden im Zusammenhang mit der „Operation Spring“ überdies wegen des Verbre -

chens der kriminellen Organisation - in einem Fall bereits rechtskräftig - verurteilt.

Medienberichte hatten auf die Objektivität dieser Strafverfahren keinen Einfluss. Auf

Vorkommnisse in der Justizanstalt Wien - Josefstadt haben diese Verurteilungen

keinen Bezug.

 

Art 6 EMRK sichert jedem Menschen gleichermaßen das Recht auf ein faires

Verfahren. Gerichte und Staatsanwaltschaften werden durch Art. 6 Abs. 2 EMRK

unmittelbar verpflichtet, sodass ich davon ausgehe, dass die Einhaltung des Rechts

auf ein faires Verfahren (durch Richter und Staatsanwälte) umfassend gesichert ist.

 

Zu 6:

 

Anklageschriften und Strafanträge werden grundsätzlich nur bei hinreichendem

Tatverdacht und zu erwartenden Schuldsprüchen eingebracht. Zur Motivation von

Personalvertretern aus dem Bereich der Exekutive vermag ich naturgemäß nichts

anzugeben.

 

Zu 8:

 

Zum Schutz von Zeugen, die sich oder einen Dritten durch die Bekanntgabe des

Namens und anderer Angaben zur Person oder durch die Beantwortung von

Fragen, die Rückschlüsse darauf zulassen, einer ernsten Gefahr für Leben,

Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit aussetzen würden, wurde mit

dem Strafprozessänderungsgesetz 1993 deren anonyme Vernehmung zugelassen

(§ 166a StPO). Dies ist ein wichtiger Aspekt des Opferschutzes. Der Hinweis, dass

eine solche anonyme Vernehmung den Beweiswert einer Aussage mindern kann,

wurde ins Gesetz aufgenommen (§§ 258, 323 StPO). Danach ist insbesondere zu

prüfen, ob dem Gericht und den Parteien ausreichend Gelegenheit geboten war,

sich mit der Glaubwürdigkeit des anonym aussagenden Zeugen auseinanderzuset -

zen.

 

Davon ist die Frage einer Vernehmung „vermummter“ Zeugen zu unterscheiden.

Das Bundesministerium für Justiz hat in seinem Einführungserlass zum Strafprozes -

sänderungsgesetz 1993, JABl. Nr.6/1994, festgehalten, dass nach seiner Auffas -

sung auf Grund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für

Menschenrechte Schutzmaßnahmen wie die vollständige Vermummung eines

Zeugen während seiner Aussage und die „Verzerrung“ des Bildes oder Tones einer

Videoaufnahme nach § 166a StPO durch das Gesetz nicht gedeckt sind, weil die

Gesichtszüge eines Zeugen erkennbar sein müssen, um eine Beurteilung seiner

Reaktion auf Fragen zuzulassen und die „nonverbale Kommunikation“ zu erhalten.

 

Dazu möchte ich aber festhalten, dass das Tragen eines Sturzhelms nicht notwendi -

gerweise einer vollständigen Vermummung gleichzuhalten sein muss; bei hochge -

klapptem Visier können Gesichtszüge - je nach Art des Sturzhelms - im

erforderlichen Ausmaß wahrnehmbar sein.

 

Zu 9 bis 11:

 

Die Anonymisierung und Vermummung ‚von Zeugen dient deren Schutz bei Verneh -

mungen, insbesondere in der Hauptverhandlung. Es bleibt derartigen Zeugen aber

selbstverständlich unbenommen, mit wem oder wo auch immer Getränke zu konsu -

mieren oder sonstige soziale Kontakte zu pflegen und dabei auf ihre Anonymität zu

verzichten. Aussagen anonymer Zeugen unterliegen ausschließlich der Beweiswür -

digung der unabhängigen Gerichte. Gespräche dieser Zeugen mit Sicherheitsorga -

nen sind ohne jede rechtliche Relevanz, soferne sie nicht dazu dienen, die Zeugen

zu wahrheitswidrigen Aussagen zu bewegen.

 

Zu 12:

 

Die Bearbeitung der aus der „Operation Spring“ resultierenden Verfahren wurde von

dem nach der Geschäftsverteilung der Staatsanwaltschaft Wien zuständigen Staats -

anwalt vorgenommen. Zu dessen Entlastung wurden in ausgeschiedenen Verfahren

drei weitere Staatsanwälte sowie eine Staatsanwältin herangezogen. Nach dem

derzeitigen Stand wurden von diesen fünf öffentlichen Anklägern Anklageschriften

gegen 68 Personen verfasst.

Zu 13 bis 16:

In der Justizanstalt Wien - Josefstadt werden routinemäßige Untersuchungen

(Harntestungen) von Insassen auf Drogen vorgenommen. Diese Tests erfolgen

stichprobenartig, insbesondere bei Verdacht von illegalem Suchtmittelgebrauch.

Dabei wird ungeachtet der Staatsangehörigkeit, Kultur, Rasse und des Geschlechts

vorgegangen. Ergebnisse einzelner Tests können aus datenschutzrechtlichen

Gründen nicht bekanntgegeben werden.

 

Ob und allenfalls wie Ergebnisse von solchen Testungen Medien bzw. Personalver -

tretern zur Kenntnis gelangt sind, konnte im Zuge einer durchgeführten Erhebung

nicht festgestellt werden.

 

Alle Organe der Justizverwaltung sind auf Grund verfassungs - und einfachgesetzli -

cher Bestimmungen zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer

amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Wenn Verdachts -

momente einer Verletzung dieser Verpflichtungen vorliegen, werden dienst - und

disziplinarrechtliche Maßnahmen ergriffen.

Beilage

 

Justizanstalt Wien - Josefstadt

Direktion

 

Betrifft: Kronenzeitung vom 17. September 2000-

              Drogensumpf in Wiener Häfen: Jeder zweite

              Insasse nimmt Gift (von Gerhard Walter)

 

                Mit Bestürzung hat die Anstaltsleitung der Justizanstalt Wien - Josefstadt zur

Kenntnis genommen, wie in dem genannten Artikel Tatsachen zum Teil verzerr, zum Teil

völlig unrichtig wiedergegeben werden. Richtig ist, dass bei sogenannten Freigängern

(Insassen mit geringfügigen Delikten, die tagsüber ohne Bewachung außerhalb der Anstalt

Arbeiten verrichten) gelegentlich, anlässlich von routinemäßig durchgeführten Harnkon -

trollen, ein Drogenkonsum festgestellt werden kann. Solche Harntests werden auch bei den

Übrigen Insassen (ca. 1000) stichprobenmäßig durchgeführt.

                In den letzten Monaten konnte auf diese Weise bei sechs Insassen ein Drogenharn

nachgewiesen werden. Solche Insassen sind unmittelbar von jedem Freigang bzw. Ausgang

ausgeschlossen. Von einem dramatischen Anstieg des Drogenhandels hinter Gittern kann

daher keine Rede sein und die Behauptung, dass jeder zweite Häftling Drogen nimmt, ist

völlig aus der Luft gegriffen.

                Gleich wohl wird das Drogenproblem von der Anstaltsleitung sehr ernst genommen,

was durch die ständigen Kontrollen auch belegbar ist. Wünschenswert wäre eine genauere

Recherche (der Anstaltsleiter steht für Redakteure jederzeit zur Verfügung) bevor solche

Berichte veröffentlicht werden, denn dann könnte auch vermittelt werden, dass die Justiz -

wache trotz personeller Engpässe Insassen die in die Anstalt zurückkehren ausnahmslos

genauestens visitiert (auch Leibesvisitation) und bei geringsten Verdachtsmomenten auch

eine anstaltsärztliche Untersuchung (einschließlich Röntgen) veranlasst um etwa im Körper

geschmuggelte Drogen sicherzustellen.

                Nicht richtig ist ferner dass in der ho. Anstalt ein professionell organisierter

Drogenring aufgezogen wird; nicht richtig ist auch, dass es sich bei gelegentlichen

Schmuggelversuchen um Auftraggeber aus der Gruppe der "Schwarzafrikaner" handelt

                Abschließend ergeht an die Redakteure die Einladung, sich in der Justizanstalt

Wien - Josefstadt persönlich zu informieren.