1371/AB XXI.GP

Eingelangt am:18.12.2000

 

DER BUNDESMINISTER

FÜR JUSTIZ

 

 

zur Zahl 1381/J - NR/2000

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Terezija Stoisits,

Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend

„Maßnahmenvollzug wegen ‚Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht" nach

dem § 209 StGB“ gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zu 1:

 

Die in der Anfrage genannte Person A. 5. ist nicht eine jener zwei Personen, die in

den Anfragebeantwortungen zu den Zahlen 387/J - NR/2000 und 735/J - NR/2000 als

im Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 2 StGB befindlich bezeichnet wurden.

Vielmehr hat A. S. im Zeitraum vom 28. Februar 2000 bis 28. August 2000 den aus

dem Widerruf der bedingten Strafnachsicht resultierenden Strafrest von 6 Monaten,

der auf eine Verurteilung neben anderen Delikten auch wegen des Deliktes nach

§ 209 StGB zurückzuführen ist, verbüßt. Aus diesem Grund wurde A. S. im Hinblick

auf den Zeitpunkt der Beantwortung der oben genannten parlamentarischen Anfra -

gen dem Kreis der Personen, die sich in Strafhaft befinden, zugezählt.

 

Zu 2 und 3:

 

Die in der Anfrage problematisierten Hinweise auf Pädophilie und chronischen

Alkoholismus stammen aus der Expertise eines Psychiaters und sind so in die

gerichtliche Entscheidung, mit der die bedingte Entlassung abgewiesen wurde,

eingeflossen. Die Staatsanwaltschaft hat eine solche Bewertung nicht vorge -

nommen.

Zu 4:

 

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Graz auf Fortsetzung der Maßnahme gemäß

§ 21 Abs. 2 StGB war nach der Aktenlage indiziiert.

 

Zu 5:

 

Die ursprüngliche Entscheidung, mit der die bedingte Entlassung abgelehnt wurde,

ist vom Rechtsmittelgericht aufgehoben worden.

 

Was die internationale Rechtsentwicklung zur Frage des unterschiedlichen Schutzal -

ters anlangt, bin ich überzeugt, dass darauf im Rahmen der parlamentarischen

Beratungen angemessen Bedacht genommen werden wird. Soweit die Anfrage

ausdrücklich auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte

Bezug nimmt, wird insbesondere die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

für Menschenrechte im Fall Sutherland gegen Vereinigtes Königreich zu beobachten

sein. Die Europäische Kommission hat in zwei Österreich betreffenden Entscheidun -

gen (26. Juni1995 bzw. 13. Mai 1992) die Vereinbarkeit von § 209 StGB mit Artikel

8 MRK festgestellt.

 

Zu 6:

 

Die erstinstanzliche Entscheidung basierte auf einer Stellungnahme des

psychiatrischen Dienstes der Justizanstalt Graz - Karlau. Diese Institution hat

ständigen Kontakt zu den untergebrachten Personen.

 

Im Übrigen sieht das Strafvollzugsgesetz im konkreten Fall keine zwingende

Anhörung des Betroffenen vor. Sie blieb dem Ermessen des Vollzugsgerichtes

vorbehalten.

 

Zu 7:

 

Das Bestehen einer Praxisgemeinschaft der beiden Gutachter war für die

Entscheidungsfindung ohne Belang. Im Übrigen sind Sachverständige an ihren Eid

gebunden und verpflichtet, ihre Gutachten objektiv und nach dem jeweiligen letzten

Stand der Wissenschaften zu erstatten.