1380/AB XXI.GP
Eingelangt am: 18.12.2000
BM für auswärtige Angelegenheiten
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Lunacek und Genossen haben am 19. Oktober
2000 unter der Nr. 1402/J - NR/2000 an mich eine schriftliche Anfrage betreffend einen
Ratsbeschluß über den öffentlichen Zugang zu Ratsdokumenten, worin Dokumente im
Bereich der Außenpolitik, militärischem und nicht - militärischem Krisenmanagement als
„streng geheim“, „geheim“ und „vertraulich“ eingestuft werden, gerichtet.
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Frage 1:
Die Ratsentscheidung ist vor dem Hintergrund der Beschlüsse des Europäischen Rates
von Helsinki vom Dezember 1999 über eine Stärkung der Gemeinsamen Europäischen
Sicherheits - und Verteidigungspolitik (GESVP) zu sehen. Die Europäische Union soll
diesen Beschlüssen zufolge jene Mittel und Fähigkeiten erhalten, die zur militärischen und
nichtmilitärischen Krisenbewältigung
benötigt werden.
Der Sensibilität von Dokumenten, die im Rahmen der GESVP Verwendung finden und
deren unerlaubte Verbreitung den wesentlichen Interessen der EU oder eines oder
mehrerer ihrer Mitgliedstaaten abträglich wäre, muss dadurch Rechnung getragen
werden, dass die EU den Schutz dieser Dokumente garantieren kann.
Zu Frage 2:
Österreich ist sowohl einer größtmöglichen Transparenz als auch einer effizienten Arbeit
im Rahmen der Union verpflichtet. Die EU muß den Schutz dieser Dokumente, wozu auch
Dokumente internationaler Organisationen und Drittstaaten zählen, gewährleisten können.
Regelungen zur Sicherstellung, dass die Interessen der EU - Mitgliedstaaten, der
Drittstaaten und internationaler Organisationen durch die Weitergabe von sensiblen
Dokumenten nicht beeinträchtigt werden, bilden eine Voraussetzung dafür, dass die Union
Zugang zu diesen Dokumenten erhält.
Zu Frage 3 und 4:
Die Zustimmung erfolgte im schriftlichen Verfahren weisungsgemäß durch die Ständige
Vertretung Österreichs bei der EU.
Zu Frage 5:
Die Einbindung in den Entscheidungsfindungsprozess erfolgt im Rahmen der
Unterrichtung des Parlaments gemäß Art. 23 e B - VG. Der AStV- Bericht über die
Behandlung und geplante Beschlußfassung des gegenständlichen Ratsbeschlusses ist
dem österreichischen Parlament zugegangen.
Zu Frage 6:
Auf Weisung oder mit Zustimmung der jeweiligen Generaldirektoren des Ratssekretariats
entscheiden Mitarbeiter des Generalsekretariats des Rates über die Geheimhaltungsstufe
einer Information. Dies geschieht auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 4 des Beschlusses
über die im Generalsekretariat des Rates anzuwendenden Maßnahmen zum Schutz der
als Verschlusssachen einzustufenden Informationen. Wie aus dem zitierten Beschluss
hervorgeht, handelt es sich lediglich um eine
interimistische Lösung.
Zu Frage 7:
GESVP - Dokumente, vor allem im besonders sensiblen Bereich der Streitkräfteplanung,
gibt es erst seit dem Frühjahr 2000. Der Ratsbeschluss soll den
Geheimhaltungsbedürfnissen in diesem Bereich Rechnung tragen. Im übrigen sah bereits
die bisherige Regelung, die durch diesen Beschluss adaptiert wurde, in ihrem Art. 4
obligatorische und fakultative Ausnahmen vom Dokumentenzugang vor.
Zu Frage 8:
Durch den Ratsbeschluß wird für einen Teilbereich der GASP, nämlich die GESVP, eine
angemessene Regelung getroffen. Die höchste Geheimhaltungsstufe gilt für die als
„Streng geheim“ klassifizierten Dokumente. Es handelt sich dabei um Dokumente, „deren
unerlaubte Verbreitung den wesentlichen Interessen der EU oder eines oder mehrerer
ihrer Mitgliedstaaten eine äußerst schweren Schaden zufügen könnte“. Selbst im Bereich
der GESVP werden Dokumente voraussichtlich nur ausnahmsweise einer solchen
Klassifizierung bedürfen.
Zu Frage 9 und 11:
Der Ratsbeschluss bezieht sich lediglich auf jene Gruppe von GESVP - Dokumenten, die
als Streng geheim/Geheim/Vertraulich eingestuft sind und Fragen der Sicherheit und der
Verteidigung der Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten oder die
militärische und nichtmilitärische Krisenbewältigung betreffen. Vertrauliche Informationen
im Sinne des Beschlusses sind „Informationen, deren unerlaubte Verbreitung den
wesentlichen Interessen der Europäischen Union oder eines oder mehrerer ihrer
Mitgliedstaaten abträglich wäre“. Solche Dokumente - wie auch die als „Streng Geheim“
oder „Geheim“ klassifizierten - bedürfen der Geheimhaltung.
Zu Frage 10:
Durch den Ratsbeschluss wird der Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, nicht jedoch
der Zugang der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten zu diesen Dokumenten, geregelt.
Es liegt im österreichischen Interesse, dass Dokumente, die der Geheimhaltung
unterliegen und für Arbeiten im Rahmen der GESVP benötigt werden, der EU - und damit
auch Österreich - zugänglich sind.
Zu Frage 12:
Ja, nach Maßgabe der in den Antworten zu den Fragen 6 bis 10 angeführten
Rahmenbedingungen.
Zu Frage 13:
In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Feira bezieht sich diese erhöhte
Transparenz nicht auf den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die durch den
Ratsbeschluss geregelt wird, sondern auf einen Informationsaustausch zwischen EU und
NATO.
Zu Frage 14:
Der gegenständliche Beschluss wurde vom Rat der Europäischen Union gefasst. Der
Beschluss stellt die Geheimhaltung jener Dokumente sicher, deren Inhalt den
wesentlichen Interessen der EU oder ihrer Mitgliedstaaten schweren Schaden zufügen
könnte oder abträglich wäre. Damit wird in einem sensiblen Bereich eine einheitliche
Regelung für die EU geschaffen.
Zu Frage 15:
Es handelt sich nicht um Kabinettspolitik, sondern um die Mitwirkung Österreichs an der
Gemeinsamen Außen - und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, wobei Art. 23f B -
VG die Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art. 17 Abs. 2 EUV ausdrücklich einschließt. Ein
begrifflicher Zusammenhang zwischen einer (nicht gegebenen) Kabinettspolitik und dem
Neutralitätsgesetz ist nicht erkennbar.