1488/AB XXI.GP
Eingelangt am: 12. 01. 2001
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr.1 545/J betreffend
EU - Kommission und WTO, welche die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen
am 23. November 2000 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:
Wichtige Entscheidungen im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik werden vom
Rat und nicht von der Kommission getroffen. Dieser kommen nur vorbereitende und
ausführende Befugnisse zu, insbesondere auch die Verhandlung von Abkommen,
wobei sie jedoch an ein Mandat des Rates gebunden ist. Bei der
Regierungskonferenz ging es um die Frage, welche neuen Bereiche dauerhaft in den
Geltungsbereich des Art. 133 EG einbezogen werden sollen, in denen der Rat dann
Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit treffen kann.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat sich im Hinblick auf seine
Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik gemäß Art. 133 EG grundsätzlich
für eine Beibehaltung der Einstimmigkeit in für Österreich sensiblen Bereichen
ausgesprochen, ohne dabei jedoch die Handlungsfähigkeit einer erweiterten
Gemeinschaft in diesem so wichtigen Politikbereich aus den Augen zu verlieren.
Der in Nizza erzielte Kompromiss kann als dieser Zielsetzung entsprechend
angesehen werden.
Antwort zu den Punkten 2 und 3 der Anfrage:
Bei der Neugestaltung der EU - Kommission standen drei Optionen zur Diskussion:
- Ein Kommissar pro Mitgliedstaat
- Sofortige Plafonierung
- Aufgeschobene Plafonierung (tritt ab einem Stichtag oder ab einer bestimmten
Mitgliedstaatenzahl ein).
Österreich als kleiner Mitgliedstaat hatte ein spezielles Interesse an der Bewahrung
der Kommission als eine starke und unabhängige Institution. Diese muss weiterhin in
der Lage sein, ihre drei Hauptfunktionen (Eintreten für das gemeinsame Interesse,
Monopol für Gesetzgebungsinitiativen und Kontrolle der Einhaltung des
Gemeinschaftsrechts) wirksam und mit größter Objektivität wahrzunehmen. Die ent -
scheidende Rolle, die die EU - Kommission als Motor der europäischen Integration
einnimmt, wird mit der Erweiterung der Europäischen Union noch erheblich
zunehmen.
Angesichts der Bedeutung der EU - Kommission im Integrationsprozess sowie aus
Gründen des Gewichts der EU - Kommission im Institutionengefüge, ihrer Akzeptanz
in der Öffentlichkeit und der Legitimität ihrer Entscheidungen war für Österreich das
Recht jedes Mitgliedstaats, ein Mitglied der Kommission zu stellen, ein zentrales
Verhandlungselement. Entsprechend der Ergebnisse von Nizza bleibt der Status quo
aufrecht; ab einer Mitgliederzahl von 27 soll über diese Frage neu verhandelt
werden.
Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:
Was die interne Organisation der EU - Kommission anlangt, befürwortete Österreich
eine Stärkung des Kommissionspräsidenten hinsichtlich seiner Befugnis, die
Aufgaben „neu verteilen zu können“, sowie die vertragliche Verankerung des Ent -
lassungsrechts des Präsidenten. Alle Vorschläge, die eine Unterscheidung in Haupt -
und Nebenressorts sowie eine Über - oder Unterordnung der einzelnen Aufgaben im
Vertrag beinhalteten, wurden seitens
Österreichs abgelehnt.
Ausgangspunkt für die österreichischen Überlegungen bei der Stimmgewichtung im
Rat war das dem Vertrag von Amsterdam beigefügte „Protokoll über die Organe im
Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union“. Ein neues System durfte
jedoch nicht zu einer weit reichenden Verschiebung des Einflusses zu Lasten der
kleineren Staaten führen; denkbar war lediglich eine maßvolle Anpassung, die deren
relative Stärke im EU - Entscheidungsprozess nicht in Frage stellte. Wesentliche
Voraussetzung für die Zustimmung Österreichs war, dass in einer erweiterten Union
die Bevölkerungsmehrheit nicht von der Minderheit überstimmt werden kann und
dass Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zumindest die Hälfte der
Mitgliedstaaten repräsentieren.
Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:
Der Übergang von der Einstimmigkeit zur Mehrstimmigkeit in den angestrebten Be -
reichen berührt in keiner Weise die Rolle der Sozialpartner, welche diesen bei der
Formulierung der österreichischen Haltung zu Fragen der Handelspolitik in den
einschlägigen EU - Gremien zukommt. Die Zusammenarbeit der Regierungsstellen
mit den Sozialpartnern würde weiterhin unverändert aufrecht bleiben. In dieser
Hinsicht bildet die Mitarbeit der Sozialpartner auch in Zukunft eine wertvolle Hilfe.
Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:
Nennenswerte Auswirkungen für den europäischen und österreichischen Arbeits -
markt sind bei einem Übergang zur Mehrstimmigkeit nicht zu erwarten. Es besteht
schon jetzt in der EU weitestgehend Einvernehmen darüber, dass Zugeständnisse
bei der Personenbewegung nur dann gemacht werden sollen, wenn dies für die
Erbringung einer Dienstleistung unbedingt erforderlich ist. In diesem Kontext sind
auch die durch den elektronischen Handel geschaffenen neuen
Handelsmöglichkeiten mit zu berücksichtigen.
Das General Agreement on Trade in Services (GATS), in dessen Rahmen Fragen
der Personenbewegung hauptsächlich zur
Diskussion stehen, berührt überdies nur
die vorübergehende Personenbewegung und überlässt es seinen Mitgliedern, die
Kategorien von Dienstleistungserbringern und Bedingungen für den Zugang frei zu
gestalten.
Antwort zu den Punkten 7 und 8 der Anfrage:
Das Hauptziel der Regierungskonferenz bestand in der Stärkung der
Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft vor dem Hintergrund der bevorstehenden
Erweiterung im Innen - und Außenverhältnis. Das Ergebnis der Regierungskonferenz
kann daher grundsätzlich nicht von der Haltung der Gemeinschaft als Ganzes, wie
sie von Rat und Kommission vertreten wird, in allen künftigen Fragen der
Handelspolitik abhängig gemacht werden. Selbstverständlich kann aber eine
Aufgabe des Vetorechts eines Mitgliedstaates durch Übergang zur qualifizierten
Mehrheit nur akzeptiert werden, wenn zu erwarten ist, dass die anderen
Mitgliedstaaten in für Österreich wichtigen Fragen konvergierende Grundhaltungen
einnehmen werden. Dies ist in den angeführten Bereichen durchwegs der Fall.
Daher trägt auch die Kommission im Rahmen der ihr eingeräumten Befugnisse den
Wünschen der Mitgliedstaaten nach verstärkter Diskussion dieser Fragen im WTO
Kontext Rechnung.
Die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung einheitlich hoher Standards in den
angesprochenen Bereichen bestehen nicht auf gemeinschaftsinterner Ebene,
sondern darin, andere WTO - Mitglieder von der Relevanz dieses Themas zu
überzeugen und ihnen die Angst vor protektionistisch motivierten Maßnahmen zu
nehmen.
Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:
Die Vorkehrungen zum Schutz der österreichischen Arbeitnehmer werden sich in
den Bereichen des Übergangs zur Mehrstimmigkeit nicht wesentlich von der bisher
geübten Praxis unterscheiden. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass
Öffnungen bei der Personenbewegung zum
Zweck der Dienstleistungserbringung
nur punktuell und unter kontrollierten Bedingungen in jenen Bereichen erfolgen, in
denen negative Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitnehmer nicht zu be -
fürchten, sehr wohl aber Vorteile für Österreich als Investitionsstandort zu erwarten
sind.
Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:
Die generelle Position der Gemeinschaft im Hinblick auf die weitere Liberalisierung
des Dienstleistungshandels (GATS 2000) lässt sich folgendermaßen umschreiben:
- Erhöhung der Anzahl und der Qualität der GATS-Bindungen beim Marktzugang
und bei der Inländerbehandlung.
- Förderung der regulatorischen Disziplinen zur Unterstützung der eingegangenen
Marktzugangs - und Inländerbehandlungsverpflichtungen, wobei das Recht zur
Regulierung auf staatlicher Ebene nicht eingeschränkt werden soll.
- Einführung wettbewerbsfördernder Prinzipien, um wettbewerbshemmende Prak -
tiken zu verhindern. Die wettbewerbsfördernden Prinzipien haben sich bei der
Liberalisierung des Telekommunikationssektors bewährt und sollen in Zukunft
auch auf Sektoren ausgeweitet werden, wo ähnliche Marktverhältnisse
herrschen.
- Erhöhung der Vereinbarkeit der progressiven Handelsliberalisierung mit dem Ziel
der nachhaltigen Entwicklung.
- Aufrechterhaltung der Möglichkeit des Schutzes der nationalen politischen Ziel -
setzungen der WTO-Mitglieder. Dies inkludiert das Recht der Mitglieder, Regel -
ungen und Anforderungen für die Erbringung von Dienstleistungen im eigenen
Hoheitsgebiet selbst zu definieren, das Fehlen jeglichen Präjudizes hinsichtlich
der Frage, ob eine Dienstleistung privat oder öffentlich erbracht werden soll sowie
die Absenz eines generellen Zwanges zur Deregulierung.
- Abschluss der bisher unerledigt gebliebenen Gebiete (Schutzklausel, Subven -
tionen, öffentliches Vergabewesen).
- Abschluss des Arbeitsprogramms betreffend
den elektronischen Handel.
Diese Position wird von allen Mitgliedstaaten unterstützt und von der Kommission im
Rahmen ihrer Zuständigkeit vertreten.
Antwort zu den Punkten 11 und 12 der Anfrage:
Die Vorteile der Liberalisierung des Dienstleistungshandels können nur dann der
breiten Masse der Dienstnehmer zugute kommen, wenn die Verhandlungen
möglichst umfassend geführt werden und kein Bereich a priori ausgeschlossen
bleibt. Erfahrungen haben beispielsweise gezeigt, dass der geordnete Wettbewerb
im Telekommunikationsbereich allen Wirtschaftssubjekten und Konsumenten
Vorteile und fallende Preise beschert hat. Aus diesem Grund erscheint es
zielführend, dass Liberalisierungsschritte - falls erforderlich - durch
wettbewerbsfördernde Maßnahmen unterstützt werden, um die Macht
beherrschender Unternehmen nach Möglichkeit einzudämmen. Diese Auffassung
wird sowohl von den Mitgliedstaaten als auch von der Kommission geteilt.
Außerdem besteht auch im GATS das Gebot des ,,special and differential treatment"
zu Gunsten der Entwicklungsländer, welches diese grundsätzlich davor schützt,
Verpflichtungen einzugehen, die ihrem Entwicklungsstand zuwiderlaufen.