1514/AB XXI.GP

Eingelangt am: 17.01.2001

BM für auswärtige Angelegenheiten

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Posch, Dr. Jarolim und Genossen haben unter

der Nr. 1495/J am 16. November 2000 an mich ein schriftliche parlamentarische Anfrage

über die Aktivitäten der Bundesregierung und insbesondere meine Aktivitäten zur

Bekämpfung der Todesstrafe gestellt:

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt;

 

Zu Frage 1:

 

Das 6. Zusatzprotokoll zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte

und Grundfreiheiten (EMRK), dem für Europa bedeutendsten Instrument zum

Menschenrechtsschutz, behandelt das Thema Todesstrafe. Österreich unterstützt im

Rahmen des Europarates aktiv alle Bemühungen, die eine Ratifizierung des 6.

Zusatzprotokolls zur EMRK durch alle 41 Mitgliedstaaten des Europarats zum Ziel haben.

Bisher haben 39 Mitgliedstaaten des Europarates das 6. Zusatzprotokoll zur EMRK

ratifiziert; nicht ratifiziert haben die Russische Föderation und die Türkei; mit beiden

Ländern wurde diese Problematik wiederholt thematisiert. Darüber hinaus bekräftigten die

Minister im Rahmen ihrer 106. Tagung am 11. Mai 2000 ihre Entschlossenheit, Europa zu

einem Raum ohne Todesstrafe machen zu wollen. In der 107. Tagung des

Ministerkomitees des Europarates verabschiedeten die Außenminister die formelle

Erklärung „Für einen europäischen Raum ohne Todesstrafe“, wonach die Todesstrafe

nicht nur in Friedens - , sondern auch in Kriegszeiten nicht mehr verhängt werden soll.

Österreich war bei diesen Tagungen jeweils entweder durch die Bundesministerin für

auswärtige Angelegenheiten, oder den Generalsekretär im BMaA, Botschafter Rohan,

vertreten und hat diese Initiative aktiv mitgetragen.

 

Zu Frage 2:

 

Die universelle Abschaffung der Todesstrafe ist ein wesentliches Anliegen der

Menschenrechtspolitik der Europäischen Union, zu dem sich alle Mitgliedstaaten ohne

Vorbehalt bekennen und das einen fest verankerten Grundsatz der Gemeinsamen Außen -

und Sicherheitspolitik darstellt. Als Ausdruck der gemeinsamen Haltung der

Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat der Ministerrat der Europäischen Union am

29. Juni 1998 Leitlinien für eine gemeinsame Politik gegenüber Drittländern in bezug auf

die Todesstrafe angenommen die den Rahmen für das Tätigwerden der Europäischen

Union in diesem Bereich bilden. In diesen Leitlinien bekräftigt die EU ihr Ziel der

generellen Abschaffung der Todesstrafe und - als Zwischenschritt - die sukzessive

Einschränkung ihrer Anwendung. Gleichzeitig legt sie Mindeststandards fest, bei deren

Verletzung jedenfalls geeignete Maßnahmen (z.B. Demarchen) ergriffen werden sollen

Sowohl im Rahmen von multilateralen Prozessen als auch in Form von bilateralen

Gesprächen, insbesondere mit den Beitrittskandidaten zur Europäischen Union,

unterstreicht Österreich kontinuierlich die oz. EU - Position.

 

Alle neuen Mitgliedstaaten des Europarates verpflichten sich bei ihrem Beitritt zur

Ratifizierung des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK und zu einem sofortigen Moratorium

betreffend weiterer Hinrichtungen. Außer der Russischen Föderation und Türkei haben

bereits alle Mitgliedstaaten des Europarates das 6. Zusatzprotokoll zur EMRK ratifiziert.

Im Jahr 2000 erfolgten die Ratifikationen durch Albanien (21.9.2000), Polen (30.10.2000)

und Georgien (13.4.2000).

 

In der Türkei gewann im Zusammenhang mit der Verhaftung von Abdullah Öcalan die

Frage der Todesstrafe besondere Bedeutung. Österreich unterstützte aktiv alle

internationalen multilateralen Aufrufe an die Türkei im Rahmen des Europarates, von

einer Hinrichtung Abdullah Öcalans Abstand zu nehmen. Darüber hinaus thematisierte

Österreich auch im Rahmen von bilateralen Gesprächen mit der Türkei wiederholt die

Menschenrechtssituation in diesem Land und unterstrich in diesem Zusammenhang seine

eindeutig ablehnende Haltung gegenüber der Todesstrafe.

 

Zu Frage 3:

 

Im Rahmen der VN - Menschenrechtsfora haben mehrere Länder mit wechselndem Erfolg

versucht, Resolutionen über die Abschaffung der Todesstrafe zur Abstimmung zu bringen.

Einen großen diesbezüglichen Fortschritt stellt die Resolution des Wirtschafts -  und

Sozialrates 1984/50 vom 25. Mai 1984 dar, die zwar die Todesstrafe nicht verbietet, ihre

Anwendung aber an die Erfüllung bestimmter Kriterien bindet. In der jährlich in Genf

tagenden Menschenrechtskommission wurde eine Resolution über die Todesstrafe

zunächst als italienische Initiative, ab 1998 durch die EU erfolgreich eingebracht.

Entsprechende Resolutionen wurden auch in den darauffolgenden Tagungen der

Menschenrechtskommissionen 1999 und 2000 angenommen. Durch sie werden alle

Staaten aufgerufen, das 2. Fakultativprotokoll zum Pakt über bürgerliche und politische

Rechte ehestmöglich zu ratifizieren bzw. die Todesstrafendelikte sukzessive

einzuschränken und ein Moratorium einzuführen.

 

Alle bisherigen Versuche, eine vergleichbare Resolution auch in der Generalversammlung

zur Annahme zu bringen, sind allerdings gescheitert. Die Generalversammlung weist

bezüglich der Frage der Todesstrafe eine wesentlich ungünstigere Zusammensetzung auf

als die Menschenrechtskommission, weshalb Versuche, eine Resolution durchzubringen,

wohl auch in absehbarer Zeit nicht von Erfolg gekrönt sein dürften. Die EU hat deshalb

von einer Initiative bei der letzten Generalversammlung Abstand genommen, da

befürchtet wurde, daß damit die Entwicklung in dieser Frage in den Vereinten Nationen

insgesamt gefährdet werden könnte.

 

Zu Frage 4:

 

Die aktive Anti - Todesstrafenpolitik der EU beinhaltet auch die Durchführung von

Demarchen bei einzelnen bevorstehenden Hinrichtungen durch diplomatische Vertreter

der EU, in der Regel durch das Vorsitzland. Es wurden dabei im letzten Jahr eine Reihe

von Demarchen weltweit - gegenüber den Regierungen folgender Länder: USA, China,

Guatemala, Bahamas, Kuba, Jamaika, Benin, bei der Palästinensischen

Autonomiebehörde, Türkei, Senegal, Demokratische Republik Kongo, Burkina Faso,

Botsuana, Kamerun, Tschad, Komoren, Äquatorial Guinea, Mali, Niger, Uganda,

Swasiland, Sambia und Nigerien - durchgeführt. Besonderes Augenmerk wurde bei den

jüngsten Demarchen seit dem 7. Juli 2000 auf die hohe Anzahl von Hinrichtungen in den

USA gelegt. Dabei wurden vorrangig Verletzungen der Notifikationspflicht der Wiener

Konsularkonvention und die Tatsache, daß die Straftäter zum Tatbegehungszeitpunkt

noch minderjährig oder geistig unzurechnungsfähig waren, beanstandet.

 

Im Jahr 2000 initiierte die französische EU -  Präsidentschaft zum ersten Mal bezüglich

einer drohenden Hinrichtung in den USA die Teilnahme an einem Prozeß in Form eines

amicus - curiae Prozedere. Das amicus - curiae Prozedere ermöglicht es dem Gerichtshof,

im Interesse der Rechtsfindung jedem Staat, der nicht Partei am betreffenden Verfahren

ist, sowie jeder Person mit Ausnahme des Beschwerdeführers, eine Rechtsstellung sui

generis zuzuerkennen, die es zuläßt, begutachtende Schriftsätze zum Gerichtsverfahren

vorzubringen und an den Verhandlungen teilzunehmen.

 

Darüber hinaus konnte im Falle einer jüngsten, für den 16. November 2000 im US -

Bundesstaat Texas vorgesehenen Hinrichtung des geistig Behinderten 44 - jährigen John

Paul Penry eine Aussetzung der Hinrichtung durch den Obersten Gerichtshof der

Vereinigten Staaten erwirkt werden.

 

Bei allen zitierten aktiven Bemühungen (Demarchen und amicus - curiae Prozedere) der

Europäischen Union sprach sich Österreich bereits in den frühen Stadien des EU -

Konsultationsprozesses für ein aktives Vorgehen zur völligen Beseitigung dieser

unmenschlichen Strafform aus.

 

Zu Frage 5:

 

In den vom Ministerrat der Europäischen Union zur Todesstrafe ausgearbeiteten Leitlinien

wird in Unterpunkt III (3)(a) explizit auf die Unzulässigkeit der Hinrichtung von Straftätern

hingewiesen, die zum Tatbegehungszeitpunkt noch minderjährig waren. Österreich

engagierte sich besonders dafür, daß die im Rahmen der VN - Menschenrechtskommission

jährlich verhandelte Resolution über die „Rechte des Kindes“ einen Verweis auf das

Verbot der Todesstrafe für Minderjährige enthält. Auch die im selben Rahmen verhandelte

österreichische Resolution über die Justizverwaltung zielt u.a. daraufhin ab,

diesbezügliche Verfahrenssicherheiten zu garantieren. Die im Rahmen der Demarchen

der EU durchgeführten individuellen Fälle betreffen in den USA auch vorrangig solche

Fälle, in denen die Straftäter im Tatbegehungszeitpunkt noch minderjährig waren.

 

Im engen Zusammenhang mit den international anerkannten Initiativen Österreichs im

Bereich Kinderrechte erfahren sowohl die normativen Maßnahmen (Resolutionen der VN)

als auch die praktischen Maßnahmen (Demarchen und amicus - curiae Verfahren)

besonders aktive Unterstützung durch die österreichischen Vertreter. Die besondere

Beobachtung der Situation von zum Straftatzeitpunkt minderjährigen zum Tode

verurteilten Straftätern und die damit verbundene oftmals rasch notwendige Durchführung

von Demarchen vorort, inbesondere in den USA, wurde von den Vertretern meines

Ressorts wiederholt gefordert.