1538/AB XXI.GP

Eingelangt am: 19-01-2001

 

BUNDESMINISTERIUM

FÜR SOZIALE SICHERHEIT UND GENERATIONEN

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage der

Abgeordneten Petrovic, Grünewald, Stoisits, Lunacek, Freundinnen und Freun -

de betreffend Genitalverstümmelung an Frauen in Österreich, Nr. 1526/J, wie

folgt:

 

Fragen 1 bis 4:

 

Einleitend möchte ich darauf hinweisen, dass ich Genitalverstümmelungen an Frau -

en, egal wo und von wem sie durchgeführt werden, auf das Schärfste ablehne.

Unabhängig davon ist jedoch festzuhalten, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitar -

beiter im Gesundheitswesen bislang nicht mit konkreten Verdachtsfällen in Öster -

reich der im "profil" - Artikel geschilderten Art befasst gewesen sind.

 

Im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Themas auf internationaler Ebene liegt

meinem Ressort allerdings eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz

aus dem Jahre 1996 vor, in der zusammenfassend Folgendes ausgeführt wird: Da

die weibliche Beschneidung nicht bloß in die körperliche Integrität eingreift, sondern

eine erhebliche Verstümmelung zur Folge hat, wäre eine solche Straftat nach der

österreichischen Rechtsordnung unter den qualifizierten Tatbestand des § 85 des

österreichischen Strafgesetzbuches, Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, zu

subsumieren, wobei ein solcher Eingriff auch nicht einwilligungsfähig im Sinne des

§ 90 des österreichischen Strafgesetzbuches ("Einwilligung des Verletzten") ist, d.h.,

dass der Täter auch strafbar wäre, wenn die Frau den Eingriff - aus welchen Grün -

den auch immer - freiwillig über sich ergehen ließe.

 

Zur konkreten Frage nach "konsequenzen" für den "beamteten Arzt" ist festzuhalten,

dass diese Frage an die zuständigen Entscheidungsträger der Gemeinde Wien her -

anzutragen wäre. Seitens meines Ressorts sind aus Anlass des "profil" - Artikels Ver -

anlassungen gegenüber dem Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer

und der Staatsanwaltschaft Wien getroffen worden.

 

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass die im Ärztegesetz 1998 verankerten

Berufspflichten Tätigkeiten der in der Anfrage beschriebenen Art ausschließen.

Maßnahmen strafrechtlicher Art fallen in den Bereich des Bundesministeriums für

Justiz. Ob an der Schnittstelle von Gesundheits - und Strafrecht weitere Konsequen -

zen, insbesondere in legislativer Hinsicht zu ziehen sind, werde ich näher prüfen (vgl.

auch die Entschließung des Nationalrates vom 5. Dezember 2000 betreffend die

Verhinderung und Verfolgung von weiblicher Genitalverstümmelung in Osterreich,

E 49 - NR/XXI.GP).

 

Frage 5:

 

Um einen Überblick über das Ausmaß von weiblicher Genitalverstümmelung - so -

wohl in Österreich als auch weltweit - zu erlangen, fand am 31. Oktober/1. November

2000 eine von der österreichischen Non - Governmental Organization (NGO)

"Afrikanische Frauenorganisation in Wien" organisierte Konferenz zum Thema

"Prävention und Eliminierung von weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital

Mutilation - FGM)" in der UNO - City in Wien statt. Es waren Vertreterinnen aus Äthio -

pien, Burkina Faso, der World Health Organisation (WHO) und NGOs eingeladen,

die über die Problematik von FGM referierten. Zu diesem Anlass wurde die von der

"Afrikanischen Frauenorganisation in Wien" erarbeitete österreichische Studie über

weibliche Genitalverstümmelung ("Die Anwendung der Female Genital Mutilation bei

MigrantInnen in Österreich") präsentiert, für die 250 in Wien, Linz und Graz lebende

Afrikanerinnen befragt wurden. Neben der Kontaktaufnahme mit betroffenen Perso -

nen wurde auch der Ist - Zustand in Österreich analysiert. Im Rahmen der Konferenz

wurden die Ergebnisse der Studie präsentiert und notwendige Schritte zur Beendi -

gung oder zumindest Verminderung dieser Praktiken diskutiert.

 

Das Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit war Trägerorgani -

sation für die Vorbereitungsaktivitäten für die genannte Konferenz. Die Studie war

Teil der Vorbereitungsaktivitäten, welche von Oktober 1999 bis Oktober 2000 an -

dauerten. Das Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit erhielt

bereits im Dezember 1999 eine Förderung zur Finanzierung der Vorbereitungsakti -

vitäten zu der Konferenz in der Höhe von ATS 150.000,-. Gemäß den Förderverein -

barungen wurden vom Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit

die Vorbereitungsaktivitäten für die Konferenz am 31. Oktober11. November 2000

weitergeführt.

 

Auf Basis der aufgezeigten Ergebnisse der Studie werde ich mich bemühen, weitere

Schritte in Richtung Verhinderung von FGM in Österreich in enger Abstimmung mit

dem Bundesminister für Inneres zu setzen.

Frage 6:

 

Geschlechtsspezifische Fluchtgründe werden im Asylgesetz 1997 nicht ausdrücklich

als Asylgrund erwähnt. In § 27 Abs. 3 des Asylgesetzes wird für AsylwerberInnen,

"... die ihre Furcht vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonventi -

on) auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründen ..." festgelegt, dass sie

von Organwaltern desselben Geschlechtes einvernommen werden müssen. Insofern

wird als Voraussetzung, weibliche Genitalverstümmelung als Asylgrund anzuerken -

nen, die Genfer Flüchtlingskonvention genannt. In Bezug auf die Genfer Flüchtlings -

konvention kann die geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen unter die Zuge -

hörigkeit zu einer sozialen Gruppe gezählt werden. FGM wird in Österreich in Bezug

auf das Strafgesetzbuch und das Sicherheitspolizeigesetz als strafbare Handlung

gegen die körperliche Integrität (Körperverletzung) verstanden und wird auch unter

den bereits genannten Voraussetzungen sowie bei Nachweis einer überwiegenden

Akzeptanz im Herkunftsland bzw. unzureichender Maßnahmen des Herkunftslandes

gegen FGM - Praktiken vom Bundesministerium für Inneres als Asylgrund anerkannt.

 

Frage 7:

 

Mit der Konferenz vom 31. Oktober11. November 2000 über die weltweite Problema -

tik von weiblicher Genitalverstümmelung wurde ein erster Schritt in Richtung interna -

tionaler Zusammenarbeit gesetzt. Ich verstehe FGM als eine schwere Menschen -

rechtsverletzung und werde mich auch in Zukunft mit allen mir zur Verfügung ste -

henden Mitteln für die Verhinderung von FGM einsetzen.