1604/AB XXI.GP
Eingelangt am: 26-01-2001
DER BUNDESMNISTER
FÜR JUSTIZ
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
zur Zahl 1630/J - NR/2000
Die Abgeordneten zum Nationalrat Robert Egghart und Kollegen haben an mich
eine schriftliche Anfrage betreffend "Verhalten der Staatsanwaltschaft in der Öffent -
lichkeit" gerichtet
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 6:
Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien hat kurz nach der Ausstrahlung des
Interviews im Mittagsjournal am 10. November 2000 das Bundesministerium für
Justiz davon informiert, dass seine Äußerung, "der Tatverdacht habe sich
verdichtet", nicht personenbezogen und daher auch nicht auf Landeshauptmann
Dr. Jörg Haider gerichtet zu verstehen war. Vielmehr wollte er - nach eigener
Darstellung - zum Ausdruck bringen, dass im laufenden Verfahrenskomplex "Spitze -
laffäre" nahezu täglich neue Ermittlungsergebnisse einlangten, die er zum damali -
gen Zeitpunkt aber nicht habe bewerten können. Diese Klarstellung gab das
Bundesministerium für Justiz noch am 10. November 2000 im Rahmen einer
Presseaussendung bekannt.
Der in der Anfrage zitierte Erste Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Wien wurde in
seiner Funktion als Pressesprecher dieser Behörde am 15. November 2000 von
einem Redakteur der Austria Presseagentur fernmündlich kontaktiert und um
Auskünfte in der sogenannten "Spitzelaffäre" ersucht. Er führte in einem Bericht aus,
dass er dem Anrufer weder ein Interview gewährte, noch ihm konkrete Mitteilungen
zur Sache selbst erteilte. Lediglich auf die Frage, was sich allgemein an gerichtliche
Vorerhebungen anschließen könne, erläuterte er - nach eigener Darstellung - die in
der Strafprozessordnung vorgesehenen
prozessualen Möglichkeiten. Die vom
Anrufer sinngemäß gestellte Frage nach einer möglichen Verhängung der Untersu -
chungshaft wurde mit dem Hinweis auf die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraus -
setzungen, u.a. das Vorliegen eines dringenden Tatverdachtes und von
Haftgründen, beispielsweise Fluchtgefahr, beantwortet. Weiters führte er in seinem
Bericht aus:
"Ich kann nicht ausschließen, dass ich eine anschließende sinngemäße Frage des
Redakteurs, ob es dann ungünstig für die beiden Herren sei, wenn man bei ihnen
Flugticket nach Südamerika findet, bejaht habe.
Nachdem mir am Nachmittag des 15.11.2000 durch einen Telefonanruf des Presse -
sprechers des Bundesministeriums für Justiz, Mag. Zimmermann der tendenziös
verkürzte und "plakative" Charakter der APA - Meldung zur Kenntnis gelangt, verlangte
ich bei der APA eine Richtigstellung."
Im Lichte dieser Klarstellung durch die genannten Behördenvertreter kann ich in den
angesprochenen Äußerungen gegenüber den Medien keine Tendenz einer unsachli -
chen oder voreingenommenen Sichtweise erkennen.
Zu 2 und 4:
Jede Strafsache ist einzelfallbezogen zu beurteilen. Allgemeine Erfahrungswerte
können keine maßgebliche Rolle spielen, vielmehr haben die zuständigen Organe
der Rechtsprechung Überlegungen zur Glaubwürdigkeit von Verfahrensbeteiligten
jeweils unter Berücksichtigung aller Beweisergebnisse vorzunehmen.
Im vorliegenden Verfahrenskomplex werden Erhebungen in alle Richtungen getätigt.
Damit wird dem Gebot des § 206 StPO entsprochen, wonach eine geständige
Verantwortung einer sorgfältigen Nachprüfung bedarf.
Zu 3:
Der § 34 StGB kennt keinen solchen Milderungsgrund. Im Übrigen werden die Straf -
zumessungskriterien jeweils im Einzelfall im Rahmen der unabhängigen Rechtspre -
chung beurteilt. Jedenfalls kommen derartige Zweckmäßigkeitserwägungen bei der
Strafverfolgung nicht in Betracht. Die Staatsanwaltschaften haben daher bei Offizial -
delikten je nach gegebener Sach - und Rechtslage vorzugehen. Die Tatsache, dass
ein Tatverdächtiger bereit ist, gegen andere auszusagen, ändert nichts an der
Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, gegen den Betreffenden die gebotenen Verfol -
gungsanträge zu stellen.
Zu 5:
Er muss gemäß § 7 Abs. 2 DV - StAG bei jeder Staatsanwaltschaft wenigstens alle
vier Jahre eine Einschau vorgenommen werden. Diese hat durch den Leiter der
Oberstaatsanwaltschaft selbst oder durch einen seiner ernannten Stellvertreter zu
erfolgen. Über die konkreten Ergebnisse einer solchen Einschau haben die
Oberstaatsanwaltschaften dem Bundesministerium für Justiz zu berichten.
Zu 7:
Der für die Ermittlungen in der sogenannten "Spitzelaffäre" zuständige Staatsanwalt
ersuchte den Behördenleiter am 13. Oktober 2000 um Gewährung eines Erholungs -
urlaubes für die Zeit vom 14. bis zum 30. November 2000.
Zu 8:
Die Vertretung eines im Erholungsurlaub befindlichen Staatsanwaltes ist in der
Geschäftsverteilung jeder Staatsanwaltschaft für jeweils ein Jahr im Voraus
geregelt. Nur in Ausnahmefällen wird bei einer Dienstverhinderung eines Staatsan -
waltes der Vertreter vom Behördenleiter bestimmt. Der Leiter der Staatsanwaltschaft
führt in seinem aus Anlass der vorliegenden Anfrage eingeholten Bericht aus wie
folgt:
"Im vorliegenden Fall wurde im Hinblick auf den bewilligten Urlaub des Staatsanwal -
tes Dr. Michael K. sein Vertreter Staatsanwalt Dr. Karl S. noch vor Antritt des Urlaubs
in die Bearbeitung des Aktes 1 St 47824/00 einbezogen.
Zur Frage des Abgeordneten, ob die Ermittlungen in dieser Zeit von Seiten der
Staatsanwaltschaft weitergeführt wurden, ist festzuhalten, dass der Urlaubsvertreter
wie auch aus den Aufzeichnungen im angeführten Tagebuch nachvollziehbar, ohne
Verzug die nötigen Erhebungsaufträge erteilte und mit Sicherheit ausgeschlossen
werden kann, dass es durch den Urlaub des Sachbearbeiters bei der Staatsanwalt -
schaft zu einer Verzögerung der fortdauernden Erhebungen durch die Sicherheitsbe -
hörden (SOKO) gekommen ist."