1608/AB XXI.GP

Eingelangt am: 29-01-2001

 

Die Bundesministerin

für auswärtige Angelegenheiten

 

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Christine Muttonen und Genossinnen haben am 6.

Dezember 2000 unter der Nr. 1649/J - NR/2000 an das Bundesministerium für auswärtige

Angelegenheiten eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend konzeptive

Balkanpolitik gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Frage 1:

Das Konzept einer "Partnerschaft für Europa" wurde bereits während der österreichischen

EU - Präsidentschaft 1995 entwickelt und beim sogenannten "Gymnich" - Treffen der

Außenminister in Salzburg den anderen Mitgliedstaaten präsentiert. Es fußte auf den bis

dahin gemachten Erfahrungen mit der vom Europäischen Rat in Luxemburg

beschlossenen "Europa - Konferenz" und sollte für jene europäischen Staaten, die mit der

EU aus verschiedensten Gründen noch nicht in Beitrittsverhandlungen standen, aber ihre

Politik verstärkt in Richtung Union orientierten, ein multilaterales Dialogforum mit der

Europäischen Union bieten.

 

Österreich trat dabei für einen breiten Teilnehmerkreis ein, der westeuropäische Länder

wie die Schweiz ebenso umfassen sollte wie die Balkanstaaten, aber auch die Ukraine

und die Republik Moldau. In Bezug auf die Schweiz und die Balkanstaaten erwies sich

das österreichische Konzept bislang erfolgreich, da die Schweiz schon seit Herbst 1998

an der Europa - Konferenz teilnimmt, und die Union im Zuge des Gipfels von Zagreb auch

beschloß, die Balkanregion in die Europa-Konferenz mit einzubeziehen.

Österreich verfolgt das Konzept "Partnerschaft für Europa" weiter, weil auch die Ukraine

und die Republik Moldau in einen zukunftsorientierten multilateralen Dialog mit der EU

einbezogen werden sollten, und damit gleichzeitig der bisherige Mangel der "Europa -

Konferenz" zu beheben wäre, bloß ein Forum von Zusammentreffen ohne follow - up zu

sein.

 

Was die konkrete Umsetzung des Konzepts einer "Partnerschaft für Europa" in bezug auf

die Balkanstaaten und deren erweiterte Perspektiven in Richtung Europa anbelangt, hat

Bundeskanzler Schüssel anläßlich des Gipfels in Zagreb vorgeschlagen, einen

multilateralen Dialog zwischen der EU und den Ländern des Stabilitäts - und

Assoziationsprozesses (SAP - Länder) über außenpolitische Belange von gegenseitigem

Interesse in die Wege zu leiten. Dieser soll einerseits die SAP - Partner mit der Dynamik

der europäischen Integration vertraut machen, andererseits die EU für die Interessen und

Vorstellungen der SAP - Länder sensibilisieren und weiters die außenpolitische

Zusammenarbeit unter den SAP - Ländern fördern.

 

Ein solcher politischer Dialog ist im Stabilisierungs - und Assoziationsprozess vorgesehen,

existiert in Form eines Kooperationsabkommens mit FYROM und Albanien und wird mit

BiH auf ad - hoc Basis geführt. Nun soll der Dialog auf alle Länder der Region ausgedehnt

werden.

 

Frage 2:

Der Europäische Rat von Feira hat bekräftigt, daß es nach wie vor Ziel ist, die Länder der

Region im Wege des Stabilisierungs - und Assoziierungsprozesses, des politischen

Dialogs, der Liberalisierung des Handels und der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und

Inneres so weit wie möglich in den Strom der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen

Entwicklung Europas einzubeziehen.

 

Die EU ist bereit, ihre Zusammenarbeit mit diesen Ländern zu intensivieren; dazu gehören

wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung, politischer Dialog, freier Handel, Angleichung

an die Rechtsvorschriften der EU und Zusammenarbeit in anderen Politikbereichen.

 

Gleichzeitig werden die Staaten der Region bestärkt, ihre regionale Zusammenarbeit,

unter anderem durch regionale Handelsvereinbarungen, auszubauen.

Auf dem Zagreber Gipfel vom 24. November hat die EU erneut bekräftigt, dass sie - und

somit auch Österreich - die Bemühungen auf dem Westlichen Balkan um Fortschritte auf

dem Weg zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Aussöhnung, Zusammenarbeit und

Stabilität weiterhin aktiv unterstützen wird. Die dafür eingerichteten Instrumente der EU

(Stabilitätspakt, SAA, CARDS, Prinzip der regionalen Zusammenarbeit usw. ) bilden ein

Ganzes - ebenso wie Wirtschaftsreformen, Aufbau demokratischer Strukturen,

Rechtsanpassung, Transparenz und regionale Zusammenarbeit auf dem Weg der

Annäherung der Länder an die Union Hand in Hand gehen.

 

Frage 3 - 6:

Österreich setzt seit Beginn der 90er Jahre im bilateralen Rahmen konkrete

Hilfsmaßnahmen für die Balkanregion durch gezielte Aktionen seitens der

österreichischen Bundesregierung, zahlreicher nichtstaatlicher Organisationen und

österreichischer Interessensvertretungen. Zusätzlich engagiert sich Österreich seit

Sommer 1999 im Rahmen des Stabilitätsprozesses für Südosteuropa und zwar einerseits

durch aktive Mitwirkung bei der Realisierung von so genannten Stabilitäts - und

Assoziationsabkommen der Europäischen Kommission (mit Mazedonien wurde ein

solches am 24. November 2000 paraphiert und am selben Tag ein ebensolches mit

Kroatien zu verhandeln begonnen), als auch im Rahmen der drei Arbeitstische des

Stabilitätspaktes für Südosteuropa (Demokratie und Menschenrechte, Wirtschaft, innere

und militärische Sicherheit).

 

Das Bundeskanzleramt bzw. seit dem Jahr 2000 das Bundesministerium für auswärtige

Angelegenheiten hat über die österreichischen Maßnahmen jährlich in Form des

"Berichtes über die Österreichischen Unterstützungsmaßnahmen für Mittel - und

Osteuropa sowie die Neuen Unabhängigen Staaten" Rechenschaft gelegt. Die

gesamtösterreichischen Fördermaßnahmen für die Balkanregion belaufen sich allein

zwischen 1996 bis 1999 auf rd. ÖS 12 Mrd. (Ostförderprogramme, Zusagen u.a. im

Bildungs - und Wissenschaftsbereich, Kredit - und Investitionsgarantien).

 

Im Rahmen der Ostförderprogramme wurden für Mittel - und Osteuropa seit 1994 bis 1999

Zuschüsse im Umfang von Ös 1,43 Mrd. für konkrete Projekte gegeben. Der Balkan ist

seit 1998 eine Schwerpunktregion der Ostförderprogramme des Bundeskanzleramtes

bzw. des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Es wurden und werden

Maßnahmen v.a. in den Sektoren Umwelt und Energie, Bildung, Öffentliche Verwaltung,

Arbeit und Soziales sowie vereinzelt auch in anderen Sektoren (Gesundheit, Housing für

rückkehrende Flüchtlinge, etc.) gefördert. Im Jahr 2000 betrug der Budgetrahmen der

Ostförderprogramme Ös 287 Mio., wovon Ös 187 Mio. reguläre Mittel waren. Ös 100

Mio. stammten aus der Überschreitungsermächtigung für außenpolitische Maßnahmen

(BFG 2000, Art. VI, Abs. 1, Z 8) zu Gunsten von Projekten im Rahmen des

Stabilitätspaktes für Südosteuropa. Schwerpunktmäßig wurden im Rahmen des regulären

Budgets im Jahre 2000 Strukturmaßnahmen (z.B. Investitionsprojekte in den Bereichen

Wasser/Abwasser/Energie, Klein - und Mittelbetriebsförderungen u.a.) finanziert. Aus der

Überschreitungsermächtigung für den Stabilitätspakt für Südosteuropa werden beginnend

ab Mitte 2000 derzeit rd. 40 Projekte vor allem in den Sektoren Bildung und Jugend,

Menschen - und Minderheitenrechte, Gender und Good Governance unterstützt. Bildungs -

und Jugendprojekte machen mit Ös 50 Mio. den größten Teil aus. Es handelt sich

überwiegend um länderübergreifende Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem BMBWK

in den Bereichen allgemeine Hochschulbildung (Programme des World University Service

in Kooperation mit lokalen Universitäten) und Hochschulbildung in ausgewählten

Bereichen (z.B. History Teaching), Berufsbildung (z.B. Vernetzung von Wirtschaffsschulen

und Übungsfirmen), Lehrmaterialentwicklung und Lehrerfortbildung sowie

Demokratisierung des Schulbetriebs in der Balkanregion.

 

Die "Hilfe zur Selbsthilfe" ist Bestandteil nahezu aller Maßnahmen, und es wird besonders

darauf geachtet, gemeinsam mit den geförderten lokalen Behörden und Institutionen

nachhaltige Strukturen in den Zielländern aufzubauen.

 

Seine Kulturarbeit für Südosteuropa koordiniert das Bundesministerium für auswärtige

Angelegenheiten mit den zahlreichen Initiativen des Bundesministerium für Bildung,

Wissenschaft und Kultur für Aus - und Fortbildungsprojekte (z.B. Aktionsprogramme des

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur für Serbien und Montenegro), mit

den Initiativen der Stadt Wien (z.B. Kulturwoche in Belgrad im Frühjahr 2001) und mit den

Projekten des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (z.B. Dialogkonferenzen

Albanien, Kroatien, Bulgarien und universitäre Zusammenarbeit mit Serbien). Die

kulturelle Programmarbeit in den Balkanstaaten wird schwerpunktmäßig unter dem Begriff

"Culture for Stability" in Kooperation mit den Staaten der Region in allen Sparten

ausgebaut. Für Frühjahr 2001 wird eine Regionaltagung "Österreichische Kulturarbeit in

Südosteuropa" vorbereitet. Anfang April wird gemeinsam mit den Städten Belgrad und

Wien in Belgrad eine Kulturwoche veranstaltet, in deren Rahmen eine Österreichbibliothek

an der Belgrader Universität eröffnet wird. Darüber hinaus werden die

Österreichbibliotheken in der Region weiter ausgebaut (Sarajewo, Novi Sad). Bereits im

Jahr 2000 wurden Bibliotheken in Prishtina und in Shkodra eröffnet. Für 2001 ist neben

Belgrad die Errichtung der ersten Österreichbibliothek in Mazedonien (Bitola) geplant Im

Laufe des Jahres 2001 werden auch auf der Grundlage der jeweils geltenden bilateralen

Kulturabkommen Tagungen der Gemischten Kulturkommissionen mit Bulgarien,

Jugoslawien, Kroatien und Rumänien stattfinden; in diesen Kommissionen arbeitet auf

österreichischer Seite das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten mit dem

Bundeskanzleramt (Kunstsektion) und mit dem Bundesministerium für Bildung,

Wissenschaft und Kultur zusammen; die Tagungen dienen jeweils der Ausarbeitung und

Abstimmung bilateraler Arbeitsprogramme (Kultur, Bildung, Wissenschaft) für die

folgenden drei Jahre.

 

Österreich ist somit bereits seit Jahren aktiv am Wiederaufbau bzw. am Aufbau der

zerstörten Wirtschaftsstrukturen in der Balkanregion beteiligt.