1647/AB XXI.GP
Eingelangt am: 06.02.2001
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1645/J - NR/2000 betreffend Laptop - Klassen, die die
Abgeordneten Dieter Brosz, Freundinnen und Freunde am 6. Dezember 2000 an mich richteten,
wird wie folgt beantwortet:
Ad 1.:
Durch die vielen Nachfragen von einzelnen Schulstandorten im Frühjahr 2000 bezüglich des
Einsatzes von Notebook - PCs für Schülerinnen wird ab Spätherbst 2000 eine Begleitung von
Schulstandorten, die Schüler - Notebooks einsetzen wollen, durchgeführt. Viele anfallenden Fragen
können nur empirisch erhoben und geklärt werden. Daher ist in dieser Sache ein dreijähriger
Versuchszeitraum zur Sammlung von Erfahrungen und Bewertung durch wissenschaftliche
Begleitungen vorgesehen.
In diesem Schuljahr werden 35 Oberstufenstandorte in 67 Klassen (rund 1750 Schülerinnen und
Schüler) in ganz Österreich beginnen, eLearning - Konzepte in vielen Gegenstandsbereichen mit
Hilfe von Schülernotebook - PCs umzusetzen. Die NotebookPCs mussten von den Schülern oder
deren Eltern selbst beschafft werden, etliche Schulen konnten Sponsoring - Möglichkeiten geltend
machen. Die Teilnahme an und Durchführung der Notebook - Aktion erfolgt allerdings völlig
freiwillig im Meinungsbildungsprozess der Schüler, Eltern und Lehrer, die sich nach kurzer
Anlaufphase im Herbst zum Kauf der Notebook - PCs entschlossen. Die Schulstandorte werden ihre
elektronischen Schulnetze ausbauen, um erweiterte Einsatzmöglichkeiten für die Notebook - PCs zu
erreichen (direkte Vernetzung aller Geräte und „Dienste an den Schulen - "wired classroom" -
Konzept und
Anknüpfung an das Internet).
Die Notebook - PC - Aktion wird pädagogisch - wissenschaftlich und didaktisch - organisatorisch
begleitet; ein Experte der Universität Innsbruck und ein Team an der Donau - Universität Krems
bieten ab Beginn 2001 Informationen über einen "Webspace" und ein elektronisches Forum an und
werden Begleituntersuchungen durchführen. Die Pionierstandorte werden sich - mit Hilfe einer
Projektorganisation des bm:bwk - auch untereinander gebietsweise vernetzen (3 Gruppen in Ost - ,
Süd- und Westösterreich), erste Erfahrungen austauschen und einander auch bei Problemen
beistehen. Es ist nur durch diese direkt gemachten Erfahrungen möglich, pädagogisch -
didaktische, technische und organisatorische Fragestellungen unter den Rahmenbedingungen der
österreichischen Schule soweit zu klären, dass gesicherte Erkenntnisse für den Einsatz eines
umfassenden Problemlösewerkzeugs wie eines Notebook - PCs möglich sind. Ein erstes didaktisches
Konzept liegt bei; dieses wird im Lichte der Erfahrungen der Schulstandorte laufend überarbeitet.
Ad 2.:
Die Oberstufenlehrpläne an Österreichs Schulen sind Rahmenlehrpläne, die für einen veränderten
Einsatz von Unterrichtsmitteln und eine geänderte Unterrichtsmethodik offen sind. Lehrpläne
werden daher nicht geändert. Es wird allerdings getrachtet, dass Klassen, die sich nicht für den
NotebookPC - Einsatz entschließen können, attraktive parallele Ausbildungsangebote umsetzen
können.
Ad 3.:
Es nehmen heuer 67 Unterrichtsklassen mit ca. 1750 SchülerInnen teil. Für das nächste Schuljahr ist
an eine Verdopplung der Klassen - und Schülerzahlen gedacht, wobei die 35 „Pionierschulen“
weitere Klassen eröffnen und wieder ca. 35 Standorte dazukommen sollen.
Ad 4.:
Es werden sicherlich schriftliche und elektronische Unterrichtsmittel (Standard - und
Spezialsoftware, Lernprogramme, Internetmaterialien) parallel verwendet werden. In den ersten
Jahren wird davon ausgegangen, dass mehr als 50% der Unterrichtszeit mit den
SchülerNotebookPCs
gearbeitet wird.
Ad 5.:
Bei den ersten lokalen Treffen Ende des Wintersemesters 2000/01 wird ein Schulungsplan für die
einzelnen Standorte erstellt. Ab März 2001 werden Lehrerschulungen zum Thema „eLearning im
Unterricht“ und schulinterne Lehrerfortbildung an den Standorten angeboten werden. Ab
Herbst 2001 werden Online - Lehrerfortbildungen zu informatischen Themen zur Verfügung stehen.
Ad 6.:
Es liegt in der Natur eines Unterrichtsversuches, die entsprechenden Erfordernisse bei der
Umsetzung einer derartigen tief greifenden Änderung beim Einsatz neuer Unterrichtsmittel
herauszufinden. Die Pionierschulen haben im Herbst 2000 entsprechende Mittel bekommen, um die
technischen und organisatorischen Vorbereitungen zu treffen.
Ad 7. + 8.:
Der Unterrichtsversuch soll 3 Jahre, also bis zum Schuljahr 2002/2003 laufen; die oben genannte
Anzahl der Klassen und Schüler soll in jedem Jahr deutlich erhöht werden. Damit wird für
2002/2003 mit einer Anzahl von ca. 120 Schulstandorten und 240 Klassen zu rechnen sein. Da der
Unterrichtsversuch eine freiwillige Entscheidung der Schulstandorte voraussetzt, können diese
Zahlen bis 2003 auch nach unten abweichen. Die oben genannte Evaluierung wird bis 2003
fortgesetzt.
Ad 9. + 10.:
Notebook - Klassen werden bis 2003 "Unterrichtsversuchsklassen" in beschränkter Anzahl sein;
weitere Überlegungen hängen von den Evaluationsergebnissen ab. Ein Notebook - Einsatz ist
prinzipiell in beinahe allen Gegenstandsbereichen möglich; ein wesentlicher Teil der didaktischen
Konzepte der Schultypen und Standorte wird sich mit diesen Fragen beschäftigen.
Ad 11.:
Die Schüler als Proponenten der „Internetgeneration“ werden mit diesem Unterrichtsmittel und
Werkzeug in entsprechend nüchterner Weise umgehen, ohne dramatische Änderungen im
„Sinngehalt“ des Lernens festzustellen. Alle psychologischen Folgewirkungen werden in der
Fachliteratur durchaus
unterschiedlich, aber meist recht positiv beurteilt.
Ad 12.:
Obwohl das in der Anfrage erwähnte ,,Gesundheitsrisiko“ nicht geortet werden kann, ist zu
erwähnen, dass sich ab Jänner 2001 eine Expertengruppe mit den Themenbereichen Raumfragen,
Gebäudeadaptierung, Notebook - Arbeitsplätze und Schulmöbel - Adaptierung beschäftigen wird.
Entsprechende Empfehlungen werden dann in schriftlicher Form vorgelegt
Ad 13.:
Obwohl in der Literatur die Gefahr der sozialen Isolation als grundlegendes Phänomen der
„Informatisierung breiter Gesellschaftsbereiche", aber nicht spezifisch auf Lernprozesse oder
Unterricht bezogen, gesehen wird (S. Turkle, N. Postman u.a.), wird ein wesentlicher Teil der
Begleitforschung der Klärung dieser Fragen und Erarbeitung von Vorschlägen - mit den Lehrenden
gemeinsam - zu einer möglichen Neudefinition des sozialen Lernprozesses gesehen werden.
Ad 14.:
Ähnlich wie bei den didaktischen sind auch bei den technischen und kaufmännischen Fragen
empirische Erfahrungen zu sammeln. Die Schulstandorte, die bereits länger mit NotebookPCs
gearbeitet haben, machen durchaus unterschiedliche Erfahrungen, die Lebensdauer und andere
technische Parameter betreffend. Prinzipiell ist mit den Notebook - Angeboten der Anbieter, die das
bm:bwk eingeladen hat, eine 3 - Jahres - Garantie der Geräte verbunden. Auch die Frage des
Technologie - Tausches nach einigen Jahren wird untersucht. Konzise Erfahrungen liegen weder von
den Anbieterfirmen noch von anderen Einsatzbereichen bei Bildungsinstitutionen vor.
Bei der Beschaffung wird nochmals darauf verwiesen, dass unbedingte Freiwilligkeit aller
Betroffenen gegeben sein muss. Natürlich wird man trotzdem Maßnahmen der sozialen
Absicherung wie beispielsweise einen Notebook - Pool am Schulstandort oder Ähnliches vorsehen
müssen. Erste Erfahrungen damit sind durchaus positiv!
Ad 15.:
Schulstandorte, die sich mit ein bis drei Klassen an der SchülernotebookPC - Aktion beteiligen,
werden aus der Technologieförderung für Bildungsaufgaben mit einem entsprechenden Betrag für
den Ausbau der
Infrastruktur, Lehrerschulungen und Betreuungsagenden bedacht.
Wesentliche Kriterien sind das Einverständnis der Schulpartner, die Vorlage eines einsichtigen
didaktischen Konzeptes und die Zusicherung der Lehrenden, die Verwendung der NotebookPCs in
mehr als 50% der Unterrichtszeit unterrichtsmethodisch vorzusehen.
Ad 16.:
Allfällige Möglichkeiten des "Outsourcing" werden im Laufe der Evaluierung geprüft.
Ad 17.:
Siehe Antwort der Frage 1.
Ad 18.:
Hier fließen die Interessen vieler SchülerInnen, mit modernen Unterrichtsmitteln arbeiten zu
wollen, die Interessen innovativer Lehrender, einen modernen und informationsunterstützten
Unterricht bieten zu wollen, und die Interessen aller Beteiligten, im Sinne der EU - Ratsbeschlüsse
von Lissabon und Feira an Österreichs Schulen eine zeitgemäße, aktuelle und anregende
Schulwirklichkeit im Rahmen des Gesamtkonzeptes "eEurope" einrichten zu wollen, ein.
Beilage
Didaktische Konzepte müssen der jeweiligen Ausbildung, den verwendeten Lehrplänen und der
aktuellen lokalen Schulwirklichkeit angepasst sein. Insoferne kann ein Modell, das nicht einzelne
Schulformen, Lehrinhalte oder spezifische lokale Gegebenheiten berücksichtigt, immer nur sehr
kurz greifen. Trotzdem zeigen gerade auch erste Erfahrungen an Testschulen, dass wiederholt
überraschende Anwendungsbereiche auftauchen, wenn SchülerInnen mit einem individuellen
Problemlösewerkzeug unabhängig von Sondersaaleinrichtungen ausgestattet sind. Eine erste
Zusammenfassung dieser genannten Erfahrungen ergibt folgende Einsatzbereiche für
Notebook - PCs:
1. In den meisten Fällen fungiert der Notebook - PC als universelles Schreibgerät für normale
Texte und Texte mit einfachen Formeln, Die Verwendung als „Formeleditor“ ist für komplexe
Anwendungen softwaremäßig noch nicht besonders gut unterstützt und beim Mitschreiben
kompliziert. Die Funktion als "E - Book" (elektronisches „Schreibheft“) begünstigt eher
nondirektive Unterrichtsformen und Phasen - Unterrichtskonzepte (mit und ohne PC -
Verwendung). Notebookunterstützte und notebookfreie Unterrichtsbereiche müssen genau
geplant und mit den Schülern in Form eines professionellen Arbeitsbündnisses festgelegt
werden.
2. Der Notebook - PC kann als universelles Rechenwerkzeug für Anwendungen eingesetzt
werden, wo einfache Rechenhilfen und Taschenrechner deutlich zu kurz greifen. Besondere
Qualitätsmerkmale sind alle Formen der Tabellenkalkulation (EXCEL u.a.), die sofort im
Unterricht umgesetzt werden können und die Nutzung von Softwareprodukten für symbolisches
Rechnen. Damit werden Entwicklungen wie der TI - 92 u.a. wieder obsolet und können durch
günstige Kampuslizenzen wie Derive, MathCAD etc. ersetzt werden. Dies bedeutet auch
insoferne einen Qualitätssprung, als für die Schüler direkt im Unterricht Softwarewerkzeuge für
jegliche Form der Berechnung, Darstellung und Auswertung sofort zur Verfügung stehen.
3. Der Notebook - PC repräsentiert den Zugang zum derzeit aktuellen Stand der schriftlichen und
mündlichen Präsentation. Die Erstellung von abwechslungsreichen Folien und "Diashows"
mittels „Powerpoint“ oder "CorelDraw“ ist ein Standard für eine moderne Präsentation von
Lehrinhalten und stofflichen Darstellungen geworden. Schüler haben diesen Trend bei der
Präsentation von Projekten oder bei abschließenden Prüfungen bemerkenswert rasch
übernommen und in der Aufbereitung Standards gesetzt. Diese Zugänge sollen in allen
Bereichen ab den unteren Klassen geübt werden und einfach zum Repertoire dazugehören. Die
genannten Softwareprodukte sind auch das Eingangstor zur multimedialen Präsentation, wo mit
anderen Werkzeugen Effekte mit Bildern, Tönen und bewegten Bildern erzeugt
werden können.
4. Der Notebook - PC ist ein Gliederungs - und Ordnungsinstrument. Wenn die Struktur der
Dateiablage einmal verbindlich geklärt ist, lassen sich unterschiedliche Gegenstandsbereiche in
gleicher oder ähnlicher Form anordnen und bearbeiten. Erst in Zusammenarbeit mit dem
Schulnetz können allerdings gewisse Inhalte gesichert bleiben. Die Schülerantwort „Heft
vergessen“ kann durch „Notebook vergessen“ ersetzt werden; sind aber Inhalte und Mitschriften
über den Schulserver rasch rekonstruierbar, kann einigen Momenten dieser Form der
„Mitarbeit“ sinnvoll begegnet werden. Experten raten dazu, Schul - und Privatbereich am
Notebook zu trennen (2 Partitionen) und die Gliederungsstruktur am Beginn jedes Schuljahres
gleich aufzusetzen - die Pflege liegt dann in der Verantwortung des Schülers.
5. Der Notebook - PC gestattet die Verwendung von Lernsoftware - CDs, die der Unterstützung des
vor allem auch individuellen Lernprozesses dienen und auch in die Lage versetzen können,
Versäumtes nachzuholen. Nicht zuletzt durch einen breiten Einsatz von „Abspielgeräten“ wird
der Markt der Lernsoftware - CDs sicher beschleunigt werden. Mit Lernsoftware - CDs kann die
individuelle Auseinandersetzung mit lehrstoffadäquaten Inhalten gefördert werden.
6. Durch die Vernetzung der Notebook - PCs mit einer leistungsfähigen schulischen elektronischen
Arbeitsumgebung (Schul - Intranet) erschließen sich neue Dimensionen, die noch nicht
abzuschätzen sind. Die Nutzung des World Wide Web an sich wird eine Dimension sein
(Suchaufgaben im Internet), die aber nicht überschätzt werden soll. Nach interessanten Inhalten
suchen könnte man auch ohne die Verwendung von Notebook - PCs. Vor allem das immer
wieder auftretende Problem der Überlastung der Leitungskapazitäten der globalen
elektronischen Vernetzung wirkt hier bei einem simultanen Einsatz von Suchmaschinen im Web
in vielen Klassen motivationsmindernd und zeitvergeudend. Hier muss seitens der Lehrenden
auf die entsprechende Relativierung eingegangen werden.
7. Viel wesentlicher erscheint die elektronische „Neukonstruktion“ der Schule mittels interner
elektronischer Organisationsstrukturen, die Groupeware und Elemente eines „Learningsspace“
in entsprechend konfigurierter Form enthalten. Damit können einerseits Lehrinhalte und
Prüfungsaufgaben vom Lehrer zielsicher transporiert werden, spezifische Formen der
Zusammenarbeit in den Klassen oder klassenübergreifend etabliert werden (bei Projekten
unschätzbar) und ein umfassendes elektronisches Ablagesystem von Arbeiten und Leistungen
aufgebaut werden, das auch Weiterführungen von Arbeiten und Projekten über mehrere Jahre
hinweg gestattet. Damit nähert sich schulisches Arbeiten der realen Arbeitswelt immer mehr
und nachhaltiger an. Ob hier dann Begriffe wie "Fachbereichsarbeiten", "Ingenieurprojekte",
„Diplomarbeiten“ oder „Übungsfirmen“ zum Tragen kommen - sie alle können durch die
elektronische Lernumgebung gebündelt und damit auch besser unterstützt und der Umwelt
präsentiert werden (Webauftritte der Schulen).
Zwei Aspekte sollen beim Notebook - PC - Einsatz eine Rolle spielen: Der Notebook - PC kann bei
geschickter Verwendung sowohl den PC - Arbeitsplatz an den Schulen ersetzen - außer bei High -1
End - IT - Aufgaben wie CAD etc. - als auch den Desktop - PC zu Hause substituieren. Damit wird auch
die mögliche Notwendigkeit rechtfertigbar, in einer Oberstufen - Schulkarriere von 4 bis 6 Jahren
einmal einen „Technologietausch“ einzuplanen. Schließlich soll man sich vor Augen halten, dass
mit dem PC - Einsatz, in welcher Form auch immer, aber bei individuellen Möglichkeiten mit
Notebook - PCs um so mehr, die Lernsituation des Schülers und die spätere Arbeitssituation im
Verwaltungs - und Dienstleistungsbereich immer mehr zusammenrücken. Der Notebook - PC
gestattet professionelles Arbeiten, wenn dies umsetzbar ist - die Internetgeneration wird damit
umgehen können.