1730/AB XXI.GP
Eingelangt am: 14.03.2001
BUNDESMINISTERIUM für
WIRTSCHAFT und ARBEIT
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1815/J betreffend
geplanten Abbau des Arbeitnehmerinnenschutzes, welche die Abgeordneten
Heidrun Silhavy und Genossen am 31. Jänner 2001 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:
Die österreichischen Arbeitnehmerschutzvorschriften weisen einen sehr hohen
Standard auf, der ständig weiterentwickelt und den jeweiligen neuen Heraus -
forderungen der Arbeitswelt angepasst wird. Normadressat der Arbeitnehmerschutz -
vorschriften ist der Arbeitgeber, der für Sicherheit und Gesundheitsschutz seiner
Mitarbeiter zu sorgen hat. Neben dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und seinen
Durchführungsverordnungen sind auch die Vorschriften des Verwendungsschutzes
einzuhalten und in die betriebliche Praxis umzusetzen. So wichtig und unverzichtbar
die Tätigkeit der Arbeitsmediziner und Sicherheitsfachkräfte auch ist, besteht ihre
Aufgabe doch in erster Linie darin, die Arbeitgeber bei der Umsetzung der ihnen von
Gesetz und Verordnung vorgegebenen Schutzvorschriften zu beraten und zu
unterstützen. Die Arbeitnehmerschutzvorschriften müssen von den Arbeitgebern -
begleitet von einer effizienten Kontrolle und Beratung der Arbeitsinspektion - jedoch
auch dann eingehalten werden, wenn ihnen die Präventivfachkräfte nicht bzw. nicht
im Ausmaß der derzeit geltenden
Mindesteinsatzzeiten zur Seite stehen.
So gelten für Arbeitsstätten mit bis zu 50 Arbeitnehmern - also für die meisten
österreichischen Betriebe - bekanntlich keine Mindesteinsatzzeiten, sondern das
,,Begehungsmodell”, das vorsieht, dass in Arbeitsstätten mit 1 bis 10 Arbeitnehmer
mindestens einmal in zwei Kalenderjahren und in Arbeitsstätten mit 11 bis 50
Arbeitnehmern mindestens einmal im Kalenderjahr die Beratung durch eine
Sicherheitsfachkraft und einen Arbeitsmediziner zu erfolgen hat und darüber hinaus
weitere Begehungen nur nach Erfordernis zu veranlassen sind.
Aus allen diesen Gründen bin ich davon überzeugt, dass eine maßvolle Reduktion
derderzeit in Österreich für Arbeitsstätten mit mehr als 50 Arbeitnehmern geltenden
Mindesteinsatzzeiten für Arbeitsmediziner und Sicherheitsfachkräfte weder Qualität
noch Quantität des Schutzes der Arbeitnehmer nachteilig beeinflussen kann.
Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:
Die geltenden §§ 76 Abs. 3 und 81 Abs. 3 ASchG verpflichten die Arbeitgeber
bereits de lege lata dazu, neben Arbeitsmedizinern und Sicherheitsfachkräften
erforderlichenfalls weitere Fachleute, wie beispielsweise Arbeitspsychologen,
Toxikologen und Chemiker beizuziehen. Die zusätzlichen erforderlichen Beratungs -
leistungen anderer Experten dürfen gem. §§ 77 und 82 ASchG aber nicht in die
Mindesteinsatzzeiten der Arbeitsmediziner und Sicherheitsfachkräfte eingerechnet
werden und müssen von den Arbeitgebern zusätzlich zugekauft werden. Nach
geltendem Recht ist eine allfällige Verkürzung der Einsatzzeiten auf die notwendige
Beiziehung von Arbeitspsychologen somit ohne Relevanz. Die zukünftige
Ausgestaltung der Mindesteinsatzzeiten im Rahmen der Reform des Arbeitnehmer -
schutzes ist derzeit Gegenstand von internen Sozialpartnerverhandlungen.
Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:
Bei Mobbing und Psychoterror am Arbeitsplatz handelt es sich im Regelfall nicht um
Gefahren und Belastungen, die aus Arbeitsverfahren und Arbeitsvorgängen
resultieren, sondern um Belastungen durch einen problematischen Umgang
(systematische Schikanen und Intrigen, die
eine Person über eine längeren Zeitraum
betreffen) von Vorgesetzten und/oder Arbeitskollegen miteinander. Ursachen von
Mobbing und Psychoterror sind allerdings in vielen Fällen arbeitsorganisatorische
Probleme wie Zeitdruck, zu große Arbeitsmengen, Zwangshaltung, zu hohe
Verantwortung und Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Arbeitgeber ist bereits nach
geltendem Recht im Rahmen der Grundsätze der Gefahrenverhütung dazu
verpflichtet, den “Faktor Mensch” und die sozialen Beziehungen in seinem Betrieb -
so vor allem eben bei der Arbeitsorganisation und der Arbeitsgestaltung -
mitzuberücksichtigen, was selbstverständlich auch für Fälle von Mobbing und
Psychoterror zutrifft.
Am ehesten ist Mobbing zu verhindern, wenn Bedienstete und deren gesetzliche
Vertreter mit den Personalchefs eng zusammenarbeiten und im Vorfeld schon
betriebliche Bewältigungs - und Präventionsmaßnahmen entwickeln. Mit gesetzlichen
Bestimmungen allein ist das Problem des Mobbings nicht in den Griff zu bekommen,
da es sich hier um zwischenmenschliche Beziehungen handelt.
Im Arbeitsrecht findet sich zum Phänomen des Mobbing zwar keine ausdrückliche
Regelung, jedoch sind eine Reihe von Rechtsinstituten zu nennen, mit denen dieses
Phänomen bekämpft werden kann. Dies sind:
• Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§§ 1157 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
und 18 Angestelltengesetz)
• Austrittsrecht des gemobbten Arbeitnehmers
• Entlassung des Mobbers
Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:
Die Anerkennung von Krankheiten als Berufskrankheiten fällt nicht in die
Zuständigkeit des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Arbeit.
Antwort zu den Punkten 5 und 6 der Anfrage:
In Österreich wurde ein wesentliches Forschungsprojekt zu diesem Thema im
Auftrag der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt von der Technischen Universität
Wien, Institut für Arbeitswissenschaft, zum Thema “Psychische Beanspruchung bei
der Arbeit” durchgeführt. Bei zahlreichen österreichischen Fachtagungen, Seminaren
und Symposien stehen Stress und psychosoziale Belastungen im Mittelpunkt des
Interesses.
Auch auf EU - Ebene stehen die neuen Risiken am Arbeitsplatz gegenwärtig im
Mittelpunkt der Diskussion: So legt die Sozialpolitische Agenda fest, dass die
Kommission bis 2002 ein Aktionsprogramm über die künftige Gemeinschafts -
strategie im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz vorlegen
muss und im Rahmen dieser Gemeinschaftsstrategie auch auf neue Risiken am
Arbeitsplatz durch neue Vorschläge für Richtlinien und den Austausch bewährter
Praktiken reagiert werden muss. Darüber hinaus befasst sich die Europäische
Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz mit diesem Thema als
einem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Die derzeitige und zukünftige Rolle der
Arbeitsinspektion im Zusammenhang mit negativem Stress und psychosozialen
Belastungen ist auch thematischer Schwerpunkt im Ausschuss Hoher Arbeits -
aufsichtsbeamter im Rahmen des schwedischen Ratsvorsitzes. Das Zentral -
Arbeitsinspektorat wirkte bei der Vorbereitung dieses Schwerpunktthemas mit.
Auf Grund dieser Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene besteht
derzeit kein Anlass, Studien zu Stress oder Stressbelastung in Auftrag zu geben.
Das Zentral - Arbeitsinspektorat wurde aber damit beauftragt, in einer Arbeitsgruppe
mit österreichischen Experten über den Stand der Forschung zu den Auswirkungen
psychischer Beanspruchungen und Belastungen am Arbeitsplatz, über mögliche
Kooperationen und positive Interventionsbeispiele (“Good Practice”) sowie zukünftige
Vorgehensweisen zu beraten.
Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:
Das gesamte Arbeitnehmerschutzrecht dient ausschließlich dem präventiven Zweck
jene Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer zu schaffen, die ihre Gesundheit und
damit auch ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten und ihnen ein von Arbeitsunfällen,
Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen sowie deren Folgeer -
scheinungen freies Berufsleben sowie einen gesunden Lebensabend ermöglichen.
Entsprechend dem jeweiligen Stand von Technik und Arbeitsmedizin gilt es daher
ständig, das Arbeitnehmerschutzrecht entsprechend anzupassen und fortzuent -
wickeln. Für die nächste Zeit sind folgende Initiativen geplant:
Eine Verordnung über Grenzwerte für Arbeitsstoffe und über krebserzeugende
Arbeitsstoffe (GKV); weiters eine Verordnung über die Handhabung mit Lasten. Eine
neue Explosionsschutzverordnung wird noch in dieser Legislaturperiode den Schutz
der Arbeitnehmer vor explosionsfähiger Atmosphäre weiter verbessern. Darüber
hinaus stehen auf EU - Ebene derzeit wichtige Arbeitnehmerschutz -
Richtlinienvorschläge in Verhandlung (Vibrationen, Lärm, Asbest, Gerüste).
Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:
Folgende Erhebungsschwerpunkte sind im Jahr 2001 im Bereich der Arbeitsin -
spektion vorgesehen:
• Start der Kampagne für Gesundheit und Sicherheit in Bäckereien
(Mehlstaubbelastung)
• Sicheres Arbeiten auf Dächern
• Brandschutz in Tunnelanlagen sowie untertägigen Arbeitsstellen und Baustellen
• Unfälle mit Maschinen
• Lärmbelastung in Diskotheken
• Baustellen auf Verkehrswegen