1758/AB XXI.GP
Eingelangt am: 16.3.2001
BM für Justiz
zur Zahl 1738/J - NR/2001
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde haben
an mich eine schriftliche Anfrage betreffend "Böhmdorfer, Spitzelaffäre und Rechts -
staat“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1, 2, 4 und 6:
Wie ich bereits in der Beantwortung der dringlichen Anfrage der Abgeordneten zum
Nationalrat Dr. Gusenbauer, Dr. Pilz, GenossInnen und FreundInnen zur Zahl
1664/J-NR/2001 ausgeführt habe, war die öffentliche Diskussion für mich Veranlas -
sung, mit der Präsidentin der Vereinigung der Österreichischen Richter und dem
Präsidenten der Vereinigung der Österreichischen Staatsanwälte ein klärendes
Gespräch zu führen. Als deren wichtigstes Ergebnis wurde übereinstimmend - auch
gegenüber den Medien - klargestellt. dass die mit dem in Rede stehenden Verfahren
befassten Organe der Staatsanwaltschaft und Richterschaft die Erhebungen - wie
schon bisher - unbeeinflusst vornehmen können.
Politisch motivierte und sonstige öffentliche Äußerungen vor allem in den Medien
waren zu keinem Zeitpunkt geeignet, die Erhebungen in irgendeiner Form zu beein -
flussen.
Zu 3:
Nein.
Zu 5:
Während eines anhängigen Verfahrens gebe ich grundsätzlich keine öffentlichen
Bewertungen über die Vorgehensweise des
befassten Staatsanwaltes ab.
Zu 7:
Die dem Verfahren zu Grunde liegenden Vorwürfe werden, wie sich inzwischen
zeigt, von der Staatsanwaltschaft Wien genau und mit der gebotenen Eile geprüft.
Es bedarf sohin keines solchen Hinweises auf die Notwendigkeit einer beschleunig -
ten Arbeitsweise.
Zu 8 und 9:
Die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft zählt zum Bereich der staatlichen Hoheitsver -
waltung. Die verfassungsmäßige Legitimation zur Führung der obersten Verwal -
tungsgeschäfte hat gemäß Artikel 69 Abs. 1 B - VG die Bundesregierung bzw. der
jeweilige Bundesminister. Dieser trägt die politische Verantwortung für die in seinem
Ressort getroffenen Entscheidungen und hat diese dem Parlament gegenüber zu
vertreten. Die hierarchische Struktur der staatlichen Verwaltungsorganisation hat zur
Folge, dass politisches und staatsrechtliches Handeln von der Verwaltungsspitze
beaufsichtigt werden können muss. Das Weisungsrecht dient demnach der Siche -
rung des demokratischen Prinzips, also der Kontrolle der Staatstätigkeit durch das
Volk bzw. seine Vertreter. Willkür oder Missbrauch dieses Rechtes kann schwerwie -
gende politische Folgen bis hin zur Amtsenthebung haben (Artikel 74 Abs. 1 B - VG).
Der Bundesminister für Justiz, der in gleicher Weise dem Legalitätsprinzip verpflich -
tet ist wie die Staatsanwaltschaft, steht unter der aufmerksamen Kontrolle des Parla -
ments und der Öffentlichkeit. Unsachliche Einflussnahmen auf die unterstellten
Staatsanwaltschaften sind daher im derzeitigen System der demokratischen Verant -
wortlichkeit praktisch unmöglich. In der gesamten Diskussion rund um das
Weisungsrecht wurde auch tatsächlich keine solche Einflussnahme seit dem Jahr
1986, dem Inkrafttreten des Staatsanwaltschaftsgesetzes, behauptet oder aufge -
zeigt. Es werden lediglich abstrakte, hypothetische Befürchtungen geäußert. Das
erwähnte Staatsanwaltschaftsgesetz hat nämlich in einer umfassenden Weise die
Stellung der Staatsanwaltschaft geregelt und das Weisungsrecht auf eine entspre -
chende Grundlage gestellt. Weisungen sind transparent, bedürfen der schriftlichen
Begründung, kein Staatsanwalt kann gegen seine Überzeugung zur Befolgung einer
Weisung gezwungen werden.
Dem Projekt eines Bundesstaatsanwaltes stehe ich ablehnend gegenüber. Dem
Konzept nach soll er mit Zwei - Drittel - Mehrheit vom Nationalrat gewählt werden.
Demnach muss - zumindest bei den derzeitigen politischen Machtverhältnissen - ein
Konsens zwischen den Regierungs - und Oppositionsparteien gefunden werden.
Politische Kompromisslösungen sind oft
nicht nur von reinen Sachlichkeitserwägun -
gen getragen. So ist es bemerkenswert, dass im Entschließungsantrag der Abgeord -
neten Dr. Kostelka und Genossen an die Befähigung zum Amt des Bundesstaats -
anwaltes keinerlei fachliche Anforderungen gestellt werden. Tatsächlich wäre zu
besorgen, dass sich der Bundesstaatsanwalt, den die gleiche Verantwortlichkeit wie
einen Bundesminister treffen soll, an den jeweiligen politischen Gegebenheiten
orientieren und seine Entscheidungen nach Opportunitätserwägungen ausrichten
müsste, gilt es für ihn doch zu berücksichtigen, dass er bei einer der Parlaments -
mehrheit missliebigen Amtsführung einem zum Amtsverlust führenden Misstrauens -
votum ausgesetzt wäre. Würde man ihn andererseits im Bestellungs -
zeitraum unabsetzbar machen, führte das die parlamentarische Kontrolle ad
absurdum.
Der Idee, die Weisungsbefugnis des Bundesministers für Justiz einem Bundes -
staatsanwalt zu übertragen, kann ich daher nichts abgewinnen.
Zu 10 bis 22:
Wie ich bereits anlässlich der Beantwortung der obzitierten dringlichen Anfrage
ausgeführt habe, betreffen derartige Fragen nicht den Vollziehungsbereich des
Bundesministers für Justiz. Sie unterliegen daher nicht dem parlamentarischen
Fragerecht. Im Übrigen weise ich die in diesen Fragen enthaltenen Unterstellungen
neuerlich auf das Entschiedenste zurück.
Zu 23:
Eine Eingabe des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz vom
27. November 2000 dieses Inhaltes wurde bereits von der Staatsanwaltschaft Wien
geprüft. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine den §§ 12 (zweite
Alternative), 302 Abs. 1 StGB zu unterstellende Informationsbeschaffung durch
Landeshauptmann Dr. Jörg Haider oder Ing. Peter Westenthaler.
Ich habe in diesem Zusammenhang die Öffentlichkeit nicht falsch informiert. Auch
konnte ich am 10.11.2000 bei keiner Verhandlung als Rechtsanwalt anwesend sein.
Zu 24:
Eine solche Vorgangsweise wurde von der betreffenden Staatsanwältin gegenüber
dem Leiter der Staatsanwaltschaft Wien entschieden in Abrede gestellt und ließe
sich auch mit dem Inhalt des bezughabenden Tagebuches nicht in Einklang bringen.
Grundlage für das Verfahren gegen den
damaligen Bundesminister für Inneres
bildete nämlich eine am 10. August 1995 bei der Staatsanwaltschaft Wien einge -
langte Sachverhaltsdarstellung des Parlamentsklubs der FPÖ. Weitere Eingaben
der FPÖ folgten. Einer Anzeigenbeschaffung zur Einleitung eines Strafverfahrens
bedurfte es daher nicht.
Zu 25 und 26:
Gegen die in der Anfrage genannte Staatsanwältin wurden daher keine disziplinar -
rechtlichen Schritte gesetzt, solche werden auch nicht in Aussicht genommen.
Zu 27 und 28:
Im Zuge der Erhebungen in der sogenannten „Spitzelaffäre“ wurde Ing. Peter
Westenthaler nicht einvernommen, zumal sich die für die Beurteilung des Sachver -
haltes erforderlichen Informationen bereits aus seiner im genannten Zivilverfahren
unter Wahrheitspflicht erfolgten Aussage ergaben. Nach seiner Darstellung im Zivil -
verfahren wurden die Unterlagen anonym übermittelt. Die Staatsanwaltschaft Wien
ist nach Einsicht in den bezughabenden Akt des Handeisgerichtes Wien in
Ansehung von Ing. Peter Westenthaler gemäß § 90 Abs. 1 StPO vorgegangen; eine
allfällige Strafbarkeit wäre jedenfalls auch verjährt.
Zu 29 und 30:
Laut Bericht der Staatsanwaltschaft Wien gab Hans - Jörg Schimanek sen. im Zuge
der Ermittlungen vor der Sonderkommission des Bundesministeriums für Inneres an,
dass er die die Causa „Ebergassing“ betreffende Aktenkopie im Jahr 1995 per Post,
anonym an den Parlamentsklub der FPÖ gerichtet, erhalten habe. Diese Aussage
deckt sich mit der in der Anfrage zitierten Aussage von Ing. Peter Westenthaler im
Verfahren 15 Cg 195/95h des Handelsgerichtes Wien, der davon sprach, dass die
Anzeige anonym übermittelt worden ist. Mag. Ewald Stadler gab hiezu vor der
Wirtschaftspolizei an, dass er diese Anzeigenkopie unabhängig von Hans - Jörg
Schimanek sen. von einem nicht genannten ORF - Journalisten erhalten hat. Seinen
Angaben zufolge hätten damals mehrere Journalisten über die Anzeige verfügt und
in Medienberichten daraus zitiert. Zielführende Anhaltspunkte zur Ausforschung der
für die Weitergabe der Anzeige in der Causa „Ebergassing“ verantwortlichen Perso -
nen ergaben sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Entschlagungsrech -
tes nach § 31 Abs. 1 MedienG nicht.
Im Lichte dieser Erhebungsergebnisse liegen keine Erkenntnisse vor, die geeignet
wären, die zeugenschaftlichen Angaben von
Ing. Peter Westenthaler im Verfahren
15 Cg 195/95h des Handeisgerichtes Wien zu entkräften. Mangels substanziierter
Verdachtslage und konkreter Anhaltspunkte bestand kein Anlass, gegen ihn Vorer -
hebungen wegen des Verdachtes des Vergehens der falschen Beweisaussage vor
Gericht gemäß § 288 Abs. 1 StGB einzuleiten. Da die betreffende Zeugenaussage
vor dem Handelsgericht Wien am 4. September 1995 abgelegt wurde, stünde einem
derartigen Verfahrensschritt überdies der Eintritt der Verjährung gemäß § 57 Abs. 3
(dritter Fall) StGB entgegen.
Zu 31:
Aus der Textpassage „weitere Aktion aufgebaut“ ergeben sich keine Anhaltspunkte
für ein strafrechtlich relevantes Substrat. Eine weitere Befragung hiezu hat die
Staatsanwaltschaft Wien daher nicht veranlasst.
Zu 32:
Der Staatsanwaltschaft Wien liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass
Ing. Peter Westenthaler Unterlagen illegal beschafft oder dabei eine „Schlüsselrolle“
gespielt hätte. Ing. Peter Westenthaler hat meines Wissens meiner ehemaligen
Rechtsanwaltskanzlei kein Informationsmaterial aus polizeilichen Quellen
übergeben.
Zu 33:
Zugleich mit dieser Äußerung habe ich erklärt, dass ich in keiner Form in die Unter -
suchungen eingreifen oder sie beeinflussen werde.
Zu 34:
Vorerhebungen sind die Folge von Anzeigen, gegen deren Einbringung sich der
Betroffene nicht zur Wehr setzen kann.
Zu 35:
Dr. Haider hat von mir keine Informationen im Zusammenhang mit dem in Rede
stehenden Strafverfahren erhalten.
Zu 36:
Nein.
Zu 37 und 38:
Ein solches Ersuchen habe ich nicht gestellt.
Zu 39:
Dem Bundesministerium für Justiz sind im Laufe des Verfahrens mehrere Einzelbe -
richte vorgelegt worden. Ich selbst wurde damit nicht befasst.
Zu 40:
Dienstgespräche im Sinne des Staatsanwaltschaftsgesetzes haben in diesem
Verfahren bisher nicht stattgefunden. Es gab lediglich ein Kontaktgespräch mit
Vertretern des Bundesministeriums für Inneres über die Verwendung des Staatsan -
waltes Dr. Fasching.
Zu 41 und 42:
Die Entsendung von Staatsanwaltschaft Dr. Fasching wurde im Kreis der Bundesre -
gierung besprochen. Er sollte durch zielgerichtete Unterstützung der Sonderkommis -
sion die komplexen Untersuchungen beschleunigen.
Zu 43 und 44:
Nein.
Zu 45 bis 50:
Auch diese Fragen betreffen nicht den Vollziehungsbereich des Bundesministers für
Justiz. Die darin enthaltenen Unterstellungen sind unrichtig.
Zu 51:
Ich behaupte nicht nur, meine Ex - Rechtsanwaltskanzlei nicht mehr zu führen, dies
entspricht vielmehr den Tatsachen. Der von meiner ehemaligen Kanzlei verwendete
Briefkopf entspricht dem lange vor meiner Ministerschaft abgeschlossenen Vertrag
mit meiner ehemaligen Partnerin und steht im Einklang mit dem Gesetz und einem
Vorschlag der Rechtsanwaltskammer für Wien.
Zu 52:
Laut Bericht der Staatsanwaltschaft Wien langten in den in der schriftlichen Anfrage
relevierten Causen drei Sachverhaltsdarstellungen namentlich bekannter Personen
und drei weitere anonyme Sachverhaltsdarstellungen, die jeweils nur auf Zeitungs -
artikel Bezug nahmen, ein.
Zu 53:
Ja. Die Ermittlungen sind bereits beendet, die
Anzeigen wurden zurückgelegt.
Zu 54:
Es ist dem Bundesministerium für Justiz berichtet worden. Mir persönlich wurden die
Akten nicht vorgelegt.
Zu 55:
Nach Vorliegen der Erhebungsergebnisse der Finanzlandesdirektion wurde das
Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien zur Einstellung gebracht.
Zu 56:
In diesem Verfahren wurde ich nicht als Zeuge einvernommen.