1777/AB XXI.GP
Eingelangt am: 19.3.2001
BUNDESMINISTERIUM
VERKEHR, INNOVATION
UND TECHNOLOGIE
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1788/J - NR/2001, betreffend Europäischer
Rat in Nizza - Auswirkungen auf nationale Politik, die die Abgeordneten Mag. Maier
und Genossen am 19. Jänner 2001 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt
zu beantworten:
Zu Frage 1:
Welche Position hat Österreich beim Europäischen Rat in Nizza Ihre
Ressortagenden betreffend eingenommen?
Antwort:
Für mein Ressort waren beim Europäischen Rat in Nizza im Rahmen der Frage der
Ausdehnung der qualifizierten Mehrheit die Behandlung der Artikel 71 Absatz 2 und
133 EGV von grundlegender Bedeutung.
In Bezug auf die Frage der Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips bei Art. 71 Abs. 2
EGV hat Österreich eine strikt ablehnende Haltung eingenommen. Art 71 Abs. 2
EGV sieht vor, dass Vorschriften "über die Grundsätze der Verkehrsordnung, deren
Anwendung die Lebenshaltung und ihre Beschäftigungs - lage in bestimmten
Gebieten sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen
könnte" einstimmig erlassen werden müssen.
Aufgrund der geographischen Lage und topographischen Besonderheit Österreichs
ist es von grundlegendem Interesse für Österreich, potentielle Belastungen für
Bevölkerung und Umwelt, die sich aus einer durch die Ausdehnung der
Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit resultierenden einfacheren
Beschlussfassung in diesem Bereich ergeben hätten, hintanzuhalten.
Auch im Hinblick auf Art. 133 EGV, der die Grundsätze für internationale
Verhandlungen und Übereinkünfte über Dienstleistungen und Rechte des geistigen
Eigentums regelt, lehnte Österreich aus den oben genannten Gründen und
Gefahren, die eine Ausdehnung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung auch auf
den Bereich der Verkehrsdienstleistungen mit sich gebracht hätte, die Aufgabe des
Einstimmigkeitsprinzips für den mein Ressort betreffenden Bereich ab. Es liegt im
grundlegenden Interesse Österreichs, eine Liberalisierung des Verkehrsbereichs im
Rahmen von Freihandels - bzw. Assoziierungsabkommen der EU mit Drittstaaten
hintanzuhalten.
Dies gilt neben dem Landverkehr insbesondere auch für den Bereich der Luftfahrt,
zumal ein mögliches Aufbrechen der bilateralen Verhandlungskompetenz über
Verkehrsrechte im Umweg der qualifizierten Mehrheit in Art. 133 EGV unabsehbare
Folgen gegenüber den bilateralen Verhandlungspartnern gehabt hätte.
Zu den Fragen 2 und 3:
Mussten in Nizza bei Angelegenheit Ihres Ressorts von der österreichischen Position
Abstriche vorgenommen werden? Wenn ja, in welchen konkreten Angelegenheiten?
Antwort:
Da das in Art. 71 Abs. 2 EGV verankerte Einstimmigkeitsprinzip unverändert im EG -
Vertrag beibehalten werden konnte, wurde den Anliegen meines Ressorts in diesem
Bereich voll entsprochen.
Gemäß Art. 133 EGV in der Fassung des Vertrages von Nizza hat die Gemeinschaft
zwar nunmehr die Kompetenz, Abkommen auf dem Gebiet der Dienstleistungen und
Handelsaspekte des geistigen Eigentums grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit
abschließen zu können, jedoch bleibt das Erfordernis der Einstimmigkeit für
Vorschriften, die gemeinschaftsintern einstimmig zu beschließen sind, bzw. Bereiche
betreffen, in denen die Gemeinschaft noch keine Rechtsakte erlassen hat und die
horizontale Fragen betreffen, erhalten.
Außerdem konnte Österreich gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten das für
Österreich wichtige Anliegen durchsetzen, dass die Aushandlung und der Abschluss
internationaler Abkommen im Verkehrsbereich vom Anwendungsbereich des Art. 133
nicht erfasst sind. Gemäß Art. 300 in Verbindung mit Titel V EGV ist in diesem
Bereich nach wie vor Einstimmigkeit erforderlich.
Im Ergebnis wurde der österreichischen Position, was die mein Ressort betreffenden
An liegen betrifft, somit entsprochen.
Zu Frage 4:
Welche Beschlüsse von Nizza haben Auswirkungen auf Ihre
Ressortangelegenheiten?
Antwort:
Da, wie bereits mehrfach betont, in Grundsatzfragen der Verkehrsordnung sowie
hinsichtlich der grundsätzlichen Frage der Liberalisierung des Verkehrsbereichs im
Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik weiterhin Einstimmigkeit herrschen muss,
bleibt für Österreich die Möglichkeit erhalten, sich in grundlegenden nationalen
Interessen in diesen Bereichen auch auf diese Bestimmung berufen zu können.
Hierdurch erhöhen sich grundsätzlich die Chancen, dass spezifische österreichische
Anliegen entsprechend berücksichtigt werden.
Allerdings konnte der für die Beschlussfassung von Galileo zuständige
Verkehrsministerrat (VMR) in seiner Sitzung am 20./21. Dezember 2000 trotz
intensivster Verhandlungen der Ratsentschließung keine Einigung erzielen. Dies
insbesondere aufgrund unterschiedlicher Auffassungen mit der Komission bezüglich
der kosten - und managementmäßigen
Umsetzung von Galileo.
Österreich hat alle innerstaatlichen Voraussetzungen zur Umsetzung des
entsprechenden Beschlusses von Nizza geschaffen (siehe MR - Beschluss vom
14.12.2000) und darüber hinaus aktiv und engagiert an den vorbereitenden
Verhandlungen auf eine einvernehmliche Lösung im Vrat hingearbeitet.
Ein neuerlicher Beschluss des VMR wurde auf die Sitzung am 4./5. April 2001
vertagt. Die entsprechenden Vorbereitungsarbeiten laufen auf
Ratsarbeitsgruppenebene; die technischen Aspekte werden auf der ESA Ebene
weiterbehandelt.
Zu den Fragen 5, 6 und 7:
Sind nun legislative Maßnahmen Ihres Ressorts notwendig, um den
Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates zu entsprechen?
Wenn ja, in welchen konkreten Angelegenheiten?
Gibt es für die Umsetzung ihrerseits bereits einen Zeitplan?
Antwort:
Die Schlussfolgerungen des Europäischen - Rates stellen eine politische Vorgabe dar,
die einer Umsetzung in den EU - Gremien bedürfen. Erst dann wird über allfällige
innerstaatliche Umsetzungsmaßnahmen zu entscheiden sein.
Zu Frage 8:
Welche Anliegen sollen Ihr Ressort betreffend beim nächsten Europäischen Rat
vertreten werden?
Antwort:
Für mein Ressort stellt insbesondere die Festschreibung einer nachhaltigen
Entwicklung der Verkehrspolitik ein wichtiges Anliegen dar. In einem
Hintergrundpapier des schwedischen Vorsitzes vom 16. Januar 2001 ist
diesbezüglich unter anderem ausgeführt, dass die Lage in den verschiedenen
Regionen der Gemeinschaft je nach Klima und Umweltbeeinträchtigungen
(Emissionen und Lärm) einerseits sowie Verkehrsaufkommen, Entwicklungsniveau
und Bedarf an Verkehrsinfrastruktur andererseits, unterschiedlich ist. Deshalb seien
differenzierte, regionalspezifische Maßnahmen erforderlich.
In diesem Zusammenhang stellt insbesondere auch die dauerhafte Sicherung der
aus der Anwendung des geltenden Ökopunktesystems resultierenden
Umweltverbesserungen ein wichtiges Thema für mein Ressort dar. Es wird in diesem
Zusammenhang auch darum gehen, das richtige Gleichgewicht zwischen den
Erfordernissen des Verkehrs einerseits und dem notwendigen Schutz der
Bevölkerung und der Umwelt andererseits zu finden, wobei im Sinne größt - möglicher
Glaubwürdigkeit dabei nicht nur die Situation in Österreich, sondern im gesamten
Alpenraum im Auge behalten werden sollte.
Zu Frage 9:
Wie schätzen Sie persönlich die Ergebnisse von Nizza ein?
Antwort:
Den Vorstellungen Österreichs betreffend Aushandlung und Abschluss internationaler
Abkommen im Verkehrsbereich wurde weitestgehend stattgegeben, sodass die
erzielten Ergebnisse als positiv zu beurteilen sind.