1840/AB XXI.GP
BUNDESMINISTERIUM
VERKEHR;INNOVATION
UND TECHNOLOGIE
Eingelangt am:30.03.2001
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1866/J - NR/2001, betreffend ÖBB, die die
Abgeordneten Dietachmayr und Genossinnen am 2. Februar 2001 an mich gerichtet
haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Zum Motiventeil:
Richtig ist, dass durch die EU - Richtlinie und mit der sich abzeichnenden
Liberalisierung die alten, mit nationalem Fokus ausgestatteten, europäischen
Eisenbahnen einem Ende zugehen. Dies gilt auch für die ÖBB. Eine stand alone
Strategie im Personen - Fernverkehr und im Güterbereich ist nicht überlebensfähig.
Die Unternehmensführung der ÖBB hat daher bereits entscheidende Weichen für die
Zukunft gestellt. Im Personen - Fernverkehr wurde in einem Letter of intent eine enge
Kooperation in der TEE Allianz mit DB - AG und SBB eingeleitet. Im Cargobereich
wurden eine Speditionsholding AG und eine Industriewaggon AG mit europäischer
Ausrichtung etabliert. Eine enge Kooperation mit der stärksten europäischen Bahn
(DB - AG) bei Lokomotiven (Traktion) ist weit fortgeschritten.
Falsch ist, dass die ÖBB 23 Mrd. ATS in Bürogebäude investieren. Richtig ist, dass
durch weitere Rationalisierungen und Standortkonzentrationen nicht
betriebsnotwendige Grundstücke frei werden, auf denen von privater Seite ein
Bauvolumen von ca. 20 - 25 Mrd. ATS umsetzbar wäre. Die ÖBB könnten durch
diese Projekte ihre Grundstücksvermögen signifikant aufwerten.
Die ÖBB wollen im Sinne höchster Mehrwerterzielung für ihre Grundstücke
entsprechende Widmungen erzielen, Immobilienprojekte aber nicht selbst entwickeln.
Die Nebenbahnproblematik orientiert sich einerseits an der erfolgreichen Situation in
der Schweiz (Kantonalbahnen), andererseits am Straßenbereich wo
Bundesstraße/Landstraße/Gemeindestraße differenziert sind.
Bei der Schiene ist zukünftig nicht einzusehen, wieso im Gegensatz zur Straße nur
der Bund alleine die Verantwortung tragen soll.
Zum Agieren in den Verkehrsverbünden ist festzuhalten, dass die ÖBB derzeit in
allen Verkehrsverbünden vertreten sind und sich vertragskonform verhalten.
Zu Frage 1:
Welche Chancen hat Helmut Draxler noch, um als ÖBB - Generaldirektor
wiederbestellt zu werden ? Welche Personen kommen aus welchem Grund als seine
Nachfolger in Frage?
Antwort:
Die Chancen von Herrn Dr. Helmut Draxler zum ÖBB - Generaldirektor wiederbestellt
zu werden hängen zum einen von seiner Teilnahme an der Ausschreibung um die
ausgeschriebene Stelle eines ÖBB - Vorstandsmitgliedes und zum anderen von der
Bewertung seiner Bewerbung ab.
Zu Frage 2:
Ist es richtig, dass bei der Besetzung des ÖBB - Aufsichtsrates und des
Kontrollgremiums oben genannte Kandidaten bestellt werden sollen um die bisher
"rote ÖBB" blau einzuführen? Falls nein, wie begründen Sie, dass die in den Medien
bisher genannten Personen alle der FPÖ nahestehen?
Antwort:
Die Beantwortung der Frage erübrigt sich aufgrund der Bestellung des
Aufsichtsrates, die diese Behauptungen klar widerlegen.
Zu Frage 3:
Wie sehen die konkreten Pläne über die Zukunft und Neustrukturierung der
ÖBB wirklich aus? Wird die ÖBB - so wie im Koalitionsabkommen vorgesehen
- in eine Infrastruktur - und in eine Bahn - AG zerschlagen?
Antwort:
Ich darf auf das Koalitionsabkommen verweisen, in welchem eine institutionelle
Trennung der Bereiche Infrastruktur und Absatz festgeschrieben ist, von zerschlagen
ist keine Rede.
Zu Frage 4:
Ist das Argument von Generaldirektor Draxler richtig, dass die Trennung von
Infrastruktur und Absatz volkswirtschaftlich nicht sinnvoll ist und die Spaltung der
ÖBB den Verlust von Synergieeffekten in Höhe von einer Milliarde Schilling bedeuten
würde? Falls nein, warum nicht?
Antwort:
Dieses Argument ist dahingehend zu relativieren, dass die Österreichischen
Bundesbahnen schon jetzt de facto getrennt sind (rechnerische, personelle und
organisatorische Trennung), die auch gesellschaftsrechtliche Trennung bis auf die
einmaligen Spaltungskosten daher keine laufenden Zusatzkosten verursacht.
Zu Frage 5:
Wie beurteilen Sie das Modell von Helmut Falschlehner, das drei
Aktiengesellschaften vorsieht?
Antwort:
Dies ist im Falle einer institutionellen Trennung eine von mehreren Möglichkeiten.
Zu Frage 6:
Wie beurteilen Sie die Pläne von Generaldirektor Draxler, die ÖBB „zum größten
Immobilienentwickler Österreichs“ zu machen, mit dem Ziel, den Wert der
Liegenschaften wesentlich zu steigern und dann
zu verkaufen?
Antwort:
Dies ist sein persönliches Ziel, zu dem er die Zustimmung der übrigen
Vorstandskollegen, des Aufsichtsrates und der Generalversammlung benötigt.
Die ÖBB wollen jedenfalls im Sinne höchster Mehrwerterzielung für ihre Grundstücke
entsprechende Widmungen erzielen.
Zu den Fragen 7 und 8:
Wieviel Geld hat die ÖBB wirklich für die sogenannte "Bahnhofsoffensive"?
Ist es richtig, das nur mehr maximal elf Bahnhöfe gebaut werden? Falls ja, welche
Bahnhöfe sind dies und wieviel Geld steht konkret für jedes Bahnhofsprojekt zur
Verfügung?
Antwort:
Bisher wurden den ÖBB im Rahmen der Bahnhofsoffensive Vorhaben mit einem
Gesamtinvestitionsvolumen von rd. 3,5 Mrd. ATS übertragen von denen erst weniger
als 10 % in Anspruch genommen wurden. Aufgrund der von der Bundesregierung
vorgesehenen Budgetkonsolidierung und des vorgegebenen Finanzierungsrahmens
der SCHIG ist es erforderlich, sämtliche bereits übertragenen und damit
ausfinanzierten Vorhaben einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die im Rahmen
der Bahnhofsoffensive vorgesehenen Bahnhofsum - und - neubauten sind dabei
unter dem Aspekt einer zweckdienlichen und behindertengerechten Ausgestaltung
zu beurteilen, so dass entsprechende Redimensionierungen der einzelnen Vorhaben
möglich sein sollten. Erst nach Vorliegen der diesbezüglichen
Untersuchungsergebnisse kann eine Aussage darüber getroffen werden, welche
Bahnhöfe mit welchem Investitionsvolumen umgebaut werden.
Zu den Fragen 9 bis 11:
Wird sich der vierspurige Ausbau der Westbahn wirklich massiv verzögern? Falls ja,
warum, bei welchem Streckenabschnitten und um wie viele Jahre?
Wie wollen Sie das Geld für den wichtigen Ausbau der Transeuropäischen Netze
aufbringen, wenn bereits jetzt kein Geld für Investitionen ins Schienennetz
vorhanden ist?
Welche konkreten Ausbauvorhaben im Bereich des Schienennetzes werden
aufgrund bzw. trotz der Änderungen im Bereich der ÖBB nun tatsächlich in den
nächsten 5 Jahren in Angriff genommen und wie sollen diese finanziert werden?
Antwort:
Wie ich bereits zu den Fragen 7 und 8 ausgeführt habe, werden sämtliche bereits
übertragenen Vorhaben einer kritischen Prüfung unterzogen, um durch mögliche
Umschichtungen mit den vorhandenen Mitteln dringlich erforderliche Projekte
realisieren zu können. Erst nach Vorliegen der Untersuchungsergebnisse kann eine
konkrete Aussage über die in den nächsten Jahren zu realisierenden
Ausbauvorhaben im Bereich des Schienennetzes getroffen werden. Die
Fertigstellung des Westbahnausbaues wird dabei höchste Priorität besitzen.
Durch die Entwicklung möglicher Umschichtungsszenarien innerhalb des SCHIG -
Finanzierungsrahmens soll mit den derzeit vorhandenen Mitteln die bestmögliche
Netzwirkung erzielt werden. Mittelfristig ist es sicherlich erforderlich, für den weiteren
Ausbau der Schieneninfrastruktur wie auch für die Basisinvestitionen in das
Bestandsnetz entsprechende Finanzmittel
bereitzustellen.
Zu Frage 12:
Wie stehen Sie zu den Plänen von Generaldirektor Draxler sämtliche Nebenbahnen
den Ländern oder Privaten zu überantworten? Welche Nebenbahnen sollen
tatsächlich den Ländern oder Privaten überantwortet werden?
Antwort:
Von den ÖBB wurden folgende Nebenbahnen zur Einstellung des Personen -
undloder Güterverkehrs beantragt:
1. Freiland - Türnitz
2. Weitersfeld - Drosendorf
3. Siebenbrunn - Leopoldsdorf - Engelhartstetten
4. Mürzzuschlag - Neuberg Ort
5. Göpfritz - Raabs
6. Ernstbrunn - Mistelbach Lb.
7. Poysdorf Lst - Dobermannsdorf
8. Wietersdorf Hast - Hüttenberg H - Lst
9. St. Paul - Lavamünd H - Lst
10. Gmünd N.Ö. - Groß Gerungs
11. Gmünd N.Ö. - Litschau
12. Rohr - Bad Hall
13. Weizelsdorf Ferlach
14. Zell am See - Krimml
15. St. Pölten - Mariazell und Ober Grafendorf - Wieselburg an der Erlauf
16. Waidhofen an der Ybbs - Lunz am See und Gstadt - Ybbsitz
17. Staatsgrenze nächst Ehrwald Zugspitzbahn - Staatsgrenze nächst Schönbichl
Die Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft wurde daher vom Bundes -
ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie beauftragt für diese
Nebenbahnstrecken eine öffentliche Interessenten suche durchzuführen.
Auf der Strecke Ehrwald - Schönbichl führt seit Kurzem die Deutsche Bahn AG den
Personenverkehr im Auftrag des Landes Tirol, für die Krimmler Bahn, die Mariazeller -
und die Ybbstalbahn gibt es schon weit gediehene Vorgespräche über eine
Privatisierung. Für Strecken, für die sich kein Interessent findet, wird in jedem Fall
eine Busbedienung garantiert sein, der sogar noch eine bessere Bedienungsqualität
als die Bahn bieten wird.
Zu Frage 13:
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die versteckten Tariferhöhungen, die am 1.
Jänner 2001 in Kraft getreten sind wieder rückgängig gemacht werden1 da viele
(insbesondere auch ältere) Bahnkunden über kein Internet verfügen? Falls nein,
warum nicht?
Antwort:
Grundsätzlich möchte ich dazu folgendes feststellen:
Das Unternehmen ÖBB wurde mit dem Bundesbahngesetz (BBG 92) ab 1.1.1993
hinsichtlich seines Absatzbereiches, also des Personen - und Güterverkehres, in die
wirtschaftliche Unabhängigkeit entlassen. Aufgrund der zwingenden gesetzlichen
Bestimmungen des § 1 BBG 92 obliegt daher die Tarifgestaltung im Personen - und
Güterverkehr sowie die Führung oder Nicht - Führung von Zügen der ausschließlichen
Entscheidung des Managements der ÖBB (kaufmännischer Bereich). Dies ergibt sich
sinngemäß auch aus dem Eisenbahngesetz, da durch die Änderung von § 22 mit
1.1.1993 die Mitwirkung des Hauptausschusses des Nationalrates in
Tarifangelegenheiten der Eisenbahnen aufgehoben wurde.
Einflussnahmen durch den Verkehrsminister sind daher nicht möglich. Das ehemals
weit gefasste Weisungsrecht des Bundesministers ist gemäß § 12 BBG 92 auf
allgemeine verkehrspolitische Grundsatzweisungen und auf Anweisungen im
Katastrophenfall eingeschränkt worden.
Ebenso unterliegt die Wahl von Geschäftsfeldern oder Marktstrategien der freien
Entscheidung des Managements der ÖBB (Vorstand) und wird nur durch die
Grenzen der Geschäftsordnung des Vorstandes eingeschränkt, die bestimmte
Tätigkeiten und Maßnahmen von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig
machen kann. Ausnahmen sind - wie oben erwähnt - nur in den sehr
eingeschränkten Fällen des § 12 BBG (Verkehrspolitische Weisung und Weisung im
Falle von Naturkatastrophen) möglich. Solche Weisungen sind jedoch auch durch
den Weisungsgeber (= Bund) in jedem Einzelfall anzuordnen und auch gesondert an
die ÖBB zu bezahlen.
Die von mir mit der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage befassten
Österreichischen Bundesbahnen nahmen zu den Fragen wie folgt Stellung:
Entsprechend den Vorgaben des vom Nationalrat beschlossenen Bundesbahngesetz
1992 sind die ÖBB nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen und zu betreiben
und daher auch gezwungen, ihre Leistungen betriebswirtschaftlich zu optimieren.
Das unterschiedliche Ermäßigungsausmaß für Inhaber einer VORTEILScard (50 %
bzw. 45 %) bedeutet keinesfalls eine Ungleichbehandlung der ÖBB - Kunden.
Geboten wird gleichsam ein 5 % - Bonus für Kunden, die ihr Reiseticket im Wege der
Selbstausstellung (Internet, Handy - Ticketing, Fahrkartenautomat) lösen.
Der neue spezielle Ermäßigungssatz von 45 % (bei Kauf eines Tickets via
Bahnhofsschalter, Reisebüro, Zugbegleiter) betrifft alle ab dem 01.01.2001
ausgestellten VORTEILScards.
Kunden mit bereits vorher gelösten VORTEILScards behalten selbstverständlich bis
zum Ablauf der Gültigkeit die ursprünglichen Konditionen (50 % Ermäßigung). Der
Bund hat via Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen nur einen Einfluss auf den
Abgabepreis der VORTEILScard, nicht aber auf das darauf gewährte
Ermäßigungausmaß.
Angemerkt wird von den ÖBB, dass diese noch im Jahr 2001 eine neue
kundenfreundliche Generation von Fahrkartenautomaten in den Dienst stellen. Diese
Geräte zeichnen sich insbesondere durch eine vereinfachte Bedienungsweise aus.
Auf dem Tarifsektor sind laut ÖBB folgende neue Verbesserungen hervorzuheben:
- Mit 01.01.2001 bieten die ÖBB Jugendlichen unter 26 Jahren die ,,ÖBB -
VORTEILScard unter 26“ zum Preis von S 250,-- anstatt S 1290,-- an.
- Mit 02.04.2001 offerieren die ÖBB im Rahmen der VORTEILScard für
Senioren ein neues spezielles Haus - Haus - Gepäckangebot. Statt S 170,-- für 1
Gepäckstück bzw. S 230,-- für 2 Gepäckstücke zahlen Senioren mit
VORTEILScard dann nur noch S 120,-- bzw. S 170,--.
Ergänzend wird von den Österreichischen Bundesbahnen festgestellt, dass größere
Ermäßigungen bei automatisierten Vertriebswegen (insbesondere Internet) im
Vergleich zum bedienten Service in Dienstleistungsbranchen absolut üblich sind (z.B.
Internet - Banking).
Zu den Fragen 14, 15 und 16:
Wie sieht die Zukunft der ca. 50.000 Eisenbahner konkret aus? Was erwartet diese
nach einer von ÖVP und FPÖ geplanten Trennung der Bereiche Infrastruktur und
Absatz?
Wie viele Eisenbahner müssen tatsächlich um ihren Job fürchten und wie soll der
Personalabbau konkret erfolgen?
Ist es richtig, dass eine Sonderzuweisung für Kärnten (Jörg Haider bekommt 3,5
Milliarden Schilling für seine Verkehrsprojekte) eine Vorbedingung für die Bildung einer
Koalition mit der Volkspartei gewesen ist? Falls nein, wieso wurde dies in den Medien
berichtet (siehe z.B. OÖ. Nachrichten, 20. Jänner 2001) und wieso haben Sie ihm die
3,5 Milliarden Schilling trotz Sparmaßnahmen zugesagt)?
Antwort:
Eine Änderung der bisherigen Personalpolitik ist nicht erforderlich, d.h. weitere
Rationalisierungsmaßnahmen und Produktivitätssteigerungen sind im Rahmen der
Entwicklung des Unternehmens unumgänglich. Bereits jetzt sind die Bereiche
Infrastruktur und Absatz organisatorisch getrennt, d.h. auch in der Personalzuteilung.
Die den Ausbau der Schieneninfrastruktur betreffenden Vorhaben wurden bereits
durch meine Amtsvorgänger zur Planung und/oder Durchführung übertragen und
sind seither auch finanziell bedeckt, so dass von einer Sonderzuweisung für Kärnten
keine Rede sein kann. Der Kostenrahmen für die Planung der Koralmbahn Graz -
Klagenfurt wurde sogar um 500 Mio. ATS reduziert.