1912/AB XXI.GP
Eingelangt am: 12.04.2001
DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
zur Zahl 1904/J - NR/2001
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Andrea Kuntzl, Genossinnen und Genos -
sen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „das Vorgehen der Justiz in
den Causen Haider und Stadler im Zusammenhang mit der sogenannten Spitzelaf -
färe“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
Das strafgerichtliche Vorverfahren ist nicht öffentlich, weil der Schutz der Zwecke
des Verfahrens und der Schutz der Rechte jener Personen, die in strafrechtliche
Untersuchung gezogen sind, in diesem Verfahrensabschnitt Vorrang gegenüber
dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit hat. Die Erteilung von Auskünften muss
daher von den Justizpressestellen in dem Bereich, wo es um Inhalte des Vorverfah -
rens geht, restriktiv gehandhabt werden.
Am 29.11.2000 haben die Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien und der Staats -
anwaltschaft Wien im Rahmen einer Pressekonferenz die Medien - soweit dies unter
Einhaltung der zu oben Punkt 1 dargelegten Prinzipien möglich war - über den
Gegenstand und den Verlauf des genannten Strafverfahrens in Kenntnis gesetzt. Im
Übrigen gab es am 5.2.2001 eine öffentliche Erklärung des Leitenden Oberstaatsan -
waltes Hofrat Dr. Friedrich Schindler gegenüber der Presse und dem ORF über die
Gründe, weswegen das Strafverfahren gegen Dr. Haider und andere eingestellt
wurde.
Da die Sichtung und Bearbeitung der äußerst umfangreichen polizeilichen Ermitt -
lungsergebnisse durch die Staatsanwaltschaft
Wien eines gewissen zeitlichen
Aufwandes bedurfte, war in dieser Zeit eine Einsicht in die Unterlagen durch die
Verteidiger nicht möglich.
Zu 3:
Der § 91 Abs. 1 StPO überlässt es - abgesehen von wenigen hier nicht in Frage
kommenden Fällen - dem Ermessen des Staatsanwaltes, ob er die Einleitung der
Voruntersuchung oder Vorerhebungen beantragt. Sind erst die nötigen Anhalts -
punkte zu gewinnen, ob gegen eine bestimmte Person ein Strafverfahren einzuleiten
ist oder nicht, bedient er sich grundsätzlich der im § 88 Abs. 1 StPO erwähnten
Vorerhebungen. Im Übrigen entspricht es der österreichweit geübten staatsanwalt -
schaftlichen Praxis, Anträge auf Einleitung der Voruntersuchung zunehmend auf
jene Fälle zu beschränken, in denen die Voruntersuchung obligatorisch ist.
Der Wert der Voruntersuchung wird seit Jahren vor allem von der Lehre in Frage
gestellt, die gerichtliche Voruntersuchung wird auch nach der in Aussicht genomme -
nen Reform des strafprozessualen Vorverfahrens künftig nicht mehr dem Rechtsbe -
stand angehören. In diesem Zusammenhang kann ich darauf hinweisen, dass der
Rechtsanwalt Dr. Richard Soyer, dessen Äußerungen in der Zeitschrift „Falter“ die
Grundlage für diese parlamentarische Anfrage bilden, selbst wiederholt für die
Beseitigung des richterlichen Vorverfahrens eingetreten ist und etwa im Rahmen
einer Enquete im Parlament im November 1995 unter dem Titel „Reform des straf -
prozessualen Vorverfahrens - eine Chance für den Rechtsstaat“ erklärt hat: „Die
parlamentarische Verabschiedung der richterlichen Voruntersuchung sollte daher
ehestbaldigst durchgeführt werden“ (siehe Juristische Schriftenreihe Band 96,
Strukturreform des Vorverfahrens, Seite 16). Umso mehr muss es verwundern, dass
Dr. Soyer in seiner öffentlichen Kritik an dem vorliegenden Strafverfahren auf
Argumente zurückgreift, die er selbst in der Diskussion bereits verworfen hat.
Zu 4:
Nein.
Zu 5:
Nein.
Zu 6:
Entfällt.
Zu 7:
Es hat weder formelle noch informelle, auf den Inhalt des Strafverfahrens abzie -
lende Gespräche zwischen Organen des Bundesministeriums für Justiz und der
Oberstaatsanwaltschaft Wien gegeben. Die Meinungsbildung im Bereich der
Oberstaatsanwaltschaft Wien erfolgte ausschließlich auf Grund der von der Staats -
anwaltschaft Wien unter gleichzeitiger Vorlage der Erhebungsergebnisse erstatteten
Berichte.
Zu 8:
Entfällt.
Zu 9:
Es trifft nicht zu, dass das Bundesministerium für Justiz als rechtliche Kontrollinstanz
ausgefallen wäre. Die zuständigen staatsanwaltschaftlichen Behörden haben dem
Bundesministerium für Justiz gemäß den Bestimmungen des Staatsanwaltschafts -
gesetzes Bericht erstattet. Diese Berichte wurden von der zuständigen Sektion im
Bundesministerium für Justiz unter Berücksichtigung der Erhebungsergebnisse
geprüft.
Vom Problem der Befangenheit kann im Einzelfall jedes Verwaltungsorgan und
daher auch jeder Bundesminister betroffen sein. Nach den Bestimmungen des § 7
AVG haben Verwaltungsorgane im Fall der Befangenheit ihre Vertretung zu veran -
lassen. Das ist im konkreten Fall geschehen und zwar durch Betrauung des Leiters
der zuständigen Fachsektion. Die Situation einer Befangenheit könnte sich genauso
für den Generalprokurator oder einen Bundesstaatsanwalt ergeben, sodass sich in
diesen Bereichen ebenso die Frage einer Vertretungsregelung stellen würde.
Im Übrigen stehen nicht nur ich, sondern auch namhafte Vertreter der österreichi -
schen Justiz - ich nenne in diesem Zusammenhang etwa den Präsidenten des
Obersten Gerichtshofes i.R. Prof. Dr. Herbert Steininger - der Idee ablehnend
gegenüber, dem Generalprokurator, der kein Vertreter einer Strafverfolgungsbe -
hörde und somit nicht Vorgesetzter einer anderen staatsanwaltschaftlichen Behörde
ist, Weisungsbefugnisse zu übertragen. Er steht nach seiner rechtsstaatlichen
Konzeption außerhalb des hierarchischen Gefüges der Staatsanwaltschaft und ist
vornehmlich der Wahrung der korrekten Rechtsanwendung verpflichtet. Meine
Haltung zur Idee der Schaffung eines
Bundesstaatsanwaltes habe ich in der Beant -
wortung der schriftlichen Anfrage der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz,
Freundinnen und Freunde zur Zahl 1738/J - NR/2001 dargelegt.