1937/AB XXI.GP
Eingelangt am: 18.04.2001
Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1953/J betreffend
EU - Richtlinie zur Behindertengleichstellung, welche die Abgeordneten Haidlmayer,
Freundinnen und Freunde, am 21. Februar 2001 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 bis 3 der Anfrage:
Derzeit findet erst eine allgemeine Diskussion über mögliche Umsetzungsstrategien
statt, da die Richtlinie 2000118/EG vor kurzem beschlossen wurde und auch der Be -
schluss für eine Änderung der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grund -
satzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf
die Arbeitsbedingungen noch dieses Jahr erwartet wird. Das Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit hat die Absicht, für seinen Kompetenzbereich - soweit noch
nicht erfolgt - aus Gründen der Kohärenz und Verwaltungsvereinfachung, die Vorbe -
reitungsarbeiten für die Umsetzung beider Richtlinien, gleichzeitig in Angriff zu neh -
men.
Die Forderungen des Artikels 5 der Richtlinie 2000/78/EG wurden im österreichi -
schen Arbeitnehmerschutzrecht (Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeit -
nehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit)
bereits im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz
(ASchG), BGBl. Nr. 450/1994, und in der Arbeitsstättenverordnung (AStV), BGBl. II
Nr. 368/1998, zur Gänze erfüllt.
Mit diesen Vorschriften wurden die Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitsplätze und
Arbeitsstätten behindertengerecht zu gestalten, sofern sie behinderte Arbeitnehmer
beschäftigen. Auch sind im Rahmen der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren -
der so genannten “Evaluierung” - gefährdete oder schutzbedürftige Arbeitnehmer
besonders zu berücksichtigen. Dabei ist auch insbesondere zu ermitteln und zu be-
urteilen, inwieweit sich an bestimmten Arbeitsplätzen oder bei bestimmten Arbeits -
Vorgängen spezifische Gefahren für Arbeitnehmer ergeben können, für die ein be -
sonderer Personenschutz besteht, wobei auch Vorkehrungen für absehbare Be -
triebsstörungen und für Not - und Evakuierungsmaßnahmen zu treffen sind. Weiters
sind die Arbeitgeber dazu verpflichtet, bei der Übertragung von Aufgaben an Arbeit -
nehmer deren Eignung in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz zu berück -
sichtigen, wobei u.a. insbesondere auf Konstitution und Körperkräfte Rücksicht zu
nehmen ist.
Darüber hinaus enthält das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz aber auch noch eine
weitere Regelung, die konkret auf die besondere Situation behinderter Arbeitnehmer
abstellt: Danach ist bei Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer auf deren Zustand
jede mögliche Rücksicht zu nehmen und hat das Arbeitsinspektorat ihre Beschäfti -
gung mit Arbeiten, die aufgrund ihres Zustands eine Gefahr für sie bewirken können,
durch Bescheid zu untersagen oder von bestimmten Bedingungen abhängig zu ma -
chen. Das Zentral - Arbeitsinspektorat hat mir in diesem Zusammenhang berichtet,
dass die verantwortungsvolle und engagierte Tätigkeit der Arbeitsinspektionsärzte,
die im Interesse eines effizienten arbeitsmedizinischen Schutzes der behinderten
Arbeitnehmer vorrangig mit der Vollziehung dieser Regelung betraut sind, auf sehr
große Zustimmung und Anerkennung der Behindertenverbände und der Behinder -
tenvertrauenspersonen stößt.
In der Arbeitsstättenverordnung wird den Arbeitgebern, die Behinderte beschäftigen,
die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten nach den Grundsätzen der ÖNORM
B 1600 verpflichtend auferlegt. Darüber
hinaus ist in dieser Verordnung aber auch
zwingend vorgeschrieben, dass bei Arbeitsstätten, die neu geplant oder errichtet
werden, grundsätzlich bereits bei der Planung darauf Bedacht zu nehmen ist, dass
die Arbeitsstätten barrierefrei gestaltet werden oder eine nachträgliche Adaptierung
leicht erfolgen kann, und zwar auch dann, wenn im Zeitpunkt der Inbetriebnahme der
neuen Arbeitsstätte noch keine behinderten Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Durch alle diese Regelungen ist im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG im geltenden
Arbeitnehmerschutzrecht bereits umfassend sichergestellt, dass behinderte Men -
schen in völlig gleicher Weise wie nicht behinderte - in Ausübung ihres Berufs kei -
nen Gefahren für Leben und Gesundheit ausgesetzt sind und sich durch ihre Behin -
derung keine berufliche Diskriminierung ergeben kann.
Darüber hinaus wurde zur bewussten Förderung der Einstellung behinderter Perso -
nen im Rahmen der Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl. I Nr. 12/99,
mit der Arbeitgeber für Arbeitsstätten, in denen nicht mehr als 50 Arbeitnehmer be -
schäftigt werden, die kostenlose Inanspruchnahme der sicherheitstechnischen und
arbeitsmedizinischen Betreuung durch den zuständigen Unfallversicherungsträger
ermöglicht wurde, auch auf die Beschäftigung von behinderten Arbeitnehmer beson -
ders Bedacht genommen: Wird nämlich die Schlüsselzahl von 50 Arbeitnehmer in
einer Arbeitsstätte nur deshalb überschritten, weil in der Arbeitsstätte begünstigte
Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes beschäftigt werden, so
kann der Arbeitgeber die kostenlose sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische
Betreuung durch die Unfallversicherung auch dann in Anspruch nehmen, wenn er bis
zu 53 Arbeitnehmern in der Arbeitsstätte beschäftigt.
Hinsichtlich Vorkehrungen für behinderte Personen gelten folgende Bestimmungen
des Berufsausbildungsgesetzes:
Die in § 8b des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) geregelten Vorlehre trifft Vorsorge
zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Jugendlichen mit persönli -
chen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben. Zur Erreichung dieses Ziels
kann die Vermittlung des Bildungsinhaltes des ersten Lehrjahres eines Lehrberufes
auf bis zu zwei Jahre ausgedehnt werden, um
für diese Personen den Antritt eines in
der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufs oder den Übertritt in einen in der Lehrbe -
rufsliste angeführten Lehrberuf zu erleichtern. Die Höchstdauer von zwei Jahren
kann auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Vorlehreberechtigten und dem
Vorlehrling bzw. dessen gesetzlichen Vertreter um ein weiteres Jahr verlängert wer -
den, wenn dies im Interesse der Ausbildung des Vorlehrlings gelegen ist.
Nach Absolvierung der Vorlehre ist ein Zeugnis über die in der Vorlehre erworbenen
Qualifikationen auszustellen.
§ 21 BAG legt den Zweck der Lehrabschlussprüfung fest und bestimmt, dass die
Lehrlingsstellen dafür zu sorgen haben, dass die Lehrlingen nach Abschluss ihrer
Lehrzeit die Lehrabschlussprüfung ablegen können. Weiters werden den Lehrlings -
stellen verschiedene Pflichten zur organisatorischen Sicherstellung eines reibungslo -
sen Prüfungsablaufs auferlegt. Aus den Bestimmungen ergibt sich auch, dass die
Lehrlingsstellen die geeigneten Maßnahmen zur Durchführung der Lehrabschluss -
prüfung bei Behinderten zu treffen haben.
§ 23 Abs. 5 und 6 BAG ermöglichen auch Personen mit Behinderung die Ablegung
der Lehrabschlussprüfung im sog. “Zweiten Bildungsweg”, ohne dass vorher eine
formelle Lehrausbildung absolviert worden sein muss. Gemäß dieser Bestimmung
hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Grund eines Antrages auch ohne Nachweis
der Zurücklegung einer Lehrausbildung einen Prüfungswerber nach Anhörung der
Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der Kammer für Arbeiter und Ange -
stellte zur Lehrabschlussprüfung zuzulassen, wenn dieser das 20. Lebensjahr voll -
endet hat und glaubhaft macht, dass er auf eine andere Weise die im betreffenden
Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse, beispielsweise durch eine ent -
sprechend lange und einschlägige Anlerntätigkeit oder sonstige praktische Tätigkeit
oder durch den Besuch von Kursveranstaltungen erworben hat. Personen, die die
erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse oder eine Teil davon im Wege von Maß -
nahmen zu ihrer Rehabilitation erworben haben, sind ohne Rücksicht auf das ge -
nannte Mindestalter zur Lehrabschlussprüfung zuzulassen.
In verschiedenen besonderen selbständigen Ausbildungseinrichtungen gemäß § 30
des Berufsausbildungsgesetzes wird schon
derzeit bei der Ausbildung von behin -
derten Personen auf die dabei erforderlichen Ausbildungsmethodik und Ausbil -
dungspädagogik Rücksicht genommen.
Im Bereich der Gewerbeordnung 1994 ist auf die Bestimmung des § 350 Abs. 4a
hinzuweisen, wonach bei behinderten Prüfungskandidaten, sofern die Behinderung
die Ablegung der Prüfung überhaupt zulässt, auf die Gebrechen des Behinderten in
besonderer Weise Bedacht zu nehmen ist.
Im übrigen verweise ich auf die umfangreichen Maßnahmen (gesetzliche Bestim -
mungen und ÖNORMEN) im Bereich des Bundeshochbaus und des Vergabewe -
sens.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass für die Umsetzung der Richtlinie
2000/78/EG soweit sie Behindertengleichstellung im Bund betrifft, der Bundesminis -
ter für soziale Sicherheit und Generationen zuständig ist.