1942/AB XXI.GP
Eingelangt am: 19.04.2001
BUNDESMINISTERIUM
VERKEHR, INNOVATION
UND TECHNOLOGIE
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1926/J - NR/2001, betreffend EU -
Erweiterung, die die Abgeordneten Dr. Bauer und Genossinnen am 19. Februar 2001
an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Fragen 1 und 2:
Welche Maßnahmen sind zum Ausbau der österreichischen Verkehrs - und
Kommunikationsinfrastruktur im Zuge der geplanten EU - Erweiterung beabsichtigt?
Mit welchen konkreten Maßnahmen soll Österreichs Funktion als TEN - Knoten
gestärkt werden?
Antwort:
Alle Eisenbahnstrecken in Österreich mit hoher internationaler Bedeutung wurden
durch Verordnungen der Bundesregierung bereits im Zeitraum zwischen 1989 und
1997 zu Hochleistungsstrecken gemäß § 1 Absatz 1 des
Hochleistungsstreckengesetzes 1989 erklärt und sind Bestandteil der
Transeuropäischen Netze (TEN). Sie sind weiters im „European Agreement On Main
International Railway Lines“ (AGC) und im „European Agreement On Important
International Combined Transport Lines And Related Installations“ (AGTC) der
UN/ECE enthalten.
Durch mein Ressort wurde von Anbeginn größter Wert darauf gelegt, dass im
Rahmen der Erarbeitung der "Transeuropäischen Netze" (TEN) nicht nur die bereits
im so genannten „Transitvertrag“ und im Beitrittsvertrag zwischen Österreich und der
Europäischen Union verankerten Hauptachsen durch Österreich, sondern auch alle
wichtigen Schienenanbindungen zu den Reformstaaten als „im gemeinsamen
(europäischen) Interesse“ eingestuft werden. Im Vorlauf der Erweiterung der
Europäischen Union hatte weiters der TINA - Prozess („Transport Infrastructure Needs
Assessment“) die multimodalen paneuropäischen Korridore zu bewerten. Das „TINA -
Netz“ schließt an die TEN - Netze für Schiene und Straße an.
Seitens meines Ressorts ist somit bestmöglich Vorsorge getroffen worden, dass EU -
Mittel im höchstmöglichen Ausmaß angesprochen werden können. All dies wird in
dem bereits in Bearbeitung befindlichen
Generalverkehrsplan berücksichtigt.
Im Zusammenhang mit der Kommunikationsinfrastruktur ist zu betonen, dass mit der
Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes dem öffentlichen Sektor eine
ordnungspolitische Funktion - die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen,
die Regulierung des Marktes und im Rahmen dieser sektorespezifischen
Regulierung durch den unabhängigen Regulator die Marktkaufsicht - zukommt. Der
Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur ist Angelegenheit des privaten Sektors.
Weiters kann ich für den Telekommunikationsbereich auf das EU - Programm TEN -
Telekom hinweisen; im Rahmen dieses Programms wird die Markteinführung
transeuropäischer Informations - und Kommunikationsdienste gefördert nicht jedoch
der Ausbau von Infrastrukturen. Die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen für dieses
Förderprogramm gestatten keine direkte Förderung von Unternehmen aus den
Beitrittsländern. Eine Förderung ist derzeit nur auf Umwegen über
Finanzierungsquellen der EU für den Zweck der Erweiterung möglich. Im Zuge der
Überarbeitung des rechtlichen Rahmens für TEN - Telekom auf Gemeinschaftsebene
im Jahr 2001 wird Österreich für eine Ausdehnung der direkten Fördermöglichkeiten
aus TEN - Telekom auf Unternehmen der Beitrittsländer eintreten.
Fragen 3 und 5:
Wie soll das durch die EU - Erweiterung prognostizierte stark steigende
Verkehrsaufkommen bewältigt werden?
Welche Alternativen planen Sie für den Wegfall der Beschränkung des Transits
durch Österreich auf der Straße mittels Kontingentpolitik durch die geplante EU -
Erweiterung?
Antwort:
Nicht nur die geplante Erweiterung der Union sondern auch das Auslaufen der
Regelungen des Protokolls Nummer 9 mit 31.12.2003 bilden die
Rahmenbedingungen für eine langfristige Lösung der Problematik des
Transitverkehrs in und durch Österreich. Es gilt sicherzustellen, dass die sich aus der
Anwendung des Ökopunktesystems ergebenden Umweltverbesserungen dauerhaft
gesichert werden.
An der Formulierung einer entsprechenden Strategie wird zur Zeit intensivst in
meinem Ressort gearbeitet. Außerdem gibt es Gespräche mit allen EU -
Mitgliedstaaten, deren Zustimmung für eine entsprechende Lösung der
österreichischen Transitproblematik nach Auslaufen des Ökopunktesystems Ende
2003 erforderlich ist, um diese für die spezifischen österreichischen Anliegen in
diesem Zusammenhang zu sensibilisieren.
Die anzustrebende langfristige Lösung der Transitproblematik könnte zum Beispiel
aus einem Gesamtpaket bestehen, das unter stärkerer Berücksichtigung von
sensiblen Gebieten für diese spezifische Maßnahmen zu ergreifen möglich macht.
Frage 4:
Welche Maßnahmen werden Sie auf bilateraler Ebene setzen, um die Veränderung
des Modal - Split in den Kandidatenländern im Bereich des Güterverkehrs von Straße
Richtung Schiene zu verändern?
Antwort:
Um Veränderungen des Modal Sput in den Kandidatenländern entgegenzuwirken
werden auf bilateraler Ebene durch moderne verkehrsträgerübergreifende
Abkommen mit den Oststaaten (Abkommen enthalten immer auch Maßnahmenpaket
für Bahn, Schiff - und Kombiverkehr) insbesondere folgende Maßnahmen gesetzt:
Eine Bindung der Kontingente an hohe technische Emissions - und
Sicherheitsstandards für LKW und Busse, strenge Kontrollen (Lenk - und Ruhezeiten,
techn. Zustand, illegale Lenker etc.) sowie Förderung des Kombiverkehrs, z.B. durch
Rückvergütung der KFZSt., Rückvergütung der Straßenbenützungsabgabe bei
Straßenvor - und Nachlauf, Nutzlastausgleich für den Straßenvor - und Nachlauf,
liberalisierter Vor - und Nachlauf im KV in der EU/EWR, liberalisierte Korridore für den
genehmigungsfreien Vor - und Nachlauf im Verhältnis zu Drittstaaten, liberalisierte
Zonen, Befreiung vom Sonn - und Feiertagsfahrverbot, Anerkennung der Fahrzeit im
KV als Ruhezeit, Ausnahme vom Nachtfahrverbot, Belohnungskontingente,
Belohnungskontingent für KV im Rahmen des Ökopunktesystems (primär RoLa).
Mit dem Großteil der MOEL hat Österreich zudem auch bilaterale Vereinbarungen im
Personengelegenheitsverkehr geschlossen. Grundsatz dieser Vereinbarungen ist die
Liberalisierung bestimmter Verkehre nur unter der Voraussetzung der Einhaltung
bestimmter technischer Sicherheits - und Umweltstandards.
Frage 6:
Planen Sie Beteiligungen an intermodalen Güterverkehrsterminals bzw. Joint -
Ventures in diesem Bereich und wenn ja an welchen?
Antwort:
Es laufen derzeit Untersuchungen und bilaterale Gespräche auf verschiedenen
Ebenen, die die Vorteilhaftigkeit bzw. Sinnhaftigkeit von möglichen österreichischen
Beteiligungen an intermodalen Güterverkehrsterminals in den mittel - und
osteuropäischen Nachbarländern überprüfen. In diese Überlegungen werden auch
allfällige Beteiligungen der Bahnen bzw. österreichischer
Kombiverkehrsgesellschaften miteinbezogen. Eine definitive Entscheidung ist jedoch
noch nicht erfolgt, da insbesondere auch die finanziellen Implikationen von allfälligen
Beteiligungen noch einer Präzisierung bedürfen.
Ich darf auch anführen, dass sich für die Errichtung von Güterverkehrsterminals
grundsätzlich die Finanzierung und Beteiligung in Form eines PPP - Modells als
zielführend erwiesen hat. Ein solches Modell wurde bereits im Falle des Terminals
Graz - Werndorf erfolgreich angewendet. Bei diesem Modell wurde, nachdem es sich
um eine Eisenbahnanlage handelt, über die SCHIG die Errichtung finanziert. Ein
privates Unternehmen pachtet und betreibt die Anlage; mit dem Pachtschilling
werden die dafür aufgenommenen Fremdmittel zurückbezahlt.
Frage 7:
Welche Maßnahmen zur Kostenwahrheit für den durch die EU - Erweiterung zu
erwartenden zusätzlichen Güterverkehr auf Österreichs Straßen werden Sie
veranlassen?
Antwort:
Im Zusammenhang mit der Frage der Kostenwahrheit kommt meines Erachtens der
Entlastung von Bevölkerung und Umwelt und einer Steigerung der
Straßenverkehrssicherheit große Bedeutung zu.
Auch im Hinblick auf die EU - Erweiterung habe ich bereits anlässlich eines
Gespräches mit EU - Kommissarin de Palacio am 14. Dezember 2000 darauf
gedrängt, dass die Kommission so rasch wie möglich einen entsprechenden
Vorschlag zur Änderung der geltenden EU - Wegekostenrichtlinie vorlegt. Dieser sollte
das Konzept der „sensiblen Gebiete“ und die Notwendigkeit spezifischer
Maßnahmen in diesen Gebieten im Gemeinschaftsrecht verankern sowie
sicherstellen, dass in „sensiblen Gebieten“ zur Querfinanzierung der
Schieneninfrastruktur höhere als den verursachten Kosten entsprechende Gebühren
eingehoben werden dürfen.
Die Kommissarin versicherte in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen der
Überlegungen für das Weißbuch Verkehr u.a. auch die Möglichkeit zur globaleren
Finanzierung der Verkehrsträger geprüft werden soll und bei Einverständnis des
Rates auch eine entsprechende Änderung der EU - Wegekostenrichtlinie in Angriff
genommen werden wird.
Frage 8:
Werden Sie sich im Interesse der Verkehrssicherheit und des fairen Wettbewerbs
dafür einsetzen, dass die sozialen Normen auf der Straße eingehalten werden und
der Acquis im Sozialbereich, insbesondere bei Lkw - Lenkern vor dem Beitritt neuer
Mitglieder von diesen nicht nur umgesetzt, sondern auch wirkungsvoll kontrolliert
werden?
Antwort:
Hinsichtlich der für Lenker geltenden Sozialvorschriften darf ich grundsätzlich auf die
Zuständigkeit des BMWA hinweisen.
Jedoch darf an dieser Stelle auf eine die spezielle Problematik der von im EU - Raum
niedergelassenen Transportunternehmen nicht ordnungsgemäß beschäftigen Lenker
hingewiesen werden, welche zu einem ernsthaften Problem nicht nur in Österreich,
sondern auch innerhalb der EU geworden ist: Die Praxis, "illegale" Lenker
einzusetzen führt zu starken Wettbewerbsverzerrungen (Preisdumping) aufgrund
hoher Lohnunterschiede zwischen den Unternehmen.
Zur Lösung dieser Problematik werden derzeit Anstrengungen auf verschiedenen
Ebenen unternommen: Die Europäische Kommission hat dem Rat einen Vorschlag
vorgelegt, wonach durch eine EU - Verordnung eine Fahrerlizenz eingeführt werden
(EU - Fahrerlizenz) soll, aus der für die Kontrollorgane eindeutig ersichtlich ist, dass
der aus einem Drittstaat stammende Lenker eines EU - Fahrzeuges in einem
ordnungsgemäßen Beschäftigungsverhältnis steht. Österreich ist zusammen mit
Deutschland einer der konsequentesten Befürworter einer eu - rechtlich
vorgeschriebenen einheitlichen Fahrerlizenz, durch die das Problem der illegalen
Beschäftigung von Lenkern aus Drittstaaten weitestgehend gelöst werden soll. Diese
Verordnung wurde dem Verkehrsministerrat am 5.
April d.J. vorgelegt.
Als kurzfristige Maßnahme wurde im Hinblick auf eine verbesserte und effiziente
Kontrolle im Oktober eine zwischen dem BMVIT, BMF, BMWA und BMI koordinierte
umfassende Kontrolliste, an die zuständigen Kontrollorgane ausgegeben, wobei
erste Erfolge bei der Verfolgung der illegalen Beschäftigung von Drittstaatenlenkern
schon erzielt wurden.
Frage 9:
Haben Sie Verhandlungen eingeleitet, um den Erhalt eigenständiger
Regelungskompetenz zur Vermeidung von Umgehungsverkehren vor allem im
Straßengüterverkehr zu sichern, damit Verkehrsregelung auf Bundes - oder
Landesstraßen auch von den Mitgliedsstaaten autonom geregelt werden?
Antwort:
Soferne mit dieser Frage das Thema Fahrverbote und die mögliche Erlassung einer
Richtlinie auf EU - Ebene angesprochen wird, darf ich bemerken, dass meiner Ansicht
nach die in Diskussion stehende EU - Richtlinie (die im übrigen für Straßen des TEN -
Netzes gelten soll) die nationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der
Straßenverkehrsordnungen einschränken und damit gegen das Subsidaritätsprinzip
verstoßen würde. Ich lehne diesen Vorschlag einer EU - Richtlinie daher bereits aus
grundsätzlichen Erwägungen heraus ab und werde auch künftig dafür eintreten, dass
die entsprechenden Regelungen von den einzelnen Mitgliedstaaten - diese
Regelungen haben sich durchaus bewährt und bestehen zum Teil schon lange -
auch in Zukunft souverän gestaltet werden können.
Frage 10:
Wann werden Sie ein Infrastrukturpaket vorlegen, um den Standort Österreich auch
weiterhin für die Ansiedlung von neuen Unternehmen attraktiv zu erhalten?
Antwort:
Festzuhalten ist, dass bislang keinerlei verbindliche gesamthafte Infrastrukturplanung
vorliegt (kein verordneter Bundesverkehrswegeplan). Dies stellt nicht zuletzt auch
der Rechnungshof in einer kritischen Aussage fest. Ich habe nun einen Expertenrat
betreffend die Erstellung eines Generalverkehrsplanes ins Leben gerufen, um die
österreichischen Infrastrukturprojekte unter Berücksichtigung der regionalen und
überregionalen Verkehrserfordernisse sowie der budgetären Möglichkeiten
auszuarbeiten. Erstmals werden Schiene und Straße gemeinsam erfasst. Dieser
Expertenrat wird mir einen Vorschlag über eine optimierte Verkehrsinfrastruktur
vorlegen.
Die Vorschläge des Expertenrates betreffend die notwendigen
Verkehrsinfrastrukturprojekte, die Ende dieses Jahres vorliegen, werden dann im
Lenkungsausschuss, in welchem auch alle Landeshauptleute vertreten sind,
priorisiert.