1958/AB XXI.GP

Eingelangt am: 20.04.2001

BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1930/J - NR/2001 betreffend Einsparungen im

Bildungsbereich und funktioneller Analphabetismus, die die Abgeordneten Mag. Christine

Muttonen und Genossinnen und Genossen am 20. Februar 2001 an mich richteten, wird wie folgt

beantwortet..

 

Ad 1+2.:

Eine derartige Statistik über die Zahl der sekundären Analphabeten in der österreichischen

Bevölkerung ist mir nicht bekannt. Studien in Deutschland sind aber auch für Österreich relevant

und vergleichbar.

In Österreich wurden mehrere Untersuchungen zur Lesefertigkeit auf den einzelnen Schulstufen

erstellt, deren Ergebnisse im Rahmen des Österreichischen Buchklubs der Jugend und des

Internationalen Instituts für Jugendliteratur und Leseforschung veröffentlicht wurden.

Auf Grund einer Erhebung im Jahr 1989 konnte geschlossen werden, dass rund 8 % der unter -

suchten Personen schwerwiegende Defizite im Lesen und Schreiben aufwiesen. Durch den Versuch,

die Ergebnisse aus diesen auf „Risikogruppen“ beschränkten Erhebungen auf die österreichische

Gesamtbevölkerung (natürlich mit Ausnahme von Vorschulkindern und Schulanfängern sowie

Personen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch) hochzurechnen, könnte man annehmen,

dass etwa 3 - 4 % der Österreicher ernst zu nehmende Lese -  und Schreibschwächen aufweisen.

Zum Vergleich: Der geschätzte Anteil von funktionalen Analphabeten in den europäischen Ländern

beträgt 2 - 5 % (Ergebnisse von Studien in den einzelnen Ländern, Schätzungen aus bestimmten

Feldforschungen in verschiedenen europäischen Ländern, die jedoch, da die Ausgangsbasis und die

Methodik stark differieren, nur als ungefähre Richtwerte angesehen werden können).

Da gravierende Veränderungen im Langzeitvergleich nicht zu erwarten sind, ist derzeit keine

Untersuchung zur Zahl der Analphabeten geplant.

 

Ad 3. + 4.:

Anlaufstellen sind die Organisationen der Erwachsenenbildung, weiters vom BMBWK geförderte

Vereine, die sich vor allem mit Problemen von Migranteninnen/Migranten befassen (z.B.

DANAIDA, MAIZ, Orient - Express, Miteinander Lernen...). Die Organisationen der

Erwachsenenbildung bzw. die oben angeführten genannten Anbieter bewerben ihre Angebote und

informieren über konkrete Bildungsmaßnahmen.

Weitere Anbieter wären beispielsweise:

 

- Volkshochschule Floridsdorf

- abc - Salzburg

- ISOP Graz

- Volkshochschule Linz

 

Eine bundesweite Aufklärungskampagne zum Thema funktioneller Analphabetismus ist nicht

geplant.

 

Ad 5.:

Die Strukturmaßnahmen, die das Budgetbegleitgesetz vorsieht, wirken sich nicht auf die

Unterrichtsarbeit und damit auf den Lernerfolg aus. Die durch den Finanzausgleich für das Jahr

2004 vorgegebenen Schlüsselzahlen sind in einzelnen Bundesländern bereits erreicht. In anderen

Bundesländern ist es möglich, durch organisatorische Maßnahmen, wie die Auflassung von

Kleinstschulen oder Kleinstklassen, das Einsparungsziel ohne Qualitätsverlust zu erreichen.

Untersuchungen über den Zusammenhang von Schülerzahl und Schulleistungen legen die

Schlussfolgerung nahe, dass keine signifikanten Zusammenhänge bestehen. Im Übrigen ist

funktionaler Analphabetismus ein Phänomen, das auch durch den Nichtgebrauch bzw. die

Nichtanwendung bereits vorhandener Kenntnisse entstehen kann.

 

Ad 6., 7. und 8.:

Die Förderungen des Bundes in der Erwachsenenbildung sind im Bereich des Erlernens von

Grundqualifikationen (basic skills) nicht gekürzt worden.

Konkrete Bildungsmaßnahmen sind in das Ziel 3 Programm der Europäischen Union, in die

Schwerpunkte „Vorbereitung für den Hauptschulabschluss“ und „Maßnahmen für Migrantinnen

und Migranten und Minderheiten“ integriert. Insgesamt stehen in diesem Programm ca. 20 Mio. S

zur Verfügung. Davon sind ca. 5 Mio. S für basic skills im Vorfeld der Vorbereitungslehrgänge

sowie für spezifische Angebote für Migrantinnen und Migranten und sozial benachteiligte

Minderheiten vorgesehen. Insgesamt wurden im Rahmen von 34 Bildungsmaßnahmen rund

340 Teilnehmer/innen erfasst.

 

Ad 9.:

Das Memorandum zum lebenslangen Lernen der Europäischen Union enthält als eine Grund -

botschaft die Forderung nach neuen Qualifikationen. Das Regierungsprogramm enthält als

Zielsetzung die umfassende Koordination von Bildungsmaßnahmen für Erwachsene. Das

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat im Zusammenhang mit dem

EU - Memorandum für das lebenslange Lernen einen Beratungs -  und Konsultationsprozess

eingeleitet, um einen zukunftsorientierten Maßnahmenkatalog zum lebenslangen Lernen zu

erarbeiten. Der Zielsetzung, benachteiligten Gruppierungen den Zugang zu Bildungsmaßnahmen zu

ermöglichen, wird dabei große Aufmerksamkeit geschenkt.

 

Ad 10.:

Sekundärer Analphabetismus wird per definitionem in erster Linie bei Erwachsenen festgestellt. In

der Fachliteratur und im Rahmen der UNESCO wird auch der Begriff „Funktionaler

Analphabetismus“ verwendet, wenn trotz einmal erfolgter Schulung die Lese -  und Schreib -

kenntnisse nicht ausreichen, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Eine Intensivierung

der Fort -  und Ausbildung der Lehrer an Schulen erscheint daher nicht erforderlich.

 

Die Untersuchungen des OECD - Projektes PISA erfolgen an Schulen und nicht im Bereich der

Erwachsenenbildung. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.