1960/AB XXI.GP

Eingelangt am: 20.04.2001

BM für Inneres

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde haben

am 21. Februar 2001 unter der Nummer 1952/J an mich eine schriftliche parlamentarische

Anfrage betreffend „den Umgang der Behörden mit sogenannten ‚Problemabschiebungen“‘

gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Für Abschiebungen aus Österreich werden Flugzeuge und andere Verkehrsmittel, haupt -

sächlich die Bahn, aber auch Fahrzeuge der Exekutive eingesetzt. Gesonderte statistische

Aufzeichnung darüber, mit welchen Verkehrsmitteln und wohin Abschiebungen erfolgt sind,

werden nicht geführt.

 

Es werden nach den einschlägigen EU - Vorgaben jedoch Ab -  und Zurückschiebungen in einer

gemeinsamen Statistik erfasst, wobei differenziert wird, ob die Außerlandesschaffung auf

dem Land -  oder Luftweg durchgeführt wird.

 

Im Jahre 1999 wurden 20.207 Fremde, davon 17.698 auf dem Landweg und 2.509 auf dem

Luftweg ab -  oder zurückgeschoben.

 

Im Jahre 2000 wurden 18.074 Fremde, davon 15.647 auf dem Landweg und 2.427 auf dem

Luftweg ab -  oder zurückgeschoben.

 

Angemietete Verkehrsmittel werden nur im Rahmen der Charterabschiebungen verwendet.

Diesbezüglich verweise ich auf die Beantwortung zu den Fragen 16 bis 21.

 

Zu Frage 2:

Abschiebungen werden entweder dann abgebrochen, wenn auf Grund des Widerstandes des

Fremden eine Verbringung des Betroffenen an Bord des Luftfahrzeuges nicht unter

Einhaltung der Bestimmung des Art. 3 EMRK und des § 29 SPG möglich ist oder die

Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit an Bord, für die der jeweilige

Flugkapitän auf Grundlage des Tokioter Abkommens zuständig ist, nicht gewährleistet ist und

der Pilot aus diesem Grund die Beförderung verweigert.

 

Zu Frage 3:

Seitens des Bundesministeriums für Inneres wurden nach dem Tod des nigerianischen

Staatsangehörigen Markus Omofuma Richtlinien für die Organisation und Durchführung von

Abschiebungen auf dem Luftweg erlassen, die sich an die eine solche Abschiebung

durchführenden Begleitbeamten richten.

 

Darin ist klargestellt, in welchem Stadium der Luftabschiebung die Ausübung von Befehls -

und Zwangsgewalt zulässig ist und in welchem Ausmaß. Der Grundsatz der

Verhältnismäßigkeit nach § 29 SPG ist bei Ausübung von Befehls -  und Zwangsgewalt ebenso

zu beachten wie die verfassungsgesetzlich verankerte Bestimmung des Art. 3 EMRK.

 

Darüber hinaus wurden die Begleitbeamten in den mit einer Luftabschiebung im Zu -

sammenhang stehenden Fragen (rechtlicher, psychologischer und anwendungsbezogener

Natur) eingehend geschult.

 

Zu Frage 4:

Über den Abbruch einer Abschiebung entscheidet der Kommandant der Begleitbeamten oder

der Pilot, je nach dem, in welchem Stadium dieser erfolgt.

 

Die oben angeführten Richtlinien für die Organisation und Durchführung einer Luftab -

schiebung sehen eine Kontaktaufnahme der Begleitbeamten mit dem Piloten oder dessen

Beauftragten bereits vor Besteigen des Luftfahrzeuges zum Zweck der Abklärung allfälliger

Fragen betreffend die Beförderung vor.

 

Im Falle des Anthony O. erfolgte der Abbruch der Abschiebung durch den Kommandanten

der Begleitbeamten vor Verbringung des Fremden an Bord des Luftfahrzeuges. Diese

Maßnahme wurde ergriffen, nachdem der Pilot die Mitnahme des Abzuschiebenden

verweigert hatte, weil auf Grund dessen Verhaltens die Sicherheit der Passagiere nicht

gewährleistet gewesen wäre.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

Bei Beantwortung dieser Fragen ist nach der Zuständigkeit zur Entscheidung über einen

Abbruch einerseits und nach der Zulässigkeit zur Ausübung von Befehls -  und Zwangsgewalt

andererseits zu unterscheiden.

 

Befindet sich der Fremde an Bord des Luftfahrzeuges, kommt dem Piloten als dem für die

Wahrung der Sicherheit an Bord Zuständigen das Recht zu, die Mitnahme eines Passagiers,

der die Ordnung und Disziplin voraussichtlich stören wird, zu verweigern. Bis zum Ver -

schließen der Außentüren verbleibt den Begleitbeamten jedoch das Recht zur Ausübung von

Befehls -  und Zwangsgewalt gemäß § 60 FrG.

 

Nach Verschließen der Außentüren geht auch die Befugnis zur Ausübung von Befehls -  und

Zwangsgewalt auf den Flugkapitän über (Art. 6 des Abkommens über die internationale

Zivilluftfahrt, BGBl. Nr. 97/1949 - Tokioter Abkommen). Dieser kann von anderen Be -

satzungsmitgliedern verlangen oder sie ermächtigen sowie Fluggäste (zu diesen gehören auch

die begleitenden Beamten) auffordern oder ermächtigen, ihn durch Ausübung von Zwang

gegen eine bestimmte Person zu unterstützen.

Dem Verlangen ist jedenfalls nur dann nachzukommen, wenn die Anordnungen des verant -

wortlichen Piloten im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip stehen. Notwehr -  und

Nothilfehandlungen sind selbstverständlich in jeder Phase der Flugabschiebung zulässig.

 

Zu den Fragen 7 und 8:

Es besteht für Fluggesellschaften keine Verpflichtung, Abschiebungen durchzuführen. Im

übrigen verweise ich auf die Ausführungen zu den Fragen 4, 5 und 6.

 

Zu den Fragen 9 und 10:

Den begleitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes kommt zur Durchsetzung der

Abschiebung gemäß § 60 FrG die Befugnis zur Ausübung von Befehls -  und Zwangsgewalt

bis zum Verschließen der Außentüren des Luftfahrzeuges zu. Art und Intensität der

Maßnahmen richten sich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip im Sinne des § 29 SPG und

des Art. 3 EMRK. Im übrigen verweise ich auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6.

 

Zu Frage 11:

Die Flugtauglichkeit des Abzuschiebenden wird längstens 24 Stunden vor dem Flugtermin

durch einen Arzt festgestellt und auf einem eigens für diesen Zweck vom Chefärztlichen

Dienst meines Ressorts entworfenen Formular dokumentiert.

 

Die Frage, in welchen Fällen „Fluguntauglichkeit“ zu diagnostizieren ist, kann nicht pauschal

beantwortet werden, sondern richtet sich im Einzelfall nach dem jeweiligen Untersuchungs -

ergebnis. Für diese Beurteilung ist ausschließlich der Arzt zuständig.

 

Zu Frage 12:

In den Jahren 1998, 1999 und 2000 hat folgende Anzahl von Fremden beim Versuch der

Abschiebung per Flugzeug am Flughafen Wien - Schwechat Widerstand geleistet:

 

1998

1999

2000

6

13

18 Fremde

 

Zu Frage 13:

Nein, nur jene 9 Fremden, die aktiven Widerstand geleistet haben, wurden nach Erlassung

eines Haftbefehles in die Justizanstalt Korneuburg eingeliefert.

 

Zu Frage 14:

Diese Fremden wurden wieder in den Haftraum der Sicherheitsbehörde zurückgebracht.

 

Zu Frage 15:

Es wird zunächst versucht, Abschiebungen mit Linienflügen durchzuführen. Charterab -

schiebungen erfolgen nur dann, wenn augenscheinlich ist, dass sich der Fremde durch Ge -

waltanwendung der Außerlandesschaffung entziehen wird oder seine Abschiebung bereits

einmal abgebrochen wurde.

 

Die Abschiebung des Anthony O. erfolgte nicht mit dem Internationalen Flugrettungsdienst

Austria im Rahmen einer Charterabschiebung, weil die Voraussetzungen für eine Charterab -

schiebung nicht vorlagen.

 

Im übrigen verweise ich auf die Beantwortung zur Frage 16.

Zu Frage 16:

Problemabschiebungen sind nach Definition des Menschenrechtsbeirates Abschiebungen, bei

denen aufgrund bestimmter Tatsachen zu gewärtigen ist, dass der Betroffene Widerstand

leisten wird. Solche Abschiebungen erfolgen grundsätzlich mit einem Linienflugzeug.

 

Problemabschiebungen mit Linienflugzeug werden in der Mehrzahl erfolgreich durchgeführt,

weil es zumeist Dank des psychologischen Einfühlungsvermögens der besonders geschulten

Begleitbeamten gelingt, dass in den wenigsten Fällen der ursprünglich erwartete Widerstand

zu einem Abbruch führt. Dazu trägt nicht zuletzt auch das verpflichtend vorgesehene

Kontaktgespräch zwischen Begleitbeamten und Abzuschiebenden vor der Abschiebung bei.

 

Nur in jenen Fällen, in denen eine Abschiebung mit Linienflugzeug nicht durchgeführt

werden kann oder in denen eine solche Abschiebung abgebrochen werden musste, kommt

eine Charterabschiebung in Betracht. Insgesamt gab es seit Juni 1999 drei Charterab -

schiebungen, die allesamt in Kooperation mit dem Internationalen Flugrettungsdienst Austria

durchgeführt wurden.

 

Die Wahl ist auf dieses Unternehmen gefallen, zum einen aufgrund des Umstandes, dass der

Flugrettungsdienst stets einen Arzt mitschickt und zum anderen aus Kostengründen.

 

Zu den Fragen 17 und 31:

Abschiebungen werden prinzipiell mit jener Fluglinie durchgeführt, die unter Berück -

sichtigung der Preisangemessenheit der Tickets die raschesten Verbindungen (möglichst ohne

Zwischenlandung und Umsteigen) an einem bestimmten Tag bietet. Die Auswahl der Flug -

linie hängt daher in hohem Maße auch von der jeweiligen Destination ab.

 

Eine Statistik, mit welchen Fluglinien in den Jahren 1999 und 2000 Abschiebungen durch -

geführt wurden, wurde und wird nicht geführt.

 

Zu den Fragen 18, 19, 20 und 21:

Im Jahr 1999 wurde eine und im Jahr 2000 wurden zwei Abschiebungen mit dem Inter -

nationalen Flugrettungsdienst Austria durchgeführt.

 

Bei jeder der genannten Charterabschiebungen waren jeweils vier Schubhäftlinge, drei

Beamte des Gendarmerieeinsatzkommandos (GEK) sowie ein Arzt an Bord.

 

Die entsprechenden Zahlen ergeben sich aus der nachfolgenden Aufstellung:

 

Jahr

Anzahl

Staatsangehörigkeit

Destination

1999

2

Algerien

Algier(Algerien)

 

1

Ghana

Accra (Ghana)

 

1

Nigeria

Lagos (Nigeria)

2000

4

Nigeria

Lagos (Nigeria)

 

3

Senegal

Dakar (Senegal)

 

1

Guinea Bissau

Bissau (Guinea Bissau)

 

Die ärztliche Betreuung unterscheidet sich im Vorfeld der Abschiebung nicht von jener der

Fremden, die mit Linienflugzeug abgeschoben werden. Auch hier hat die längstens

24 Stunden vor dem Flugtermin durchzuführende Untersuchung auf die Flugtauglichkeit hin

stattzufinden.

Zu den Fragen 22 und 23:

Es wird auf die Ausführungen zu den Fragen 5, 6, 9 und 10 verwiesen.

 

Nach Abbruch einer Abschiebung wegen Widerstandes des Fremden kann die Schubhaft des

Betroffenen gemäß § 69 Abs. 4 Z 4 FrG verlängert werden.

 

Zu Frage 24:

Eine gesundheitlich nicht indizierte Verabreichung von Medikamenten ist im Hinblick auf die

Bestimmung des Art. 3 EMRK und der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des VfGH

unzulässig.

 

Darauf wurden die Begleitbeamten sowohl in den genannten Richtlinien als auch in den

Schulungen hingewiesen.

 

Zu Frage 25:

Die Frage der Begleitung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist nicht immer

von der Frage des zu erwartenden Widerstandes der abzuschiebenden Person abhängig,

sondern zunehmend von dem Umstand, dass immer mehr europäische Fluglinien eine solche

Begleitung aus Sicherheitsgründen verlangen.

 

Zu Frage 26:

Aufbauend auf den in der Schweiz, Deutschland und Österreich vorhandenen Organisations -

abläufen bei Charterabschiebungen besteht seit vergangenem Herbst die Möglichkeit, gemein -

sam Abschiebungen durchzuführen, wenn entsprechend der Größe der eingesetzten

Maschinen freie Plätze, die nicht vom jeweiligen ,,Organisationsland“ selbst aufgefüllt

werden können, vorhanden sind.

 

In diesem Sinne ist Deutschland bereits zwei Mal an Österreich und die Schweiz heran -

getreten, wobei eine der Charterabschiebungen letztlich von Deutschland und der Schweiz

gemeinsam erfolgreich durchgeführt wurde. Eine Teilnahme Österreichs unterblieb, da zum

fraglichen Zeitpunkt keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen einen Staatsange -

hörigen durchsetzbar waren, der für die Destination in Frage kam.

 

Zu Frage 27:

Es werden keine statistischen Daten zu dieser Frage geführt.

 

Hinsichtlich der Anzahl der Flugabschiebungen verweise ich auf die Beantwortung zu

Frage 1.

 

Ergänzend ist auszuführen, dass im Jahre 1998 16.992 Fremde, davon 14.103 auf dem

Landweg und 2.889 auf dem Luftweg ab -  oder zurückgeschoben wurden.

 

Zu den Fragen 28, 29 und 30:

Auch mit den genannten Fluglinien wurden Abschiebungen durchgeführt. Eine Angabe von

Zahlen sowie eine Aufschlüsselung nach Destinationen ist auf Grund fehlender statistischer

Erfassung nicht möglich.

Zu den Fragen 33 und 34:

Es gibt keine formelle Vereinbarung mit Touropa Austria. Dieses Reisebüro hat im

Zusammenhang mit Abschiebungen eine organisatorische Vereinfachung und die Anwendung

der kostengünstigsten Tarife angeboten. Dementsprechend wurde den Fremdenpolizei -

behörden mit Rundschreiben des Bundesministeriums für Inneres nahegelegt, Buchungen von

Abschiebungsflügen bei Touropa Austria vorzunehmen. Dies gilt natürlich nur insoweit, als

nicht günstigere Konditionen anderer Reisebüros oder andere Gründe wie z.B. Vermeidung

von zu langer Schubhaftdauer andere Dispositionen veranlassen.

 

Zu Frage 35:

Problemabschiebungen Minderjähriger sind in den genannten Jahren nicht erfolgt.

 

Zu den Fragen 36 bis 41:

Zunächst verweise ich auf die Beantwortung zur Frage 1 und schließe die auf Grund der

einschlägigen EU - Vorgaben erstellten Statistiken für die Jahre 1999 und 2000 an, aus denen

sich die Staatsangehörigkeit der Ab -  und Zurückgeschobenen sowie die Abschiebungsart

(Land -  oder Luftweg) ergibt.