1984/AB XXI.GP
Eingelangt am: 25.04.2001
BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2051/J - NR/2001 betreffend Ehrenkreuz für Wis -
senschaft und Kunst I. Klasse für Dr. Heinrich Gross, die die Abgeordneten Dieter Brosz, Freun -
dinnen und Freunde am 2. März 2001 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Da in der Einleitung zur gegenständlichen parlamentarischen Anfrage aus verschiedenen Quellen
und Schreiben bzw. Korrespondenzen auszugsweise zitiert wird, lege ich Wert darauf, dass zu -
mindestens mein Schreiben vom 20. Dezember 2000 an Herrn Bezirksrat Wolfgang Krisch, stell -
vertretender Klubobmann der Grünen Penzing nicht bloß auszugsweise, sondern vollständig zi -
tiert bzw. wiedergegeben wird.
Auf eine Anfrage des stellvertretenden Klubobmannes der Grünen Penzing, Bezirksrat Wolfgang
Krisch, vom 28. November 2000 mit der Behauptung bzw. Mitteilung, dass „wie in Erfahrung zu
bringen war - eine Betroffene habe dies in der Kanzlei des Herrn Bundespräsidenten erfahren -
in diesem Sinne (Anmerkung: zur Aberkennung einer durch den Herrn Bundespräsidenten verlie -
henen Auszeichnung) lediglich ein formeller Beschluss des Ministerrates genüge, um für die Zu -
stimmung zu einer Aberkennung der Ehrenzeichen des Dr. Heinrich Gross durch unseren Herrn
Bundespräsidenten die nötige Voraussetzung zu schaffen“, teilte ich in einem Antwortschreiben
(voller Wortlaut) Folgendes mit:
„Sehr geehrter Herr Klubobmann!
Zu Ihrem Schreiben vom 28. November d.J. betreffend den Arzt Dr. Heinrich Gross und die Fra -
ge der Aberkennung der ihm seinerzeit verliehenen Auszeichnung des Ehrenkreuzes für Wissen -
schaft und Kunst I. Klasse möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Wie bekannt, ist gegenwärtig immer noch ein strafgerichtliches Verfahren zu Dr. Heinrich Gross
anhängig bzw. im Gange, über das die Öffentlichkeit bekanntlich sehr eingehend informiert wur -
de bzw. wird, und dessen Durchführung bekanntlich immer noch von der Frage der Verhand -
lungsfähigkeit des Genannten abhängig ist. Bis zu einer allfälligen gerichtlichen Verurteilung hat
und hier möchte ich ebenso wie die Präsidentschaftskanzlei aus rechtsstaatlichen Gründen dar -
auf hinweisen - für jedermann die Unschuldsvermutung zu gelten, und über die Schuldfrage
können nur unabhängige Gerichte entscheiden.
Was die Frage der Auszeichnung für Wissenschaft und Kunst betrifft, so halte ich es ebenso wie
der Herr Bundespräsident angesichts der in jüngster Zeit bekannt gewordenen Fakten über die in
der Zeit des NS - Regimes an der Klinik am Spiegelgrund gehandhabten menschenverachtenden
Euthanasiepraktiken nicht für angebracht, dass Dr. Gross eine der höchsten Auszeichnungen be -
sitzt, die die Republik Österreich für auf wissenschaftlichem Gebiet erbrachte Leistungen zu ver -
geben hat. Wären die vorliegenden Fakten bereits 1975 bekannt gewesen, so denke ich, hätte man
wohl von vornherein von der Verleihung einer derartigen Auszeichnung an Dr. Gross Abstand
genommen.
Wie Ihnen möglicherweise auch von der Präsidentschaftskanzlei mitgeteilt wurde, hat es den Fall
der nachträglichen Aberkennung einer verliehenen Auszeichnung bisher noch nicht gegeben. Das
Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für
Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst,
BGBl. Nr. 96/1955, enthält bekanntlich keinen Tatbestand und kein Verfahren für die Aberken -
nung einer aufgrund dieses Bundesgesetzes verliehenen Auszeichnung. Die diesbezüglichen Be -
strebungen zur Aberkennung einer staatlichen Auszeichnung bewegen sich daher tatsächlich auf
„juristischem Neuland“. In diesem Zusammenhang ist ja auch grundsätzlich festzuhalten, dass in
einem Rechtsstaat jegliches staatliches Handeln gesetzeskonform erfolgen muss. Bei der Beur -
teilung des Handelns staatlicher Organe im vorliegenden Fall möchte ich Sie daher für diese
Rechts - und Sachlage um Verständnis bitten.
Was die in Ihrem Schreiben erwähnte, in der Kanzlei des Herrn Bundespräsidenten in Erfahrung
gebrachte Aussage betrifft, wonach „in diesem Sinne lediglich ein formeller Beschluss des Mi -
nisterrates genüge, um für die Zustimmung zu einer Aberkennung der Ehrenzeichen des
Dr. Heinrich Gross durch unseren Bundespräsidenten die nötige Voraussetzung zu schaffen“ und
wonach „in meinem Ministerium Kompetenzen bestehen sollen“, so muss ich zu meinem Bedau -
ern darauf hinweisen, dass weder die Sach
- noch die Rechtslage so eindeutig ist.
Tatsache - und dies wird auch durch Rechtsgutachten untermauert - ist, dass einerseits das be -
reits schon zitierte Bundesgesetz über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für
Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst
keine rechtliche Grundlage für die Aberkennung oder Entziehung einer derartigen Auszeichnung
bietet, andererseits aber die Verleihung einer staatlichen Auszeichnung ganz allgemein einen
Verwaltungsakt mit einem (positiven) Bescheid, der überdies in Rechtskraft erwachsen ist, dar -
stellt. Ein derartiger in Rechtskraft erwachsener Bescheid, kann allerdings im rechtsstaatlichen
Sinn nur unter ganz außergewöhnlichen Voraussetzungen aufgehoben werden, wobei insbesonde -
re ein Ermittlungsverfahren damit verbunden sein muss.
Ein derartiges Ermittlungsverfahren zur Aufhebung eines Bescheides und damit zur Durchbre -
chung der materiellen Rechtskraft eines derartigen Bescheides wird aber ganz bestimmte Voraus -
setzungen vorbedingen. Eine der denkbaren Möglichkeiten wäre eine gerichtliche Verurteilung in
dem bereits vorbezeichneten strafgerichtlichen Verfahren, wobei gleichzeitig wieder die Schwä -
che darin besteht, dass weder das Strafrecht etwa die Nebenfolge der Aberkennung einer verlie -
henen staatlichen Auszeichnung vorsieht, noch das zitierte Bundesgesetz über die Verleihung des
Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst selbst eine derartige Aberkennung oder Entziehung
einer verliehenen Auszeichnung ermöglicht!
Von den allenfalls sinngemäß anzuwendenden Eingriffstatbeständen des Allgemeinen Verwal -
tungsverfahrensgesetzes AVG (Abänderung und Behebung eines Bescheides von Amts wegen;
Wiederaufnahme eines Verfahrens) käme lediglich allenfalls der in § 68 Abs. 3 AVG angespro -
chene Fall einer Aufhebung zur „Wahrung des öffentlichen Wohles zur notwendigen und unver -
meidlichen Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen“ in Betracht. Eine Vorausset -
zung mit einem Sachverhalt, der in einem Verwaltungsverfahren mit Parteiengehör zu prüfen
und zu beweisen wäre.
Ein derartiges rechtsstaatliches Verfahren muss selbstverständlich auch vor der möglichen Über -
prüfbarkeit durch die Höchstgerichte mit einer auf diesem Gebiet noch nicht bestehenden Rechts -
sprechung gesehen werden.“
Im Gegensatz zu der in der Einleitung zur gegenständlichen schriftlichen parlamentarischen An -
frage enthaltenen Vermutung, wonach „dieses letzte Schreiben den Eindruck erweckt, dass das
Ministerium zumindest vor einer gerichtlichen Verurteilung kein Aberkennungsverfahren einlei -
ten wird“, ist ein derartiger „Eindruck“ eine Interpretation meines Schreibens. Tatsächlich sollte
mit dem Schreiben an den stellvertretenden Klubobmann der Grünen Penzing Bezirksrat Wolf -
gang Krisch die sachliche und rechtliche
Problematik der Voraussetzungen für ein (allfälliges)
Verfahren zur Aberkennung der durch den Herrn Bundespräsidenten verliehenen staatlichen
Auszeichnung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse dargestellt werden.
In der Tat ist es jedenfalls so, dass bis zu einer (allfälligen) rechtskräftigen gerichtlichen Verur -
teilung - auf die ich ebenso wie auch schon die Präsidentschaftskanzlei aus rechtsstaatlichen
Gründen mehrmals hinzuweisen hatte - für jedermann die Unschuldsvermutung zu gelten hat,
und über eine Schuldfrage nur unabhängige Gerichte zu entscheiden haben. Solange aber nicht
über die Herrn Primarius Dr. Heinrich Gross zur Last gelegten und auch durch die Anklagebe -
hörde zur Anklage erhobenen Sachverhalte eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt wurde,
können diese auf jeden Fall eine allfällige Aberkennung seiner Auszeichnung des Ehrenkreuzes
für Wissenschaft und Kunst I. Klasse begründenden Sachverhalte im rechtsstaatlichen Sinne auch
nicht einem entsprechenden Verwaltungsverfahren zur Aberkennung seiner Auszeichnung zu
Grunde gelegt werden. Im Übrigen waren es nicht die medizinischen Tätigkeiten von Dr. Hein -
rich Gross, die er während seiner Dienstzeit am so genannten Spiegelgrund ausübte, sondern sei -
ne anerkannten wissenschaftlichen Arbeiten aus den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren,
die seinerzeit (1975) für die Verleihung der Auszeichnung durch den Herrn Bundespräsidenten
voraussetzend und entscheidend waren. Diese werden aber grundsätzlich nicht in Frage gestellt.
Wie auch in der Begründung zur gegenständlichen parlamentarischen Anfrage weiters - aller -
dings nur auszugsweise - zitiert wird, hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und
Kultur mehrmals darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit den in den neunziger Jahren
bekannt gewordenen und auch in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft enthaltenen Sachver -
halten die in Aussicht genommene und beabsichtigte Zielsetzung der Aberkennung der Primarius
Dr. Heinrich Gross verliehenen Auszeichnung angestrebt werden soll. Dies allerdings immer vor
dem Hintergrund eines rechtsstaatlichen Verfahrens, wobei eine Aberkennung bzw. Entziehung
der seinerzeit verliehenen Auszeichnung in jedem Falle die Behebung eines in materieller
Rechtskraft erwachsenen Bescheides (,,Durchbrechung der materiellen Rechtskraft“) bedeuten
würde.
Zu einem derartigen rechtsstaatlichen Verfahren könnte angesichts einer materiellen Durchbre -
chung der Rechtskraft entweder ein durch ein rechtskräftiges Urteil des Strafgerichtes festge -
stellter Sachverhalt zählen, wobei, wie schon festgestellt und zitiert wurde, die spezielle Voraus -
setzung dieses Verfahrens wieder darin besteht, dass weder das Strafrecht etwa die Nebenfolge
der Aberkennung einer verliehenen staatlichen Auszeichnung vorsieht noch das zitierte Bundes -
gesetz über die Verleihung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst selbst (mangels ent -
sprechender gesetzlicher Regelungen) eine derartige Aberkennung oder Entziehung einer verhe -
henen Auszeichnung unmittelbar ermöglicht. So käme von den sinngemäß anzuwendenden Ein -
griffstatbeständen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Abänderung oder Behebung
eines Bescheides von Amts wegen; Wiederaufnahme eines Verfahrens) lediglich der im § 68
Abs. 3 AVG angesprochene Fall einer Aufhebung zur „Wahrung des öffentlichen Wohles zur
notwendigen und unvermeidlichen Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen“ in
Betracht. Eine Voraussetzung mit einem Sachverhalt, der - wie gleichfalls schon angeführt und
zitiert - in einem Verwaltungsverfahren mit Parteiengehör zu prüfen und zu beweisen wäre.
Was die Frage eines gerichtlichen Verfahrens gegen Primarius Dr. Heinrich Gross betrifft, so ist
der Öffentlichkeit erst kürzlich bekannt geworden, dass das zuständige Gericht neuerlich veran -
lasst haben soll, seinen Gesundheitszustand zu prüfen.
Im Einzelnen werden die Fragen wie folgt beantwortet:
Ad 1. und 2.:
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur beabsichtigt, ein Verfahren zur
Aberkennung des Primarius Dr. Heinrich Gross verliehenen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und
Kunst I. Klasse einzuleiten, wobei allerdings der Zeitpunkt von den entsprechenden sachlichen
Voraussetzungen abhängig sein wird, d.h. z.B. Bestätigung der ihm in der Anklageschrift vorge -
haltenen Sachverhalte durch ein rechtskräftiges strafgerichtliches Urteil (wobei er bis dahin im
Rahmen des Parteiengehörs des
Verwaltungsverfahrens einwenden könnte, dass die ihm zur Last
gelegten Sachverhalte, wie sie u.a. in der Anklageschrift enthalten sind, nicht erwiesen sind)
und/oder jedenfalls solcher Sachverhalte, die für eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft
gemäß dein Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz zur Aufhebung eines Bescheides zur
„Wahrung des öffentlichen Wohles zur notwendigen und vermeidlichen Abwehr schwerer
volkswirtschaftlicher Schädigungen“ herangezogen werden könnten.
Ad 3.:
Da das Bundesgesetz über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft
und Kunst und des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst keine Bestim -
mungen materieller oder formeller Natur zur Aberkennung einer derartigen (einmal mit Be -
scheidcharakter verliehenen) Auszeichnung enthält, kann nur im Sinne eines „contrarius actus“
davon ausgegangen werden, dass der für die Antragstellung für eine derartige Auszeichnung zu -
ständige Bundesminister auch für den Fall der Aberkennung zuständig sein würde.
Ad 4.:
Die seinerzeitige Begründung für die Antragstellung und Verleihung der Auszeichnung des Eh -
renkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse „ist auch angesichts der mittlerweile einer brei -
ten Öffentlichkeit bekannten Fakten" keine Frage einer persönlichen Einschätzung, sondern
vielmehr eine Wiedergabe der seinerzeit zum Zeitpunkt der Verleihung bestehenden allgemeinen
und auch internationalen wissenschaftlichen Beurteilung von Primarius Dr. Heinrich Gross.
Ad 5.:
Die Frage, ob „jemand, der für Verdienste um Wissenschaft und Kunst mit dem Ehrenkreuz aus -
gezeichnet wurde, die Leistungen, (für die er seinerzeit ausgezeichnet wurde), nicht selbst er -
bracht hätte“, wurde bisher jedenfalls weder gestellt noch war bislang Anlass, diese Frage zu
stellen. Im Hinblick darauf, dass das bereits
zitierte Bundesgesetz über die Errichtung des Öster -
reichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und des Ehrenkreuzes für Wissenschaft
und Kunst keine formellen und materiellen Aberkennungstatbestände und Verfahren enthält,
kann auch wieder nur auf die oben bereits dargestellte Rechtslage verwiesen werden.
Ad 6.:
Die gesetzliche Regelung für ein Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst fällt nur teilweise in
den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Unter
dem Gesichtspunkt eines ,,contrarius actus“ wäre jedenfalls eine Klarstellung im Gesetzeswege
nicht unzweckmäßig.
Ad 7.:
In der österreichischen Rechtsordnung sind „vergleichbare Bundesgesetze“, bei denen eine
Aberkennung der Ehrenzeichen vorgesehen ist, nicht bekannt.