199/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Maier und Genossen haben am
10. Dezember 1999 unter der Nr. 149/J an die Frau Bundesministerin
Mag. Barbara Prammer eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
gesundheitsbezogene Angaben - Widerspruch zur EU-Rechtslage gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Die Anzahl der - positiven wie negativen - Zulassungsbescheide für die Jahre
1996 bis 1998 ist nachstehender Tabelle zu entnehmen:
Bescheide gemäß § 9 Abs. 3 Lebensmittelgesetz 1975
positiv negativ insgesamt
1996 91 6 97
1997 103 24 127
1998 138
19
157
Eine Kopie der begründeten Stellungnahme der Europäischen Kommission
liegt bei, diese bezieht sich nicht auf das Verbot krankheitsbezogener
Angaben (Beilage 1); eine Kopie der Antwort Österreichs liegt gleichfalls bei
(Beilage 2).
Zu Frage 4:
In den anderen EU - Mitgliedsländern existiert keine Regelung, die den Ver -
braucher auf so hohem Niveau schützt wie die Rechtsvorschrift des § 9 Le -
bensmittelgesetz 1975, und gleichzeitig den Firmen einen Rechtsanspruch auf
Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben (Gesundheitswerbung) gibt,
sofern dies mit dem Schutz vor Täuschung vereinbar ist.
Gemäß der Etikettierungs - Richtlinie ist es untersagt, einem Lebensmittel die
Eigenschaft zuzuschreiben, einer Erkrankung vorzubeugen, sie zu behandeln
oder zu heilen, bzw. auf eine solche Eigenschaft zu verweisen. Die
Europäische Kommission (EK) vertritt in ihrem Weißbuch zur
Lebensmittelsicherheit die Auffassung, daß die Etikettierung und die Werbung
für Lebensmittel keine derartigen Behauptungen über gesundheitliche
Wirkungen enthalten dürfen. Die Europäische Kommission beabsichtigt die
Prüfung, ob spezifische Bestimmungen in das EU - Recht aufgenommen
werden sollten, die „funktionelle Angaben“ regeln (beispielsweise Angaben
über positive Auswirkungen eines Nährstoffs auf bestimmte normale
Körperfunktionen) und ,,Nährwertangaben“ (beispielsweise Angaben über das
Vorhandensein, Fehlen oder die Menge eines in einem Lebensmittel
enthaltenen Nährstoffs oder über seinen Wert im Vergleich zu ähnlichen
Lebensmitteln). Weiters beabsichtigt die Europäische Kommission zu prüfen,
ob eine Anpassung der Bestimmungen der
Richtlinie über die Etikettierung
von Lebensmitteln an Verbraucherbedürfnisse und - erwartungen erforderlich
ist.
Als weiteren Schritt überlegt die Europäische Kommission, ergänzend zum
Ansatz bei der Etikettierung von Lebensmitteln die dem Verbraucher zur
Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen irreführende Werbeaussagen auf
die oben genannten Arten von Behauptungen („funktionelle Angaben“,
"Nährwertangaben“) zu erweitern. Die Europäische Kommission wird hierzu
einen Vorschlag unterbreiten, um die Richtlinie über irreführende Werbung
abzuändern, und sie wird dafür sorgen, daß die Vorschriften für Werbung und
Etikettierung in bezug auf Behauptungen einen kohärenten legislativen
Rahmen bilden.
Zu Frage 5:
Aus Verbraucherschutzgründen wäre eine EU - weite Regelung der gesund -
heitsbezogenen Werbung wünschenswert.
Anlage
Beilage 1
gerichtet an die Republik Österreich
gemäß Artikel 226 des EG - Vertrages
betreffend das Verbot gesundheitsbezogener Angaben
auf
Lebensmitteln und das Zulassungsverfahren
gerichtet an die Republik Österreich
gemäß Artikel 226 des EG – Vertrages
betreffend das Verbot gesundheitsbezogener Angaben
auf Lebensmitteln und das Zulassungsverfahren
1. Das österreichische Lebensmittelgesetz (LMG) definiert in § 3 Verzehrprodukte als
Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu
werden, ohne überwiegend Ernährungs - oder Genußzwecken zu dienen oder
Arzneimittel zu sein. Nach dem österreichischen Recht steht die Kategorie der
Verzehrprodukte zwischen den Lebensmitten einerseits und den Arzneimitteln
andererseits.
2. Gemäß § 9 Abs. 1 LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln,
Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen „sich auf die Verhütung, Linderung oder
Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder
pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende,
schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck
einer derartigen Wirkung zu erwecken“ (lit. a), "auf Krankengeschichten, ärztliche
Empfehlungen und Gutachten hinzuweisen" (lit. b) und ,,gesundheitsbezogene,
bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers,
Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige
auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden“ (lit. c).
3. Die zuständige Behörde hat gemäß § 9 Abs. 3 LMG auf Antrag für bestimmte
Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid
zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.
Diese Regelung wird von der ständigen österreichischen Rechtsprechung dahin
ausgelegt, daß zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung jegliche, wenn auch an
sich wahre Angaben verboten sind, die irgendwie den Eindruck physiologischer oder
pharmakologischer Wirkungen erwecken.
4. Die Kommission übermittelte am 16. Februar 1999 der Bundesregierung ein Mahn -
schreiben. Darin ist sie der Auffassung, daß die Regelung des § 9 Abs. 1 lit. a
bis c LMG nicht mit den Artikeln 2 Absatz 1 lit b und 15 Absatz 1 und 2 der Richt -
linie 79/112/EWG betreffend die Kennzeichnung von Lebensmitteln vereinbar ist
und die Regelung des § 9 Abs. 3 LMG nicht den Grundsätzen des freien Waren -
verkehrs, wie sie sich aus den Artikel 28 bis 30 EG - Vertrag und der dazu
ergangenen Rechtsprechung ergeben, entsprechen.
5. Die Bundesregierung bestätigte in ihrer Antwort vom 15. April 1999, daß das in § 9
Abs. 1 LMG enthaltene Verbot gesundheitsbezogener Angaben für Lebensmittel und
Verzehrprodukte über das in Artikel 2 Absatz 1 lit. b der Richtlinie 79/112/EWG
vorgesehene
Verbot krankheitsbezogener Werbung hinausgeht. Diese Regelung
könne daher nur angewendet werden, wenn sie durch einen in Artikel 15 Absatz 2
der Richtlinie 79/112/EWG genannten Grund gerechtfertigt ist.
6. Entgegen der Auffassung der Kommission werde durch diese Regelung nicht die
Anwendung der in der Richtlinie 79/112/EWG vorgesehenen Definitionen und
Bestimmungen beeinträchtigt. Jeder Antragsteller habe einen Rechtsanspruch auf
Zulassung wahrheitsgemäßer Angaben, wenn sie mit dem Schutz der Verbraucher
vor Täuschung vereinbar und wahr sind. Es könne nicht dem subjektiven Empfinden
des Antragstellers überlassen werden, festzustellen, ob eine Angabe wahr oder
falsch ist, dies bedürfe vielmehr der Überprüfung nach einem objektiven Maßstab
(wissenschaftliche Erkenntnisse, Literatur, etc.). Die von der Kommission genann -
ten Beispiele wahrheitsgemäßer Angaben könnten nicht generell als wahrheits -
gemäße Angaben angesehen werden. Es hänge von der Zusammenstellung des
konkreten Produktes ab, ob diese Angaben wahrheitsgemäß und folglich zulässig
sind. Daher sei das Verbot gesundheitsbezogener Angaben in § 9 Abs. 1 LMG zum
Schutz vor Täuschung gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 79/112/EWG
gerechtfertigt.
7. Die Bundesregierung beruft sich ebenfalls auf die Richtlinie 84/450/EWG
betreffend irreführende Werbung, geändert durch die Richtlinie 97/55/EG. Diese
Richtlinie, deren Schutz u.a. der Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung
ist, finde auch auf Lebensmittel Anwendung. Nach Artikel 2 dieser Richtlinie seien
die Begriffe der Werbung und der irreführenden Werbung weit auszulegen. Daher
erfasse die Richtlinie auch die Werbung für ein Erzeugnis, deren irreführende
Wirkung auf dem Text auf der Verpackung des betreffenden Erzeugnisses beruht.
Da § 9 LMG dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung, hier begrenzt auf
gesundheitsbezogene Angabe/Werbung, dient, liege ein "begrenzter" Aspekt der
Richtlinie 84/450/EWG vor. Artikel 7 dieser Richtlinie hindere Mitgliedstaaten
nicht daran, Bestimmungen aufrecht zu erhalten oder zu erlassen, die bei
irreführender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Verbraucher vorsehen. In
den Erwägungsgründen werde darauf verwiesen, daß in gewissen Fällen es
zweckmäßig sein kann, eine irreführende Werbung zu untersagen, noch ehe sie
veröffentlicht worden ist; dies bedeutet jedoch nicht, daß die Mitgliedstaaten
verpflichtet sind, eine Regelung einzuführen, die eine systematische Vorabkontrolle
der Werbung vorsieht. Daraus könne geschlossen werden, daß ein "Vorab -
Prüfungsverfahren" bei Lebensmitteln mit gesundheitsbezogenen Angaben nicht
gemeinschaftsrechtswidrig ist.
8. Zu Artikel 28 EG - Vertrag verweist die Bundesregierung auf die Rs. 120/78, ,,Cassis
de Dijon“, worin der Verbraucherschutz als zwingendes Erfordernis anerkannt
wurde und wonach Hemmnisse für den Binnenhandel hingenommen werden
müssen, soweit die fraglichen Bestrafungen notwendig sind, um diesem Erforder -
nis gerecht zu werden. Die Auslobung gesundheitsbezogener Angaben werde seit
Jahrzehnten vorab von unabhängigen Sachverständigen der Österreichischen
Behörde überprüft und der österreichische Verbraucher gehe grundsätzlich davon
aus, daß die auf dem Markt befindlichen Produkte hinsichtlich der Werbung bereits
überprüft wurden. Der bestehende Umfang des Verbraucherschutzes in Österreich
müsse gewährleistet bleiben. Überdies habe der Gerichtshof zugestanden, daß das
Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln von einem Zulassungsverfahren
abhängig gemacht werden kann. Die vom Gerichtshof genannten Kriterien für das
Zulassungsverfahren seien alle für die österreichische Rechtslage
erfüllt.
9. Mit Schreiben vom 14. Juli 1999 übermittelte die Bundesregierung eine ergänzende
Stellungnahme. Darin führt sie aus, die Richtlinie 79/112/EWG regle in Artikel 2
das Verbot irreführender sowie krankheitsbezogener Angaben, während über die
Zulässigkeit von nicht irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben oder Werbung
keine Aussage getroffen wird. Dies werde etwa dadurch belegt, daß beabsichtigt sei,
gemeinschaftsweite Regelungen betreffend gesundheitsbezogene Behauptungen
("claims") einzuführen. Das Urteil ,,Van der Laan“ sei nicht auf die im vorliegenden
Verfahren betroffenen Fragen anwendbar.
10. Das vorliegende Verfahren betrifft folgende zwei Punkte: das allgemeine Verbot,
gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln zu machen, sowie das Erfordernis,
Produkte, die derartige Angaben aufweisen, einem vorherigen Genehmigungs -
verfahren zu unterziehen. Nicht betroffen sind die von § 9 Abs. 1 LMG auch
erfaßten Werbeverbote für Lebensmittel und das damit zusammenhängende
Genehmigungsverfahren für Werbeaussagen.
11. Die Kommission ist der Auffassung, daß das Verbot gesundheitsbezogener Angaben
auf Lebensmitteln (§ 9 Abs. 1 lit. a bis c LMG) mit den Artikeln 2 Absatz 1 lit. b
und 15 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 79/112/EWG betreffend die Kennzeichnung
von Lebensmitteln sowie das vorherige Genehmigungsverfahren für gesundheits -
bezogene Angaben (§ 9 Abs. 3 LMG) mit Artikel 28 und 30 EG - Vertrag nicht
vereinbar sind.
1. Zum Verbot gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln (§ 9 Abs. 1 LMG)
a) Die Tragweite des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 79/112/EWG
12. Diese Regelung sieht vor, daß - vorbehaltlich der auf natürliche Mineralwässer und
Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, anwendbaren
Bestimmungen - die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht
geeignet sein dürfen, einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung,
Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuzuschreiben oder den
Eindruck dieser Eigenschaften zu erwecken.
13. Wie dies in der entsprechenden Begründungserwägung der Richtlinie erwähnt wird,
gilt es zu untersagen, daß die Etikettierung Lebensmitteln des sogenannten
allgemeinen Verzehrs medizinische Eigenschaften zuschreiben kann.
14. Diese Funktion ist Arzneimitteln vorbehalten, die nach dem Wortlaut von Artikel 1
der Richtlinie 65/65/EWG auch als „alle Stoffe oder Stoffzusammensetzung, die
dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung
einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beein -
flussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden"
definiert sind.
15. Die Richtlinie 89/398/EWG definiert die Lebensmittel, die für eine besondere
Ernährung bestimmt sind, und verbietet die Verwendung des Wortes ,,diäterisch",
allein
oder in Verbindung mit anderen Wörtern zur Bezeichnung von den anderen
Lebensmitteln des sogenannten allgemeinen Verzehrs (Artikel 2 Absatz 2 Buch -
stabe a).
16. Daher kann man aus dem Wortlaut des Artikel 2 Absatz 1 lit. b der Richt -
linie 79/112/EWG und jenem der anderen oben genannten Texte den Schluß ziehen,
daß Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs in ihrer Etikettierung weder
Behauptungen aufweisen dürfen, die unter die Definition der Arzneimittel fallen,
noch das Wort "diätetisch“ verwenden dürfen. Diese Bestimmungen lassen jedoch
für die betroffenen Lebensmittel Raum für gesundheitsbezogene Angaben, die nicht
unter die genannten Verbote fallen.
17. Zahlreiche Beispiele können diese Schlußfolgerung belegen; so besteht etwa im
Falle eines Lebensmittels des allgemeinen Verzehrs, das mit Vollkorngetreide
hergestellt wurde, grundsätzlich kein Einwand dagegen, bestimmte gesundheits -
fördernde Wirkungen zu nennen, vorausgesetzt diese Behauptungen fallen nicht
unter die oben genannten Definitionen. In diesem Fall führt die Tatsache, daß der
gesundheitsfördernde Charakter einer Ernährung, die eine ausreichende Zufuhr an
Ballaststoffen enthält, betont wird, nämlich nicht zu einer möglicherweise
unsicheren Einordnung dieser Lebensmittel.
b) Voraussetzung für die Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben
18. Die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben bei der Etikettierung von Lebens -
mitteln des allgemeinen Verzehrs, unter den unter Punkt a) genannten Voraussetzun -
gen, ist nur unter Beachtung der anderen in der Richtlinie 79/112/EWG genannten
Voraussetzungen möglich, insbesondere dürfen sie nicht geeignet sein, den Käufer
zu täuschen.
19. Es obliegt den staatlichen Behörden, alle Schritte zu ergreifen, mit denen festgestellt
werden kann, daß die fraglichen Behauptungen unter Beachtung der oben
aufgezählten Voraussetzungen verwendet werden. Diese Behörden müssen diese
Verpflichtung unter Beachtung der Vorschriften betreffend den freien Warenverkehr
ausüben.
c) Zur Regelung des Art. 9 Abs 1 LMG
20. Die Regelung des § 9 Abs. 1 lit. a bis c LMG enthält neben dem Verbot krankheits -
bezogener Angaben auch ein solches gesundheitsbezogener Angaben auf Lebens -
mitteln und Verzehrprodukten (etwa Hinweise auf physiologische oder pharmakolo -
gische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlank -
machende oder gesunderhaltende Wirkungen).
21. Die fraglichen österreichischen Rechtsvorschriften lassen in ihrer Auslegung und
Anwendung nicht zu, daß im Rahmen der oben angegebenen Grenzen Lebensmittel
des allgemeinen Verzehrs gesundheitsbezogene Angaben tragen. Eine solche
Vorgehensweise begrenzt damit den Anwendungsbereich des Artikels 2 Absatz 1
Buchstabe b der Richtlinie 79/112/EWG.
22. Gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 79/112/EWG dürfen die Mitgliedstaaten
den Verkehr mit Lebensmitteln, die den Bestimmungen dieser Richtlinie
entsprechen, nicht durch die Anwendung nicht harmonisierter einzelstaatlicher
Vorschriften verbieten, welche die Etikettierung und Aufmachung einzelner
Lebensmittel oder der Lebensmittel im allgemeinen regeln. Davon ausgenommen
sind nicht harmonisierte einzelstaatliche Vorschriften, die gerechtfertigt sind zum
Schutz der Gesundheit, vor Täuschung, sofern sie nicht bewirken, daß die
Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Definitionen und Bestimmungen
beeinträchtigt wird, des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, der
Herkunftsbezeichnungen und Ursprungsangaben sowie vor unlauterem Wettbewerb
(Artikel 15 Absatz 2).
23. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gestattet die Richtlinie 79/112/EWG
wegen ihres allgemeinen, horizontalen Charakters den Mitgliedstaaten, Vorschriften
beizubehalten oder zu erlassen, die zu den Vorschriften der Richtlinie hinzutreten.
Für die Etikettierung von Lebensmitteln werden die Grenzen der den Mitglied -
staaten damit belassen Befugnis in der Richtlinie selbst gezogen, weil sie in
Artikel 15 Absatz 2 die Rechtfertigungsgründe abschließend aufgezählt (vgl.
Rs. C - 241/89, SARPP, Slg. 1990, S. I - 4695, Rz. 15). Diese Ausnahmebestimmung
ist eng und im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips, wie es der Gerichtshof zu
Artikel 30 EG - Vertrag entwickelt hat, auszulegen.
24. Wie unter Punkt 21 festgestellt wurde, geht diese Regelung damit über das hinaus,
was von dem genannten Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 79/112/EWG
vorgesehen ist, und ist als nicht harmonisierte einzelstaatliche Vorschrift anzusehen,
die zu den Vorschriften der Richtlinie 79/112/EWG hinzutritt, Infolgedessen kann
diese Regelung nur angewandt werden, wenn sie durch einen in Artikel 15 Absatz 2
genannten Grund (Schutz der Gesundheit, Verbraucherschutz, unlauterer Wett -
bewerb) gerechtfertigt ist.
25. Die Bundesregierung beruft sich zur Rechtfertigung dieser Regelungen darauf, daß
es zum Schutz des Verbrauchers erforderlich sei, die auf einem Produkt gemachten
Angaben nach einem objektiven Maßstab vorab zu überprüfen, bevor sie vertrieben
werden können. Diese Prüfung hänge von der konkreten Zusammensetzung des
Produktes ab.
26. Die Kommission ist der Auffassung, daß ein generelles Verbot gesundheits -
bezogener Angaben für Lebensmittel und Verzehrprodukte nicht gerechtfertigt ist.
Aus den unter Punkt 16 und 17 gemachten Äußerungen kann der Schluß gezogen
werden, daß die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben für Lebensmittel des
allgemeinen Verzehrs, soweit sie alle vorher genannten Voraussetzungen einhalten,
nicht im vorhinein generell und absolut verboten werden können, ohne die
genannten Bestimmungen der Richtlinie 79/112/EWG zu beachten.
27. Unter dieses Verbot fallen auch wahrheitsgemäße Angaben, welche nicht geeignet
sind, den Verbraucher irre zu führen; diese werden in anderen Mitgliedstaaten als
unbedenklich angesehen. Dabei handelt es sich um Angaben über allgemein
verständliche Eigenschaften, durch die der verständige Verbraucher im Sinne der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Rs. C - 470/93, Mars, Slg. 1995,
S. I - 1923 und Rs. C - 51/94, „Sauce Béarnaise", Slg. 1995, S. I - 3599) nicht irrege -
führt werden kann. Es ist unverständlich, inwieweit ein Verbraucher durch die im
unter Punkt 17 als Beispiel genannte Angabe irregeführt werden kann.
28. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in der
Rs. C - 383/97, van der Laan (Urteil vom 9. Februar 1999, Rz. 37f.) festgestellt hat,
daß
ein Mitgliedstaat nicht geltend machen kann, daß ein Artikel 3 der
Richtlinie 79/112/EWG entsprechendes Zutatenverzeichnis eine Irreführung im
Sinne des Artikels 15 Absatz 2 der Richtlinie darstelle und die Anwendung nicht
harmonisierter nationaler Vorschriften rechtfertige. Die Anwendung derartiger
Vorschriften wäre nicht nur geeignet, die Anwendung der in der Richtlinie
vorgesehenen Definitionen und Bestimmungen zu beeinträchtigen. Sie würde zudem
ein nicht gerechtfertigtes Hindernis für den freien Warenverkehr darstellen.
29. Schließlich ist zum Argument der Bundesregierung betreffend die Verbrauchervor -
stellungen darauf hinzuweisen, daß nach dem Gerichtshof das Recht eines
Mitgliedstaats nicht dazu dienen darf, die gegebenen Verbrauchsgewohnheiten, zu
zementieren, um einer mit deren Befriedigung befaßten inländischen Industrie einen
erworbenen Vorteil zu bewahren, wenn andere Maßnahmen zum Schutz der
Verbraucher gegen Irreführungen bestehen (vgl. Rs. 178/84, Kommission/Deutsch -
land, Slg. 1987, S. 1227, Rz. 32).
30. Die Kommission ist daher der Auffassung, daß das generelle Verbot gesundheits -
bezogener Angaben auf Lebensmitteln, soweit keine Eignung zur Irreführung
besteht, nicht zum Schutz der Verbraucher vor Täuschung erforderlich ist und
folglich nicht durch Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 79/112/EWG gerechtfertigt
ist.
2. Zum vorherigen Genehmigungsverfahren gesundheitsbezogener Angaben auf
Lebensmitteln (§ 9 Abs. 3 LMG)
31. Das vorherige Genehmigungsverfahren ist im Lichte der Vertragsvorschriften über
den freien Warenverkehr (Artikel 28 und 30 EG - Vertrag) zu prüfen. Wie aus
Punkt 23 abgeleitet werden kann, ist diese Frage nicht von der Richt -
linie 79/112/EWG betreffend die Kennzeichnung von Lebensmitteln erfaßt.
32. Das Erfordernis, gemäß § 9 Abs. 3 LMG eine Genehmigung einzuholen, auch wenn
sie bei wahrheitsgemäßen und nicht irreführenden Angaben - wie dies die Bundes -
regierung ausführt - möglich ist, stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne
des Artikels 28 EG - Vertrag dar.
33. Bei dem fraglichen Genehmigungsverfahren handelt es sich um eine Maßnahme, die
unterschiedslos auf einheimische und aus anderen Mitgliedstaaten verbrachte Waren
anwendbar ist.
34. Die fragliche Regelung führt dazu, daß Produkte mit gesundheitsbezogenen
Angaben, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder vertrieben
werden, nicht unmittelbar auf den österreichischen Markt gebracht werden können.
Als Voraussetzung für ihre Vermarktung muß erst geklärt werden, ob die
gesundheitsbezogenen Angaben unbedenklich und damit zulässig sind. Damit
entsteht ein Hindernis für den innergemeinschaftlichen Handel mit diesen
Erzeugnissen.
35. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen Beschränkungen des
innergemeinschaftlichen Handels, die sich aus den Unterschieden der nationalen
Rechtsvorschriften ergeben, hingenommen werden, soweit solche Bestimmungen
notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen, u. a. solchen des Verbraucher -
schutzes, gerecht zu werden, oder die in Artikel 30 EG - Vertrag genannten
Rechtfertigungsgründe, z. B. der Schutz der Gesundheit und des Lebens von
Menschen, eingreifen. Derartige Bestimmungen sind jedoch nur zulässig, wenn sie
in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen und wenn dieser
Zweck nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaft -
lichen Handel weniger beschränken (vgl. Rs. 120/78, ,,Cassis de Dijon", Slg. 1979.
S. 837).
36. Es ist zwar zutreffend, daß der Gerichtshof zugestanden hat, das Inverkehrbringen
bestimmter Lebensmittel von einem Zulassungsverfahren abhängig zu machen. Es
ist jedoch zu berücksichtigen, daß ein solches Verfahren lediglich aus Gründen des
Schutzes der öffentlichen Gesundheit für zulässig erachtet wurde (vgl. Rs. 304/84,
Muller, Slg. 1986, S. 1521 und Rs. 178/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1987,
S. 1227). Da Artikel 30 EG - Vertrag eine Ausnahme vom Grundsatz des freien
Warenverkehrs darstellt, ist er eng auszulegen (vgl. Rs. 220/81, Robertson,
Slg. 1982, S. 2349 und Rs. 229/83, Leclerc, Slg. 1985, S. 1). Daher kann diese
Rechtsprechung nicht zur Rechtfertigung des § 9 Abs. 3 LMG, der dem Verbrau -
cherschutz dienen soll, herangezogen werden.
37. Die von der Bundesregierung auf die Richtlinie 84/450 betreffend irreführende
Werbung gestützten Argumente zur Rechtfertigung eines vorherigen Genehmi -
gungsverfahrens gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln können im
vorliegenden Fall nicht geltend gemacht werden. Wie unter Punkt 23 ausgeführt, ist
die Frage der Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln von der Richt -
linie 79/112/EWG abschließend erfaßt. Diese Richtlinie enthält in Artikel 2 bereits
ein Verbot der Irreführung von Verbrauchern. Die in der Richtlinie 84/450/EWG
vorgesehene Regelung zum Schutz der Verbraucher ist damit vergleichbar; sie stellt
eine generelle Regelung dar, weil sie sich auf alle Waren und Dienstleistungen
bezieht. Daher ist im vorliegenden Fall die Richtlinie 79/112/EWG wegen ihres
spezielleren Anwendungsbereiches heranzuziehen und nicht die Richt -
linie 84/450/EWG.
38. Da die Kommission der Meinung ist, daß bereits das generelle Verbot
gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln nicht zum Schutz der
Verbraucher gerechtfertigt ist, folgt daraus für das damit zusammenhängende
vorherige Genehmigungsverfahren dieselbe Schlußfolgerung. Überdies kann der
Schutz der Verbraucher durch Maßnahmen gewährleistet werden, die den freien
Warenverkehr weniger beschränken als das Erfordernis einer vorherigen
Genehmigung. So könnten etwa geeignete Kontrollen auf dem Markt durchgeführt
werden, um Waren mit Angaben aufzufinden, die geeignet erscheinen, den
Verbraucher zu täuschen, wie dies der Gerichtshof in einem mit dem vorliegenden
Fall vergleichbaren Verfahren ausgeführt hat (Rs. C - 77/97, Österreichische
Unilever, Urteil vom 28. Januar 1999, Rz. 34f.). In ihrer Stellungnahme ist die
Bundesregierung nicht darauf eingegangen, warum das ,,Vorab - Prüfungsverfahren"
gemäß § 9 Abs. 3 LMG das gelindeste und einzige geeignete Mittel zum Schutz der
Verbraucher vor Täuschung darstellt. Die Regelung des § 9 Abs. 3 LMG stellt daher
eine gemäß 28 EG - Vertrag verbotene Maßnahme gleicher Wirkung dar, die nicht
gerechtfertigt ist.
AUS DIESEN GRÜNDEN GIBT DIE KOMMISSION,
entsprechend Artikel 226 Absatz 1 EG - Vertrag,
DIE MIT GRÜNDEN VERSEHENE STELLUNGNAHME AB,
daß die Republik Österreich ihren Verpflichtungen aus Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b
und Artikel 15 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/112/EWG sowie aus Artikel 28 EG -
Vertrag nicht nachgekommen ist, indem sie Art. 9 Abs. 1 LMG dahin auslegt und
anwendet, daß gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln des allgemeinen
Verzehrs generell und absolut verboten sind und indem sie die Zulassung gesundheits -
bezogener Angaben einem vorherigen Genehmigungsverfahren (Art. 9 Abs. 3 LMG)
unterwirft.
Gemäß Artikel 226 Absatz 2 EG - Vertrag fordert die Kommission die Regierung auf,
innerhalb von zwei Monaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser
Stellungnahme nachzukommen.
Beilage 2
STELLUNGNAHME
DER REPUBLIK ÖSTERREICH
zur mit Gründen versehenen Stellungnahme der Europäischen Kommission
betreffend Schwierigkeiten beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln und
Nahrungsergänzungsmitteln,
Dok. SG(99) D/8897 Nr. 98/4739,
vom 9.11.1999
gemäß
Art. 226 EG - Vertrag
Herr Kommissar!
In Beantwortung des Schreibens der Europäischen Kommission vom 9.11.1999,
Dok. SG(99) D/8897, Nr. 98/4739
nimmt die Republik Österreich wie folgt Stellung:
1. Zum „generellen Verbot“ gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln
Zum Vorbringen der Kommission zu Punkt 1 (Rn. 12 - 30) der mit Gründen
versehenen Stellungnahme muss festgestellt werden, dass die Kommission
offensichtlich davon ausgeht, dass in Österreich ein „generelles Verbot
gesundheitsbezogener Angaben für Lebensmittel und Verzehrprodukte“ besteht. § 9
Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86/1975 (im Folgenden: LMG) kann jedoch nicht
in diesem Sinne interpretiert werden. Betrachtet man den § 9 Abs 1 LMG nämlich
nicht völlig isoliert sondern im Zusammenhang mit Absatz 3, so wird evident, dass
gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen sind, wenn dies mit dem
Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist. Bei der Auslegung einer
nationalen Norm müssen alle Absätze derselben in Betracht gezogen werden, um
den Sinn und vor allem die Tragweite eines bestimmten Absatzes abschätzen zu
können. Österreich wendet im Bereich der gesundheitsbezogenen Angaben ein
Verbotssystem mit Erlaubnisvorbehalt an. In diesem Zusammenhang ersucht die
Republik Österreich die Kommission, die von ihr angeführte „ständige österreichische
Rechtsprechung“ (Rn. 3 der mit Gründen versehenen Stellungnahme) der Republik
Österreich zur Kenntnis zu bringen, wonach wahre gesundheitsbezogene Angaben
nicht gemäß § 9 Abs 3 LMG zu bewilligen sind.
Der Vollständigkeit halber weist die Republik Österreich darauf hin, dass - sollte der
Hinweis in Rn. 29 der mit Gründen versehenen Stellungnahme auf den Umstand
gemünzt sein, dass die Verbraucher in Österreich auf die geprüfte Richtigkeit der
gesundheitsbezogenen Lebensmitteln vertrauen -, dass der Gesundheits - und
Verbraucherschutz nicht dazu dient „um einer mit der[] Befriedigung [der gegebenen
Verbrauchsgewohnheiten] befaßten inländischen Industrie einen erworbenen Vorteil
zu bewahren“. Eine Verbrauchsgewohnheit, die in der Vorstellung eines Getränks mit
der Bezeichnung Bier, besteht, kann doch nicht mit dem berechtigten Vertrauen in die
Richtigkeit gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln verglichen werden.
2. Zum Genehmigungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben auf
Lebensmitteln
§ 9 LMG 1975 wurde geschaffen, weil durch gesundheitsbezogene Anpreisungen und
gesundheitsbezogene Werbung eine Irreführung der Verbraucherinnen und
Verbraucher in breitem Ausmaß erfolgen kann. Durch besondere, einseitige
Hervorhebung der jedem Lebensmittel innewohnenden physiologischen Wirkung
(normales Stoffwechselgeschehen) auf den Organismus ist es möglich, beim Laien
völlig falsche Vorstellungen über den wahren Wert und die Bedeutung eines
bestimmten Lebensmittels zu erwecken.
Gleichzeitig wurde jedoch sichergestellt, dass jeder Antragsteller einen
Rechtsanspruch auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben (§ 9 Abs. 3 LMG
1975) hat, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist
und die Angaben auch wirklich wahr sind. Es muss insbesondere darauf hingewiesen
werden, dass auch an sich wahre Angaben geeignet sein können, Täuschungen in
Form von Erwartungen beim Konsumenten zu evozieren. Daher ist in einem
verwaltungsverfahren seitens der Gesundheitsbehörde zu prüfen, ob die behaupteten
Angaben - objektiv betrachtet - der Wahrheit entsprechen).
Jeder Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf Zulassung gesundheitsbezogener
Angaben, wenn sie mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar und
wahr sind. Es ist zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass Österreich ein effizientes
Verfahren geschaffen hat, das es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, die
Genehmigung einer gesundheitsbezogenen Angabe für ein bestimmtes Produkt zu
erreichen. Das Verfahren hiezu ist leicht zugänglich und kann innerhalb eines
angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden. Führt das Verfahren zu einer
Ablehnung, kann diese im Rahmen eines gerichtlichen Verfahren angefochten
werden. Die Kommission trägt nicht vor, dass die österreichischen Behörden einen
Antrag eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer die Bewilligung einer
gesundheitsbezogenen Angabe, die keine Täuschung des Verbrauchers
hervorzurufen geeignet ist, abgelehnt hätten. Die von der Kommission in Rn. 17 der
mit Gründen versehenen Stellungnahme genannte Angabe wäre - da es sich hierbei
um eine denkbar unproblematische Angabe handelt - innerhalb weniger Wochen
bewilligt worden.
§ 9 LMG 1975 dient daher in besonders ausgewogener Weise dem Gesundheits - und
Verbraucherschutz, ohne seriöse gesundheitsbezogene Angaben verhindern zu
wollen. Diese Bestimmung ist daher als international anerkanntes Instrument der
Gesundheitspolitik Österreichs unverzichtbar, um den Schutz der Verbraucherinnen
und Verbraucher vor unseriösen ,,Wundermitteln" die in den letzten Jahren
zunehmend auch den EG - Binnenmarkt überschwemmen, zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang wird daher mit Befremden vermerkt, dass - im Gegensatz
zu den immer stärker werdenden Bemühungen der EU im Hinblick auf die Erstellung
eines Weißbuches für den Lebensmittelbereich mit den Schwerpunkten
,,Lebensmittelsicherheit“ und „Schutz vor Irreführung/Täuschung" - die Gesetzgebung
eines EU - Mitgliedslandes, das unbestritten seit Jahrzehnten ein hohes Schutzniveau
auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts aufweist, mit Argumenten angegriffen wird,
die eine bedauerliche Bevorzugung der Handelsinteressen vor den Interessen des
Gesundheits - und Täuschungsschutzes erkennen zu lassen scheinen.
Die Republik Österreich teilt nicht die Meinung der Kommission (bzw. der GD
Binnenmarkt), dass die Richtlinie 79/112/EWG die Frage der Etikettierung und
Aufmachung von Lebensmitteln abschließend regelt. Die Richtlinie 79/112/EWG
regelt in Artikel 2 das Verbot irreführender sowie krankheitsbezogener Angaben,
während über die Zulässigkeit von nicht irreführenden gesundheitsbezogenen Anga -
ben/Werbung keine Aussage getroffen wird. In
diesem Zusammenhang wird
nochmals auf die ergänzende österreichische Stellungnahme vom 7. Juli 1999
verwiesen.
Die Kommission führt aus, dass das Genehmigungsverfahren eine Maßnahme ist, die
unterschiedslos auf einheimische und aus anderen Mitgliedstaaten verbrachte Waren
anwendbar ist. Es handelt sich daher um eine nicht - diskriminierende Maßnahme. Die
Kommission bestreitet die Eignung der Maßnahme nicht, bestreitet jedoch, dass es
sich hierbei um das gelindeste Mittel handelt.
Tatsächlich wäre das von der Kommission unter Punkt 1 angeführte generelle Verbot
- ohne Möglichkeit einer Bewilligung - eine Maßnahme, die nicht das gelindeste Mittel
im Sinne der EuGH - Rechtsprechung darstellte. Die Kommission steht auf dem
Standpunkt, dass geeignete Kontrollen auf dem Markt durchgeführt werden könnten,
um Waren mit Angaben aufzufinden, die den Gesundheitsschutz und den Schutz der
Verbraucher beeinträchtigen.
Die Bewilligungspflicht für die gegenständlichen Angaben stellt nach Ansicht der
Republik Österreich jedoch das gelindeste Mittel dar, um die Gesundheit der
Verbraucher bzw. den Verbraucher vor Täuschung zu schützen und das Vertrauen in
Angaben auf Lebensmitteln zu erhalten.
Die Erfahrungen der zuständigen Behörde zeigen, dass im Verfahren gemäß § 9
Abs 3 LMG Anmeldungen von fachkundigen Anwälten und Anwältinnen eingereicht
werden, welche sogar generell verbotene krankheitsbezogene Bezeichnungen
enthalten. Offensichtlich vermag es nicht einmal gelingen, den Begriff der
"krankheitsbezogenen Werbung" des Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 79/112/EWG zu
erkennen; wie soll man dann den mit der Rechtslage in aller Regel (im Vergleich zu
Rechtsanwälten) weniger vertrauten Wirtschaftsunternehmen zutrauen, selbst zu
erkennen, welche gesundheitsbezogenen (wenn man die krankheitsbezogenen
Angaben beiseite lässt) Angaben mit dem Schutz der Verbraucher vereinbar und
wahr sind. Dies würde wohl den Gedanken des Verbraucherschutzes ad absurdum
führen. Die staatliche Vorabkontrolle stellt ein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entsprechendes Mittel des Verbraucherschutzes dar, da eine nachträgliche Kontrolle
von bereits in Verkehr befindlichen Produkten dieses - ebenso hohe wie notwendige -
Maß an Verbraucherschutz nicht gewährleisten kann. Nachträgliche Kontrollen auf
dem Markt vermögen den Verbraucher auf diesem ,,boomenden Markt" der
„Wundermittel" nicht ausreichend zu schützen.
Die Kommission führt im gegebenen Zusammenhang das Urteil in der Rs. C - 77/97,
Österreichische Unilever, Urteil vom 28. Januar 1999, Slg. 1999, I - 431, Rz. 34 f an.
Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich in dem angeführten Fall um
ein Kosmetikum und nicht um ein Lebensmittel handelte und dass der Schutz der
Verbraucher im Lebensmittelbereich besonders stark ausgeprägt sein muss, da in
diesem heiklen Bereich, der in Bezug auf gesundheitsbezogene Angaben nicht
harmonisiert wurde, den Mitgliedstaaten - aber auch allen Kommissionsdienststellen
der Europäischen Gemeinschaft - eine besondere Verantwortung gegenüber den
Bürgern der Mitgliedstaaten zukommt. Es muss Sache der Mitgliedstaaten sein, in
welchem Umfang sie den Schutz der Verbraucher, der mit dem Schutz der
Gesundheit im Nahrungsmittelbereich verquickt
ist, gewährleisten wollen.
Es ist erneut darauf hinzuweisen, dass Verbraucherschutz im Gesundheitsschutz
aufgehen kann. So könnten beispielsweise irreführende Angaben auf einem Produkt,
die dem Produkt Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt (z.B. „fördert Ihre
Gesundheit“), bei kranken Menschen negative gesundheitliche Folgen haben,
insbesondere dann, wenn eine effektive Bekämpfung von Krankheiten und deren
Symptomen in solchen Fällen unterlassen würde, da die Kranken auf die "Wirkung“
des Produkts vertrauen. Auch dieses in der ergänzenden Österreichischen
Stellungnahme vom 7, Juli 1999 vorgebrachte Argument konnte seitens der
Kommission nicht entkräftet werden.
Auf die Argumentation Österreichs in der ergänzenden Stellungnahme vom 7. Juli
1999, dass Überlegungen in der Kommission angestrengt werden, Regelungen über
,,food claims“ zu treffen und dass somit sehr wohl zwischen Kennzeichnung (geregelt
in der Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG) und Behauptungen/Werbung ("Claims")
unterschieden wird, wurde in der begründeten Stellungnahme der Kommission
bedauerlicherweise nicht eingegangen.
Inwiefern die Richtlinie 84/450/EWG im vorliegenden Fall nicht heranzuziehen ist, ist
für die Republik Österreich nicht nachvollziehbar. Wie von der Kommission selbst
ausgeführt wird, ist die in der Richtlinie 84/450/EWG vorgesehene Regelung zum
Schutz der Verbraucher mit dem in Artikel 2 der Richtlinie 79/112/EWG vorgesehenen
Verbot der Irreführung von Verbrauchern, vergleichbar. Da die Richtlinie 84/450/EWG
sich auf alle Waren und Dienstleistungen bezieht und wesentlich genauere
Regelungen betreffend den Schutz des Verbrauchers vor Täuschung vorsieht, ist sie
im vorliegenden Fall nach Ansicht der Republik Österreich sehr wohl heranzuziehen.
Die österreichische Regelung des § 9 Abs. 3 LMG 1975 kann als nicht harmonisierte
einzelstaatliche Vorschrift angewandt werden, wenn sie durch einen in Artikel 15
Absatz 2 der Richtlinie 79/112/EWG genannten Grund gerechtfertigt ist. Hier ist der
Rechtfertigungsgrund des Verbraucherschutzes ausdrücklich genannt.
Sinn der österreichischen Regelung des § 9 Abs. 3 LMG 1975 (Verwendung von nicht
irreführenden und wahren gesundheitsbezogene Angaben erst nach erfolgter
Zulassung) ist nicht, den Verbraucher vor wahrheitsgemäßen Angaben, welche nicht
geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen, zu schützen, sondern vor jenen, die
eben nicht wahr und daher geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen und ihn
dadurch allenfalls zu für seine Gesundheit nachteiligen Handlungen oder
Unterlassungen zu motivieren.
Es geht dabei eben nicht um jene unter Rn. 17 der mit Gründen versehenen
Stellungnahme als Beispiel genannten Angaben, dass der Verbraucher durch diese
Angaben nicht irregeführt wird, versteht sich von selbst und entspricht der
österreichischen Rechtsansicht.
In der Praxis kann es nicht der subjektiven Beurteilung des am Verkaufserfolg
Interessierten überlassen werden, festzustellen, welche Angaben irreführend sind und
welche nicht; Die im Interesse des
Verbraucherschutzes unbedingt notwendige
Objektivität kann nach Ansicht Österreichs nur in einem Zulassungsverfahren
gewährleistet werden.
Weshalb in diesem Zusammenhang von der Kommission neuerlich auf das Urteil in
der Rechtssache C - 383/97, van der Laan, hingewiesen wird, ist für die Republik
Österreich nicht verständlich, da wie in der ergänzenden Stellungnahme der
Republik Österreich ausgeführt - kein Bezug zum gegenständlichen Verfahren
gezogen werden kann; Der Gerichtshof hatte in diesem Fall über die Irreführung im
Zusammenhang mit dem Zutatenverzeichnis und der Bezeichnung eines Produktes
zu urteilen; er hatte jedoch nicht über die Problematik in Zusammenhang mit
gesundheitlichen Behauptungen einem derzeit nicht harmonisierten Bereich zu
befinden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen Beschränkungen des
innergemeinschaftlichen Handels, die sich aus den Unterschieden der nationalen
Rechtsvorschriften ergeben, hingenommen werden, soweit solche Bestimmungen
notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen, u. a. solchen des
Verbraucherschutzes, gerecht zu werden.
Die Republik Österreich vertritt daher weiterhin die Rechtsansicht, dass § 9 Abs. 1, 2
und Abs. 3 LMG 1975 nicht im Widerspruch zu EG - Recht stehen und in
Übereinstimmung mit den Intentionen des Weißbuches dem Schutz der
Verbraucherinnen und Verbraucher vor Irreführung (Täuschung) auf hohem Niveau
dienen.