199/AB XXI.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Maier und Genossen haben am

10. Dezember 1999 unter der Nr. 149/J an die Frau Bundesministerin

Mag. Barbara Prammer eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

gesundheitsbezogene Angaben - Widerspruch zur EU-Rechtslage gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

 

Zu den Fragen 1 bis 3:

Die Anzahl der - positiven wie negativen - Zulassungsbescheide für die Jahre

1996 bis 1998 ist nachstehender Tabelle zu entnehmen:

 

Bescheide gemäß § 9 Abs. 3 Lebensmittelgesetz 1975

 

                               positiv                   negativ                  insgesamt

1996                           91                          6                              97

1997                         103                        24                            127

1998                         138                        19                            157

Eine Kopie der begründeten Stellungnahme der Europäischen Kommission

liegt bei, diese bezieht sich nicht auf das Verbot krankheitsbezogener

Angaben (Beilage 1); eine Kopie der Antwort Österreichs liegt gleichfalls bei

(Beilage 2).

 

 

Zu Frage 4:

In den anderen EU - Mitgliedsländern existiert keine Regelung, die den Ver -

braucher auf so hohem Niveau schützt wie die Rechtsvorschrift des § 9 Le -

bensmittelgesetz 1975, und gleichzeitig den Firmen einen Rechtsanspruch auf

Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben (Gesundheitswerbung) gibt,

sofern dies mit dem Schutz vor Täuschung vereinbar ist.

 

Gemäß der Etikettierungs - Richtlinie ist es untersagt, einem Lebensmittel die

Eigenschaft zuzuschreiben, einer Erkrankung vorzubeugen, sie zu behandeln

oder zu heilen, bzw. auf eine solche Eigenschaft zu verweisen. Die

Europäische Kommission (EK) vertritt in ihrem Weißbuch zur

Lebensmittelsicherheit die Auffassung, daß die Etikettierung und die Werbung

für Lebensmittel keine derartigen Behauptungen über gesundheitliche

Wirkungen enthalten dürfen. Die Europäische Kommission beabsichtigt die

Prüfung, ob spezifische Bestimmungen in das EU - Recht aufgenommen

werden sollten, die „funktionelle Angaben“ regeln (beispielsweise Angaben

über positive Auswirkungen eines Nährstoffs auf bestimmte normale

Körperfunktionen) und ,,Nährwertangaben“ (beispielsweise Angaben über das

Vorhandensein, Fehlen oder die Menge eines in einem Lebensmittel

enthaltenen Nährstoffs oder über seinen Wert im Vergleich zu ähnlichen

Lebensmitteln). Weiters beabsichtigt die Europäische Kommission zu prüfen,

ob eine Anpassung der Bestimmungen der Richtlinie über die Etikettierung

von Lebensmitteln an Verbraucherbedürfnisse und - erwartungen erforderlich

ist.

 

Als weiteren Schritt überlegt die Europäische Kommission, ergänzend zum

Ansatz bei der Etikettierung von Lebensmitteln die dem Verbraucher zur

Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen irreführende Werbeaussagen auf

die oben genannten Arten von Behauptungen („funktionelle Angaben“,

"Nährwertangaben“) zu erweitern. Die Europäische Kommission wird hierzu

einen Vorschlag unterbreiten, um die Richtlinie über irreführende Werbung

abzuändern, und sie wird dafür sorgen, daß die Vorschriften für Werbung und

Etikettierung in bezug auf Behauptungen einen kohärenten legislativen

Rahmen bilden.

 

 

Zu Frage 5:

Aus Verbraucherschutzgründen wäre eine EU - weite Regelung der gesund -

heitsbezogenen Werbung wünschenswert.

 

 

 

Anlage

                                                                                                                                             Beilage 1

 

 

 

MIT GRÜNDEN VERSEHENE STELLUNGNAHME

 

gerichtet an die Republik Österreich

gemäß Artikel 226 des EG - Vertrages

 

betreffend das Verbot gesundheitsbezogener Angaben

auf Lebensmitteln und das Zulassungsverfahren

MIT GRÜNDEN VERSEHENE STELLUNGNAHME

 

gerichtet an die Republik Österreich

gemäß Artikel 226 des EG – Vertrages

 

betreffend das Verbot gesundheitsbezogener Angaben

auf Lebensmitteln und das Zulassungsverfahren

 

I. Sachverhalt

 

1.   Das österreichische Lebensmittelgesetz (LMG) definiert in § 3 Verzehrprodukte als

      Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu

      werden, ohne überwiegend Ernährungs - oder Genußzwecken zu dienen oder

      Arzneimittel zu sein. Nach dem österreichischen Recht steht die Kategorie der

      Verzehrprodukte zwischen den Lebensmitten einerseits und den Arzneimitteln

      andererseits.

 

2.   Gemäß § 9 Abs. 1 LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln,

      Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen „sich auf die Verhütung, Linderung oder

      Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder

      pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende,

      schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck

      einer derartigen Wirkung zu erwecken“ (lit. a), "auf Krankengeschichten, ärztliche

      Empfehlungen und Gutachten hinzuweisen" (lit. b) und ,,gesundheitsbezogene,

      bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers,

      Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige

      auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden“ (lit. c).

 

3.   Die zuständige Behörde hat gemäß § 9 Abs. 3 LMG auf Antrag für bestimmte

      Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid

      zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

      Diese Regelung wird von der ständigen österreichischen Rechtsprechung dahin

      ausgelegt, daß zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung jegliche, wenn auch an

      sich wahre Angaben verboten sind, die irgendwie den Eindruck physiologischer oder

      pharmakologischer Wirkungen erwecken.

 

 

II. Verfahren

 

4.   Die Kommission übermittelte am 16. Februar 1999 der Bundesregierung ein Mahn -

      schreiben. Darin ist sie der Auffassung, daß die Regelung des § 9 Abs. 1 lit. a

      bis c LMG nicht mit den Artikeln 2 Absatz 1 lit b und 15 Absatz 1 und 2 der Richt -

      linie 79/112/EWG betreffend die Kennzeichnung von Lebensmitteln vereinbar ist

      und die Regelung des § 9 Abs. 3 LMG nicht den Grundsätzen des freien Waren -

      verkehrs, wie sie sich aus den Artikel 28 bis 30 EG - Vertrag und der dazu

      ergangenen Rechtsprechung ergeben, entsprechen.

 

5.   Die Bundesregierung bestätigte in ihrer Antwort vom 15. April 1999, daß das in § 9

      Abs. 1 LMG enthaltene Verbot gesundheitsbezogener Angaben für Lebensmittel und

      Verzehrprodukte über das in Artikel 2 Absatz 1 lit. b der Richtlinie 79/112/EWG

      vorgesehene Verbot krankheitsbezogener Werbung hinausgeht. Diese Regelung

       könne daher nur angewendet werden, wenn sie durch einen in Artikel 15 Absatz 2

       der Richtlinie 79/112/EWG genannten Grund gerechtfertigt ist.

 

6.    Entgegen der Auffassung der Kommission werde durch diese Regelung nicht die

       Anwendung der in der Richtlinie 79/112/EWG vorgesehenen Definitionen und

       Bestimmungen beeinträchtigt. Jeder Antragsteller habe einen Rechtsanspruch auf

       Zulassung wahrheitsgemäßer Angaben, wenn sie mit dem Schutz der Verbraucher

       vor Täuschung vereinbar und wahr sind. Es könne nicht dem subjektiven Empfinden

       des Antragstellers überlassen werden, festzustellen, ob eine Angabe wahr oder

       falsch ist, dies bedürfe vielmehr der Überprüfung nach einem objektiven Maßstab

       (wissenschaftliche Erkenntnisse, Literatur, etc.). Die von der Kommission genann -

       ten Beispiele wahrheitsgemäßer Angaben könnten nicht generell als wahrheits -

       gemäße Angaben angesehen werden. Es hänge von der Zusammenstellung des

       konkreten Produktes ab, ob diese Angaben wahrheitsgemäß und folglich zulässig

       sind. Daher sei das Verbot gesundheitsbezogener Angaben in § 9 Abs. 1 LMG zum

       Schutz vor Täuschung gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 79/112/EWG

       gerechtfertigt.

 

7.    Die Bundesregierung beruft sich ebenfalls auf die Richtlinie 84/450/EWG

       betreffend irreführende Werbung, geändert durch die Richtlinie 97/55/EG. Diese

       Richtlinie, deren Schutz u.a. der Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung

       ist, finde auch auf Lebensmittel Anwendung. Nach Artikel 2 dieser Richtlinie seien

       die Begriffe der Werbung und der irreführenden Werbung weit auszulegen. Daher

       erfasse die Richtlinie auch die Werbung für ein Erzeugnis, deren irreführende

       Wirkung auf dem Text auf der Verpackung des betreffenden Erzeugnisses beruht.

       Da § 9 LMG dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung, hier begrenzt auf

       gesundheitsbezogene Angabe/Werbung, dient, liege ein "begrenzter" Aspekt der

       Richtlinie 84/450/EWG vor. Artikel 7 dieser Richtlinie hindere Mitgliedstaaten

       nicht daran, Bestimmungen aufrecht zu erhalten oder zu erlassen, die bei

       irreführender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Verbraucher vorsehen. In

       den Erwägungsgründen werde darauf verwiesen, daß in gewissen Fällen es

       zweckmäßig sein kann, eine irreführende Werbung zu untersagen, noch ehe sie

       veröffentlicht worden ist; dies bedeutet jedoch nicht, daß die Mitgliedstaaten

       verpflichtet sind, eine Regelung einzuführen, die eine systematische Vorabkontrolle

       der Werbung vorsieht. Daraus könne geschlossen werden, daß ein "Vorab -

       Prüfungsverfahren" bei Lebensmitteln mit gesundheitsbezogenen Angaben nicht

       gemeinschaftsrechtswidrig ist.

 

8.    Zu Artikel 28 EG - Vertrag verweist die Bundesregierung auf die Rs. 120/78, ,,Cassis

       de Dijon“, worin der Verbraucherschutz als zwingendes Erfordernis anerkannt

       wurde und wonach Hemmnisse für den Binnenhandel hingenommen werden

       müssen, soweit die fraglichen Bestrafungen notwendig sind, um diesem Erforder -

       nis gerecht zu werden. Die Auslobung gesundheitsbezogener Angaben werde seit

       Jahrzehnten vorab von unabhängigen Sachverständigen der Österreichischen

       Behörde überprüft und der österreichische Verbraucher gehe grundsätzlich davon

       aus, daß die auf dem Markt befindlichen Produkte hinsichtlich der Werbung bereits

       überprüft wurden. Der bestehende Umfang des Verbraucherschutzes in Österreich

       müsse gewährleistet bleiben. Überdies habe der Gerichtshof zugestanden, daß das

       Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln von einem Zulassungsverfahren

       abhängig gemacht werden kann. Die vom Gerichtshof genannten Kriterien für das

       Zulassungsverfahren seien alle für die österreichische Rechtslage erfüllt.

9.    Mit Schreiben vom 14. Juli 1999 übermittelte die Bundesregierung eine ergänzende

       Stellungnahme. Darin führt sie aus, die Richtlinie 79/112/EWG regle in Artikel 2

       das Verbot irreführender sowie krankheitsbezogener Angaben, während über die

       Zulässigkeit von nicht irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben oder Werbung

       keine Aussage getroffen wird. Dies werde etwa dadurch belegt, daß beabsichtigt sei,

       gemeinschaftsweite Regelungen betreffend gesundheitsbezogene Behauptungen

       ("claims") einzuführen. Das Urteil ,,Van der Laan“ sei nicht auf die im vorliegenden

       Verfahren betroffenen Fragen anwendbar.

 

 

III. Rechtliche Würdigung

 

10.  Das vorliegende Verfahren betrifft folgende zwei Punkte: das allgemeine Verbot,

       gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln zu machen, sowie das Erfordernis,

       Produkte, die derartige Angaben aufweisen, einem vorherigen Genehmigungs -

       verfahren zu unterziehen. Nicht betroffen sind die von § 9 Abs. 1 LMG auch

       erfaßten Werbeverbote für Lebensmittel und das damit zusammenhängende

       Genehmigungsverfahren für Werbeaussagen.

 

11.  Die Kommission ist der Auffassung, daß das Verbot gesundheitsbezogener Angaben

       auf Lebensmitteln (§ 9 Abs. 1 lit. a bis c LMG) mit den Artikeln 2 Absatz 1 lit. b

       und 15 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 79/112/EWG betreffend die Kennzeichnung

       von Lebensmitteln sowie das vorherige Genehmigungsverfahren für gesundheits -

       bezogene Angaben (§ 9 Abs. 3 LMG) mit Artikel 28 und 30 EG - Vertrag nicht

       vereinbar sind.

 

       1. Zum Verbot gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln (§ 9 Abs. 1 LMG)

 

       a) Die Tragweite des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 79/112/EWG

 

12.  Diese Regelung sieht vor, daß - vorbehaltlich der auf natürliche Mineralwässer und

       Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, anwendbaren

       Bestimmungen - die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht

       geeignet sein dürfen, einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung,

       Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuzuschreiben oder den

       Eindruck dieser Eigenschaften zu erwecken.

 

13.  Wie dies in der entsprechenden Begründungserwägung der Richtlinie erwähnt wird,

       gilt es zu untersagen, daß die Etikettierung Lebensmitteln des sogenannten

       allgemeinen Verzehrs medizinische Eigenschaften zuschreiben kann.

 

14.  Diese Funktion ist Arzneimitteln vorbehalten, die nach dem Wortlaut von Artikel 1

       der Richtlinie 65/65/EWG auch als „alle Stoffe oder Stoffzusammensetzung, die

       dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung

       einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beein -

       flussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden"

       definiert sind.

 

15.  Die Richtlinie 89/398/EWG definiert die Lebensmittel, die für eine besondere

       Ernährung bestimmt sind, und verbietet die Verwendung des Wortes ,,diäterisch",

       allein oder in Verbindung mit anderen Wörtern zur Bezeichnung von den anderen

       Lebensmitteln des sogenannten allgemeinen Verzehrs (Artikel 2 Absatz 2 Buch -

       stabe a).

 

16.  Daher kann man aus dem Wortlaut des Artikel 2 Absatz 1 lit. b der Richt -

       linie 79/112/EWG und jenem der anderen oben genannten Texte den Schluß ziehen,

       daß Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs in ihrer Etikettierung weder

       Behauptungen aufweisen dürfen, die unter die Definition der Arzneimittel fallen,

       noch das Wort "diätetisch“ verwenden dürfen. Diese Bestimmungen lassen jedoch

       für die betroffenen Lebensmittel Raum für gesundheitsbezogene Angaben, die nicht

       unter die genannten Verbote fallen.

 

17.  Zahlreiche Beispiele können diese Schlußfolgerung belegen; so besteht etwa im

       Falle eines Lebensmittels des allgemeinen Verzehrs, das mit Vollkorngetreide

       hergestellt wurde, grundsätzlich kein Einwand dagegen, bestimmte gesundheits -

       fördernde Wirkungen zu nennen, vorausgesetzt diese Behauptungen fallen nicht

       unter die oben genannten Definitionen. In diesem Fall führt die Tatsache, daß der

       gesundheitsfördernde Charakter einer Ernährung, die eine ausreichende Zufuhr an

       Ballaststoffen enthält, betont wird, nämlich nicht zu einer möglicherweise

       unsicheren Einordnung dieser Lebensmittel.

 

       b) Voraussetzung für die Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben

 

18.  Die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben bei der Etikettierung von Lebens -

       mitteln des allgemeinen Verzehrs, unter den unter Punkt a) genannten Voraussetzun -

       gen, ist nur unter Beachtung der anderen in der Richtlinie 79/112/EWG genannten

       Voraussetzungen möglich, insbesondere dürfen sie nicht geeignet sein, den Käufer

       zu täuschen.

 

19.  Es obliegt den staatlichen Behörden, alle Schritte zu ergreifen, mit denen festgestellt

       werden kann, daß die fraglichen Behauptungen unter Beachtung der oben

       aufgezählten Voraussetzungen verwendet werden. Diese Behörden müssen diese

       Verpflichtung unter Beachtung der Vorschriften betreffend den freien Warenverkehr

       ausüben.

 

       c) Zur Regelung des Art. 9 Abs 1 LMG

 

20.  Die Regelung des § 9 Abs. 1 lit. a bis c LMG enthält neben dem Verbot krankheits -

       bezogener Angaben auch ein solches gesundheitsbezogener Angaben auf Lebens -

       mitteln und Verzehrprodukten (etwa Hinweise auf physiologische oder pharmakolo -

       gische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlank -

       machende oder gesunderhaltende Wirkungen).

 

21.  Die fraglichen österreichischen Rechtsvorschriften lassen in ihrer Auslegung und

       Anwendung nicht zu, daß im Rahmen der oben angegebenen Grenzen Lebensmittel

       des allgemeinen Verzehrs gesundheitsbezogene Angaben tragen. Eine solche

       Vorgehensweise begrenzt damit den Anwendungsbereich des Artikels 2 Absatz 1

       Buchstabe b der Richtlinie 79/112/EWG.

 

22.  Gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 79/112/EWG dürfen die Mitgliedstaaten

       den Verkehr mit Lebensmitteln, die den Bestimmungen dieser Richtlinie

       entsprechen, nicht durch die Anwendung nicht harmonisierter einzelstaatlicher

       Vorschriften verbieten, welche die Etikettierung und Aufmachung einzelner

       Lebensmittel oder der Lebensmittel im allgemeinen regeln. Davon ausgenommen

       sind nicht harmonisierte einzelstaatliche Vorschriften, die gerechtfertigt sind zum

       Schutz der Gesundheit, vor Täuschung, sofern sie nicht bewirken, daß die

       Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Definitionen und Bestimmungen

       beeinträchtigt wird, des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, der

       Herkunftsbezeichnungen und Ursprungsangaben sowie vor unlauterem Wettbewerb

       (Artikel 15 Absatz 2).

 

23.  Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gestattet die Richtlinie 79/112/EWG

       wegen ihres allgemeinen, horizontalen Charakters den Mitgliedstaaten, Vorschriften

       beizubehalten oder zu erlassen, die zu den Vorschriften der Richtlinie hinzutreten.

       Für die Etikettierung von Lebensmitteln werden die Grenzen der den Mitglied -

       staaten damit belassen Befugnis in der Richtlinie selbst gezogen, weil sie in

       Artikel 15 Absatz 2 die Rechtfertigungsgründe abschließend aufgezählt (vgl.

       Rs. C - 241/89, SARPP, Slg. 1990, S. I - 4695, Rz. 15). Diese Ausnahmebestimmung

       ist eng und im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips, wie es der Gerichtshof zu

       Artikel 30 EG - Vertrag entwickelt hat, auszulegen.

 

24.  Wie unter Punkt 21 festgestellt wurde, geht diese Regelung damit über das hinaus,

       was von dem genannten Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 79/112/EWG

       vorgesehen ist, und ist als nicht harmonisierte einzelstaatliche Vorschrift anzusehen,

       die zu den Vorschriften der Richtlinie 79/112/EWG hinzutritt, Infolgedessen kann

       diese Regelung nur angewandt werden, wenn sie durch einen in Artikel 15 Absatz 2

       genannten Grund (Schutz der Gesundheit, Verbraucherschutz, unlauterer Wett -

       bewerb) gerechtfertigt ist.

 

25.  Die Bundesregierung beruft sich zur Rechtfertigung dieser Regelungen darauf, daß

       es zum Schutz des Verbrauchers erforderlich sei, die auf einem Produkt gemachten

       Angaben nach einem objektiven Maßstab vorab zu überprüfen, bevor sie vertrieben

       werden können. Diese Prüfung hänge von der konkreten Zusammensetzung des

       Produktes ab.

 

26.  Die Kommission ist der Auffassung, daß ein generelles Verbot gesundheits -

       bezogener Angaben für Lebensmittel und Verzehrprodukte nicht gerechtfertigt ist.

       Aus den unter Punkt 16 und 17 gemachten Äußerungen kann der Schluß gezogen

       werden, daß die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben für Lebensmittel des

       allgemeinen Verzehrs, soweit sie alle vorher genannten Voraussetzungen einhalten,

       nicht im vorhinein generell und absolut verboten werden können, ohne die

       genannten Bestimmungen der Richtlinie 79/112/EWG zu beachten.

 

27.  Unter dieses Verbot fallen auch wahrheitsgemäße Angaben, welche nicht geeignet

       sind, den Verbraucher irre zu führen; diese werden in anderen Mitgliedstaaten als

       unbedenklich angesehen. Dabei handelt es sich um Angaben über allgemein

       verständliche Eigenschaften, durch die der verständige Verbraucher im Sinne der

       Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Rs. C - 470/93, Mars, Slg. 1995,

        S. I - 1923 und Rs. C - 51/94, „Sauce Béarnaise", Slg. 1995, S. I - 3599) nicht irrege -

       führt werden kann. Es ist unverständlich, inwieweit ein Verbraucher durch die im

       unter Punkt 17 als Beispiel genannte Angabe irregeführt werden kann.

 

28.  In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in der

       Rs. C - 383/97, van der Laan (Urteil vom 9. Februar 1999, Rz. 37f.) festgestellt hat,

       daß ein Mitgliedstaat nicht geltend machen kann, daß ein Artikel 3 der

       Richtlinie 79/112/EWG entsprechendes Zutatenverzeichnis eine Irreführung im

       Sinne des Artikels 15 Absatz 2 der Richtlinie darstelle und die Anwendung nicht

       harmonisierter nationaler Vorschriften rechtfertige. Die Anwendung derartiger

       Vorschriften wäre nicht nur geeignet, die Anwendung der in der Richtlinie

       vorgesehenen Definitionen und Bestimmungen zu beeinträchtigen. Sie würde zudem

       ein nicht gerechtfertigtes Hindernis für den freien Warenverkehr darstellen.

 

29.  Schließlich ist zum Argument der Bundesregierung betreffend die Verbrauchervor -

       stellungen darauf hinzuweisen, daß nach dem Gerichtshof das Recht eines

       Mitgliedstaats nicht dazu dienen darf, die gegebenen Verbrauchsgewohnheiten, zu

       zementieren, um einer mit deren Befriedigung befaßten inländischen Industrie einen

       erworbenen Vorteil zu bewahren, wenn andere Maßnahmen zum Schutz der

       Verbraucher gegen Irreführungen bestehen (vgl. Rs. 178/84, Kommission/Deutsch -

       land, Slg. 1987, S. 1227, Rz. 32).

 

30.  Die Kommission ist daher der Auffassung, daß das generelle Verbot gesundheits -

       bezogener Angaben auf Lebensmitteln, soweit keine Eignung zur Irreführung

       besteht, nicht zum Schutz der Verbraucher vor Täuschung erforderlich ist und

       folglich nicht durch Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 79/112/EWG gerechtfertigt

       ist.

 

       2. Zum vorherigen Genehmigungsverfahren gesundheitsbezogener Angaben auf

           Lebensmitteln (§ 9 Abs. 3 LMG)

 

31.  Das vorherige Genehmigungsverfahren ist im Lichte der Vertragsvorschriften über

       den freien Warenverkehr (Artikel 28 und 30 EG - Vertrag) zu prüfen. Wie aus

       Punkt 23 abgeleitet werden kann, ist diese Frage nicht von der Richt -

       linie 79/112/EWG betreffend die Kennzeichnung von Lebensmitteln erfaßt.

 

32.  Das Erfordernis, gemäß § 9 Abs. 3 LMG eine Genehmigung einzuholen, auch wenn

       sie bei wahrheitsgemäßen und nicht irreführenden Angaben - wie dies die Bundes -

       regierung ausführt - möglich ist, stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne

       des Artikels 28 EG - Vertrag dar.

 

33.  Bei dem fraglichen Genehmigungsverfahren handelt es sich um eine Maßnahme, die

       unterschiedslos auf einheimische und aus anderen Mitgliedstaaten verbrachte Waren

       anwendbar ist.

 

34.  Die fragliche Regelung führt dazu, daß Produkte mit gesundheitsbezogenen

       Angaben, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder vertrieben

       werden, nicht unmittelbar auf den österreichischen Markt gebracht werden können.

       Als Voraussetzung für ihre Vermarktung muß erst geklärt werden, ob die

       gesundheitsbezogenen Angaben unbedenklich und damit zulässig sind. Damit

       entsteht ein Hindernis für den innergemeinschaftlichen Handel mit diesen

       Erzeugnissen.

 

35.  Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen Beschränkungen des

       innergemeinschaftlichen Handels, die sich aus den Unterschieden der nationalen

       Rechtsvorschriften ergeben, hingenommen werden, soweit solche Bestimmungen

       notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen, u. a. solchen des Verbraucher -

       schutzes, gerecht zu werden, oder die in Artikel 30 EG - Vertrag genannten

       Rechtfertigungsgründe, z. B. der Schutz der Gesundheit und des Lebens von

       Menschen, eingreifen. Derartige Bestimmungen sind jedoch nur zulässig, wenn sie

       in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen und wenn dieser

       Zweck nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaft -

       lichen Handel weniger beschränken (vgl. Rs. 120/78, ,,Cassis de Dijon", Slg. 1979.

       S. 837).

 

36.  Es ist zwar zutreffend, daß der Gerichtshof zugestanden hat, das Inverkehrbringen

       bestimmter Lebensmittel von einem Zulassungsverfahren abhängig zu machen. Es

       ist jedoch zu berücksichtigen, daß ein solches Verfahren lediglich aus Gründen des

       Schutzes der öffentlichen Gesundheit für zulässig erachtet wurde (vgl. Rs. 304/84,

       Muller, Slg. 1986, S. 1521 und Rs. 178/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1987,

       S. 1227). Da Artikel 30 EG - Vertrag eine Ausnahme vom Grundsatz des freien

       Warenverkehrs darstellt, ist er eng auszulegen (vgl. Rs. 220/81, Robertson,

       Slg. 1982, S. 2349 und Rs. 229/83, Leclerc, Slg. 1985, S. 1). Daher kann diese

       Rechtsprechung nicht zur Rechtfertigung des § 9 Abs. 3 LMG, der dem Verbrau -

       cherschutz dienen soll, herangezogen werden.

 

37.  Die von der Bundesregierung auf die Richtlinie 84/450 betreffend irreführende

       Werbung gestützten Argumente zur Rechtfertigung eines vorherigen Genehmi -

       gungsverfahrens gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln können im

       vorliegenden Fall nicht geltend gemacht werden. Wie unter Punkt 23 ausgeführt, ist

       die Frage der Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln von der Richt -

       linie 79/112/EWG abschließend erfaßt. Diese Richtlinie enthält in Artikel 2 bereits

       ein Verbot der Irreführung von Verbrauchern. Die in der Richtlinie 84/450/EWG

       vorgesehene Regelung zum Schutz der Verbraucher ist damit vergleichbar; sie stellt

       eine generelle Regelung dar, weil sie sich auf alle Waren und Dienstleistungen

       bezieht. Daher ist im vorliegenden Fall die Richtlinie 79/112/EWG wegen ihres

       spezielleren Anwendungsbereiches heranzuziehen und nicht die Richt -

       linie 84/450/EWG.

 

38.  Da die Kommission der Meinung ist, daß bereits das generelle Verbot

       gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln nicht zum Schutz der

       Verbraucher gerechtfertigt ist, folgt daraus für das damit zusammenhängende

       vorherige Genehmigungsverfahren dieselbe Schlußfolgerung. Überdies kann der

       Schutz der Verbraucher durch Maßnahmen gewährleistet werden, die den freien

       Warenverkehr weniger beschränken als das Erfordernis einer vorherigen

       Genehmigung. So könnten etwa geeignete Kontrollen auf dem Markt durchgeführt

       werden, um Waren mit Angaben aufzufinden, die geeignet erscheinen, den

       Verbraucher zu täuschen, wie dies der Gerichtshof in einem mit dem vorliegenden

       Fall vergleichbaren Verfahren ausgeführt hat (Rs. C - 77/97, Österreichische

       Unilever, Urteil vom 28. Januar 1999, Rz. 34f.). In ihrer Stellungnahme ist die

       Bundesregierung nicht darauf eingegangen, warum das ,,Vorab - Prüfungsverfahren"

       gemäß § 9 Abs. 3 LMG das gelindeste und einzige geeignete Mittel zum Schutz der

       Verbraucher vor Täuschung darstellt. Die Regelung des § 9 Abs. 3 LMG stellt daher

       eine gemäß 28 EG - Vertrag verbotene Maßnahme gleicher Wirkung dar, die nicht

       gerechtfertigt ist.

AUS DIESEN GRÜNDEN GIBT DIE KOMMISSION,

 

entsprechend Artikel 226 Absatz 1 EG - Vertrag,

 

DIE MIT GRÜNDEN VERSEHENE STELLUNGNAHME AB,

 

daß die Republik Österreich ihren Verpflichtungen aus Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b

und Artikel 15 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/112/EWG sowie aus Artikel 28 EG -

Vertrag nicht nachgekommen ist, indem sie Art. 9 Abs. 1 LMG dahin auslegt und

anwendet, daß gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln des allgemeinen

Verzehrs generell und absolut verboten sind und indem sie die Zulassung gesundheits -

bezogener Angaben einem vorherigen Genehmigungsverfahren (Art. 9 Abs. 3 LMG)

unterwirft.

 

Gemäß Artikel 226 Absatz 2 EG - Vertrag fordert die Kommission die Regierung auf,

innerhalb von zwei Monaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser

Stellungnahme nachzukommen.

                                                                                                                             Beilage 2

 

 

 

STELLUNGNAHME

DER REPUBLIK ÖSTERREICH

 

zur mit Gründen versehenen Stellungnahme der Europäischen Kommission

betreffend Schwierigkeiten beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln und

Nahrungsergänzungsmitteln,

Dok. SG(99) D/8897 Nr. 98/4739,

vom 9.11.1999

gemäß Art. 226 EG - Vertrag

Herr Kommissar!

 

 

In Beantwortung des Schreibens der Europäischen Kommission vom 9.11.1999,

Dok. SG(99) D/8897, Nr. 98/4739

nimmt die Republik Österreich wie folgt Stellung:

 

 

1. Zum „generellen Verbot“ gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln

Zum Vorbringen der Kommission zu Punkt 1 (Rn. 12 - 30) der mit Gründen

versehenen Stellungnahme muss festgestellt werden, dass die Kommission

offensichtlich davon ausgeht, dass in Österreich ein „generelles Verbot

gesundheitsbezogener Angaben für Lebensmittel und Verzehrprodukte“ besteht. § 9

Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86/1975 (im Folgenden: LMG) kann jedoch nicht

in diesem Sinne interpretiert werden. Betrachtet man den § 9 Abs 1 LMG nämlich

nicht völlig isoliert sondern im Zusammenhang mit Absatz 3, so wird evident, dass

gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen sind, wenn dies mit dem

Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist. Bei der Auslegung einer

nationalen Norm müssen alle Absätze derselben in Betracht gezogen werden, um

den Sinn und vor allem die Tragweite eines bestimmten Absatzes abschätzen zu

können. Österreich wendet im Bereich der gesundheitsbezogenen Angaben ein

Verbotssystem mit Erlaubnisvorbehalt an. In diesem Zusammenhang ersucht die

Republik Österreich die Kommission, die von ihr angeführte „ständige österreichische

Rechtsprechung“ (Rn. 3 der mit Gründen versehenen Stellungnahme) der Republik

Österreich zur Kenntnis zu bringen, wonach wahre gesundheitsbezogene Angaben

nicht gemäß § 9 Abs 3 LMG zu bewilligen sind.

 

Der Vollständigkeit halber weist die Republik Österreich darauf hin, dass - sollte der

Hinweis in Rn. 29 der mit Gründen versehenen Stellungnahme auf den Umstand

gemünzt sein, dass die Verbraucher in Österreich auf die geprüfte Richtigkeit der

gesundheitsbezogenen Lebensmitteln vertrauen -, dass der Gesundheits - und

Verbraucherschutz nicht dazu dient „um einer mit der[] Befriedigung [der gegebenen

Verbrauchsgewohnheiten] befaßten inländischen Industrie einen erworbenen Vorteil

zu bewahren“. Eine Verbrauchsgewohnheit, die in der Vorstellung eines Getränks mit

der Bezeichnung Bier, besteht, kann doch nicht mit dem berechtigten Vertrauen in die

Richtigkeit gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln verglichen werden.

 

 

2. Zum Genehmigungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben auf

Lebensmitteln

§ 9 LMG 1975 wurde geschaffen, weil durch gesundheitsbezogene Anpreisungen und

gesundheitsbezogene Werbung eine Irreführung der Verbraucherinnen und

Verbraucher in breitem Ausmaß erfolgen kann. Durch besondere, einseitige

Hervorhebung der jedem Lebensmittel innewohnenden physiologischen Wirkung

(normales Stoffwechselgeschehen) auf den Organismus ist es möglich, beim Laien

völlig falsche Vorstellungen über den wahren Wert und die Bedeutung eines

bestimmten Lebensmittels zu erwecken.

Gleichzeitig wurde jedoch sichergestellt, dass jeder Antragsteller einen

Rechtsanspruch auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben (§ 9 Abs. 3 LMG

1975) hat, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist

und die Angaben auch wirklich wahr sind. Es muss insbesondere darauf hingewiesen

werden, dass auch an sich wahre Angaben geeignet sein können, Täuschungen in

Form von Erwartungen beim Konsumenten zu evozieren. Daher ist in einem

verwaltungsverfahren seitens der Gesundheitsbehörde zu prüfen, ob die behaupteten

Angaben - objektiv betrachtet - der Wahrheit entsprechen).

 

Jeder Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf Zulassung gesundheitsbezogener

Angaben, wenn sie mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar und

wahr sind. Es ist zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass Österreich ein effizientes

Verfahren geschaffen hat, das es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, die

Genehmigung einer gesundheitsbezogenen Angabe für ein bestimmtes Produkt zu

erreichen. Das Verfahren hiezu ist leicht zugänglich und kann innerhalb eines

angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden. Führt das Verfahren zu einer

Ablehnung, kann diese im Rahmen eines gerichtlichen Verfahren angefochten

werden. Die Kommission trägt nicht vor, dass die österreichischen Behörden einen

Antrag eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer die Bewilligung einer

gesundheitsbezogenen Angabe, die keine Täuschung des Verbrauchers

hervorzurufen geeignet ist, abgelehnt hätten. Die von der Kommission in Rn. 17 der

mit Gründen versehenen Stellungnahme genannte Angabe wäre - da es sich hierbei

um eine denkbar unproblematische Angabe handelt - innerhalb weniger Wochen

bewilligt worden.

 

§ 9 LMG 1975 dient daher in besonders ausgewogener Weise dem Gesundheits - und

Verbraucherschutz, ohne seriöse gesundheitsbezogene Angaben verhindern zu

wollen. Diese Bestimmung ist daher als international anerkanntes Instrument der

Gesundheitspolitik Österreichs unverzichtbar, um den Schutz der Verbraucherinnen

und Verbraucher vor unseriösen ,,Wundermitteln" die in den letzten Jahren

zunehmend auch den EG - Binnenmarkt überschwemmen, zu gewährleisten.

 

In diesem Zusammenhang wird daher mit Befremden vermerkt, dass - im Gegensatz

zu den immer stärker werdenden Bemühungen der EU im Hinblick auf die Erstellung

eines Weißbuches für den Lebensmittelbereich mit den Schwerpunkten

,,Lebensmittelsicherheit“ und „Schutz vor Irreführung/Täuschung" - die Gesetzgebung

eines EU - Mitgliedslandes, das unbestritten seit Jahrzehnten ein hohes Schutzniveau

auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts aufweist, mit Argumenten angegriffen wird,

die eine bedauerliche Bevorzugung der Handelsinteressen vor den Interessen des

Gesundheits - und Täuschungsschutzes erkennen zu lassen scheinen.

 

Die Republik Österreich teilt nicht die Meinung der Kommission (bzw. der GD

Binnenmarkt), dass die Richtlinie 79/112/EWG die Frage der Etikettierung und

Aufmachung von Lebensmitteln abschließend regelt. Die Richtlinie 79/112/EWG

regelt in Artikel 2 das Verbot irreführender sowie krankheitsbezogener Angaben,

während über die Zulässigkeit von nicht irreführenden gesundheitsbezogenen Anga -

ben/Werbung keine Aussage getroffen wird. In diesem Zusammenhang wird

nochmals auf die ergänzende österreichische Stellungnahme vom 7. Juli 1999

verwiesen.

 

Die Kommission führt aus, dass das Genehmigungsverfahren eine Maßnahme ist, die

unterschiedslos auf einheimische und aus anderen Mitgliedstaaten verbrachte Waren

anwendbar ist. Es handelt sich daher um eine nicht - diskriminierende Maßnahme. Die

Kommission bestreitet die Eignung der Maßnahme nicht, bestreitet jedoch, dass es

sich hierbei um das gelindeste Mittel handelt.

 

Tatsächlich wäre das von der Kommission unter Punkt 1 angeführte generelle Verbot

- ohne Möglichkeit einer Bewilligung - eine Maßnahme, die nicht das gelindeste Mittel

im Sinne der EuGH - Rechtsprechung darstellte. Die Kommission steht auf dem

Standpunkt, dass geeignete Kontrollen auf dem Markt durchgeführt werden könnten,

um Waren mit Angaben aufzufinden, die den Gesundheitsschutz und den Schutz der

Verbraucher beeinträchtigen.

 

Die Bewilligungspflicht für die gegenständlichen Angaben stellt nach Ansicht der

Republik Österreich jedoch das gelindeste Mittel dar, um die Gesundheit der

Verbraucher bzw. den Verbraucher vor Täuschung zu schützen und das Vertrauen in

Angaben auf Lebensmitteln zu erhalten.

 

Die Erfahrungen der zuständigen Behörde zeigen, dass im Verfahren gemäß § 9

Abs 3 LMG Anmeldungen von fachkundigen Anwälten und Anwältinnen eingereicht

werden, welche sogar generell verbotene krankheitsbezogene Bezeichnungen

enthalten. Offensichtlich vermag es nicht einmal gelingen, den Begriff der

"krankheitsbezogenen Werbung" des Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 79/112/EWG zu

erkennen; wie soll man dann den mit der Rechtslage in aller Regel (im Vergleich zu

Rechtsanwälten) weniger vertrauten Wirtschaftsunternehmen zutrauen, selbst zu

erkennen, welche gesundheitsbezogenen (wenn man die krankheitsbezogenen

Angaben beiseite lässt) Angaben mit dem Schutz der Verbraucher vereinbar und

wahr sind. Dies würde wohl den Gedanken des Verbraucherschutzes ad absurdum

führen. Die staatliche Vorabkontrolle stellt ein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

entsprechendes Mittel des Verbraucherschutzes dar, da eine nachträgliche Kontrolle

von bereits in Verkehr befindlichen Produkten dieses - ebenso hohe wie notwendige -

Maß an Verbraucherschutz nicht gewährleisten kann. Nachträgliche Kontrollen auf

dem Markt vermögen den Verbraucher auf diesem ,,boomenden Markt" der

„Wundermittel" nicht ausreichend zu schützen.

 

Die Kommission führt im gegebenen Zusammenhang das Urteil in der Rs. C - 77/97,

Österreichische Unilever, Urteil vom 28. Januar 1999, Slg. 1999, I - 431, Rz. 34 f an.

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich in dem angeführten Fall um

ein Kosmetikum und nicht um ein Lebensmittel handelte und dass der Schutz der

Verbraucher im Lebensmittelbereich besonders stark ausgeprägt sein muss, da in

diesem heiklen Bereich, der in Bezug auf gesundheitsbezogene Angaben nicht

harmonisiert wurde, den Mitgliedstaaten - aber auch allen Kommissionsdienststellen

der Europäischen Gemeinschaft - eine besondere Verantwortung gegenüber den

Bürgern der Mitgliedstaaten zukommt. Es muss Sache der Mitgliedstaaten sein, in

welchem Umfang sie den Schutz der Verbraucher, der mit dem Schutz der

Gesundheit im Nahrungsmittelbereich verquickt ist, gewährleisten wollen.

Es ist erneut darauf hinzuweisen, dass Verbraucherschutz im Gesundheitsschutz

aufgehen kann. So könnten beispielsweise irreführende Angaben auf einem Produkt,

die dem Produkt Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt (z.B. „fördert Ihre

Gesundheit“), bei kranken Menschen negative gesundheitliche Folgen haben,

insbesondere dann, wenn eine effektive Bekämpfung von Krankheiten und deren

Symptomen in solchen Fällen unterlassen würde, da die Kranken auf die "Wirkung“

des Produkts vertrauen. Auch dieses in der ergänzenden Österreichischen

Stellungnahme vom 7, Juli 1999 vorgebrachte Argument konnte seitens der

Kommission nicht entkräftet werden.

 

Auf die Argumentation Österreichs in der ergänzenden Stellungnahme vom 7. Juli

1999, dass Überlegungen in der Kommission angestrengt werden, Regelungen über

,,food claims“ zu treffen und dass somit sehr wohl zwischen Kennzeichnung (geregelt

in der Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG) und Behauptungen/Werbung ("Claims")

unterschieden wird, wurde in der begründeten Stellungnahme der Kommission

bedauerlicherweise nicht eingegangen.

 

Inwiefern die Richtlinie 84/450/EWG im vorliegenden Fall nicht heranzuziehen ist, ist

für die Republik Österreich nicht nachvollziehbar. Wie von der Kommission selbst

ausgeführt wird, ist die in der Richtlinie 84/450/EWG vorgesehene Regelung zum

Schutz der Verbraucher mit dem in Artikel 2 der Richtlinie 79/112/EWG vorgesehenen

Verbot der Irreführung von Verbrauchern, vergleichbar. Da die Richtlinie 84/450/EWG

sich auf alle Waren und Dienstleistungen bezieht und wesentlich genauere

Regelungen betreffend den Schutz des Verbrauchers vor Täuschung vorsieht, ist sie

im vorliegenden Fall nach Ansicht der Republik Österreich sehr wohl heranzuziehen.

 

Die österreichische Regelung des § 9 Abs. 3 LMG 1975 kann als nicht harmonisierte

einzelstaatliche Vorschrift angewandt werden, wenn sie durch einen in Artikel 15

Absatz 2 der Richtlinie 79/112/EWG genannten Grund gerechtfertigt ist. Hier ist der

Rechtfertigungsgrund des Verbraucherschutzes ausdrücklich genannt.

 

Sinn der österreichischen Regelung des § 9 Abs. 3 LMG 1975 (Verwendung von nicht

irreführenden und wahren gesundheitsbezogene Angaben erst nach erfolgter

Zulassung) ist nicht, den Verbraucher vor wahrheitsgemäßen Angaben, welche nicht

geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen, zu schützen, sondern vor jenen, die

eben nicht wahr und daher geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen und ihn

dadurch allenfalls zu für seine Gesundheit nachteiligen Handlungen oder

Unterlassungen zu motivieren.

 

Es geht dabei eben nicht um jene unter Rn. 17 der mit Gründen versehenen

Stellungnahme als Beispiel genannten Angaben, dass der Verbraucher durch diese

Angaben nicht irregeführt wird, versteht sich von selbst und entspricht der

österreichischen Rechtsansicht.

 

In der Praxis kann es nicht der subjektiven Beurteilung des am Verkaufserfolg

Interessierten überlassen werden, festzustellen, welche Angaben irreführend sind und

welche nicht; Die im Interesse des Verbraucherschutzes unbedingt notwendige

Objektivität kann nach Ansicht Österreichs nur in einem Zulassungsverfahren

gewährleistet werden.

 

Weshalb in diesem Zusammenhang von der Kommission neuerlich auf das Urteil in

der Rechtssache C - 383/97, van der Laan, hingewiesen wird, ist für die Republik

Österreich nicht verständlich, da wie in der ergänzenden Stellungnahme der

Republik Österreich ausgeführt - kein Bezug zum gegenständlichen Verfahren

gezogen werden kann; Der Gerichtshof hatte in diesem Fall über die Irreführung im

Zusammenhang mit dem Zutatenverzeichnis und der Bezeichnung eines Produktes

zu urteilen; er hatte jedoch nicht über die Problematik in Zusammenhang mit

gesundheitlichen Behauptungen einem derzeit nicht harmonisierten Bereich zu

befinden.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen Beschränkungen des

innergemeinschaftlichen Handels, die sich aus den Unterschieden der nationalen

Rechtsvorschriften ergeben, hingenommen werden, soweit solche Bestimmungen

notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen, u. a. solchen des

Verbraucherschutzes, gerecht zu werden.

 

Die Republik Österreich vertritt daher weiterhin die Rechtsansicht, dass § 9 Abs. 1, 2

und Abs. 3 LMG 1975 nicht im Widerspruch zu EG - Recht stehen und in

Übereinstimmung mit den Intentionen des Weißbuches dem Schutz der

Verbraucherinnen und Verbraucher vor Irreführung (Täuschung) auf hohem Niveau

dienen.