2013/AB XXI.GP
Eingelangt am:
DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
zur Zahl 2021/J-NR/2001
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gabriela Moser, Mag. Terezija Stoisits,
Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend
"Einsparungen durch die Auflassung der Bezirksgerichte" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Die österreichische Gerichtsorganisation, die im Wesentlichen aus der Mitte des
vorigen Jahrhundert stammt, weist im Vergleich zu anderen österreichischen Behör -
denstrukturen und im internationalen Vergleich eine viel zu starke räumliche Aufsplit -
terung auf. Ich habe daher meinen Mitarbeitern den Auftrag erteilt, insbesondere
unter dem Aspekt einer ausgewogenen, qualitativ hochstehenden Rechtsversorgung
und einer optimalen leistungsstarken mittleren Gerichtsgröße ein Konzept einer
idealtypischen Gerichtsorganisation unter Berücksichtigung der bestehenden Infra -
struktur auszuarbeiten. Im Mittelpunkt meiner Bemühungen steht daher die qualita -
tive Verbesserung der Rechtsversorgung der Bevölkerung; dass dadurch auch
erhebliche Einsparungseffekte zu erzielen sind, stellt lediglich einen Nebenaspekt
dar.
Es sollen klare und leistungsstarke Organisationsstrukturen geschaffen werden, die
auf die Rechtsmittelzüge in den Verfahrensgesetzen abgestimmt sind. Der Ansatz
ist ein weitreichender, der grundsätzlich alle Bezirksgerichte mit in die Reformpläne
einbezieht. Es soll für alle erstinstanzlichen Rechtssachen dieselbe Organisations -
ebene zuständig sein (die unterschiedlichen Eingangszuständigkeiten der Bezirks -
und Landesgerichte sollen entfallen). Weiters sollen die vier Organisationsebenen
(Bezirksgericht, Landesgericht,
Oberlandesgericht, Oberster Gerichtshof) auf drei
Organisationsebenen (Regionalgerichte; Oberlandesgerichte; Oberster Gerichtshof)
reduziert werden.
Die Rechtsprechung soll auch bürgenäher erfolgen. Die Eingangszuständigkeiten
von den 21 Landesgerichten sollen (mit Ausnahme haftanfälliger Strafsachen) auf
die geplanten 64 neuen Regionalgerichte übertragen werden; gleichzeitig soll eine
Konzentration der Zuständigkeiten der 192 Bezirksgerichte auf die 64 neuen Regio -
nalgerichte erfolgen.
Gemäß § 8 Abs. 5 lit. d des Übergangsgesetzes 1920 bedürfen Änderungen in den
Sprengeln der Bezirksgerichte der Zustimmung der jeweiligen Landesregierung. Ich
habe daher das ausgearbeitete Konzept den Landeshauptmännern bei der Landes -
hauptmännerkonferenz am 17. Februar 2001 im Warmbad - Villach vorgestellt. Mit
Schreiben vom 21. Februar 2001 habe ich alle Landeshauptmänner (mit Ausnahme
der Bundeshauptstadt Wien) um Mitteilung ersucht, wann ich das Organisationskon -
zept in einer Sitzung der jeweiligen Landesregierung darlegen kann. Dem Rechts -
ausschuss des Gemeindebundes wurde das neue Konzept bereits am 28. Februar
2001 in St. Pölten vorgestellt; die Präsentation für den Hauptausschuss des österrei -
chischen Städtebundes fand am 15. März 2001 statt. Am 17. April 2001 habe ich
bereits Gespräche mit den Landesregierungen von Salzburg und Burgenland
geführt. Diese Gespräche sind sehr konstruktiv verlaufen, sodass eine Einigung
über die künftige Gerichtsorganisation in Österreich erwartet werden kann, die den
Bedürfnissen der Bevölkerung im Sinne einer optimalen Rechtsversorgung
entspricht. Die Gespräche mit den Landesregierungen der anderen Bundesländer
werden in Bälde folgen.
Zu 2:
Von den derzeit bestehenden 192 Bezirksgerichten lasten
28 (=14,6 %) nicht einmal einen Richter zur Gänze und
23 (=12,0 %) nur einen Richter
aus. Im Detail wird auf die angeschlossene kartografische Darstellung verwiesen,
aus der exakt jene Gerichtssprengel ersichtlich sind, die mit weniger als einem bzw.
mit einem Richter besetzt sind.
Zu 3 und 4:
Der Personal - und Sachaufwand bei den Bezirksgerichten stellt sich nach durchge -
führten Abfragen aus der Haushaltsverrechnung für das Jahr 2000 wie folgt dar:
|
Bundesland |
ansatzwiese in Mio S |
||
Personalaufwandder Bge |
Sachaufwand der BGe |
|
|
|
UT 0 |
UT 3 bis 9 |
Summe |
|
|
Wien |
537,4 |
325,4 |
864,8 |
|
Burgenland |
57,2 |
19,7 |
76,9 |
|
Niederösterreich |
402,5 |
282,9 |
685,4 |
|
Steiermark |
263,6 |
112,3 |
375,9 |
|
Kärnten |
130,9 |
40,8 |
171,7 |
|
Oberösterreich |
272,4 |
95,5 |
367,9 |
|
Salzburg |
126,8 |
37,1 |
163,9 |
|
Tirol |
166,4 |
76,4 |
242,8 |
|
Vorarlberg |
80,2 |
33 |
113,2 |
|
Gesamtsummer |
2.039,4 |
1.023,1 |
3.062,5 |
In der Aufstellung nicht enthalten sind im Zentralkredit, nicht dienststellenbezogen
verrechnete ADV - Sachausgaben, Ausgaben für die Abfertigungen im Wege der
Poststraße sowie eine Zuordnung der Richteramtsanwärter und Rechtspraktikanten
(bei denen die Personalkosen zentral beim jeweiligen Oberlandesgericht verrechnet
werden).
Zu 5 bis 8:
Wie bereits zu Frage 1 dargestellt, steht im Mittelpunkt der Bemühungen zur
Verbesserung der Gerichtsstruktur die Qualität der Rechtsversorgung der Bevölke -
rung.
Die Gerichte sind derzeit überwiegend in bundeseigenen Gebäuden untergebracht,
die nach Inkrafttreten des Bundesimmobiliengesetzes mit 1.1.2001, BGBI. 1 Nr.
141/2000, der Bundes - Immobiliengesellschaft mbH übertragen worden sind. Soweit
im Zuge der Umsetzung der neuen Gerichtsorganisation Räumlichkeiten frei
werden, obliegt es daher der genannten Gesellschaft über die Verwendung zu
entscheiden. Im Hinblick darauf, dass erst die Ergebnisse der Verhandlungen mit
den Landesregierungen die Umsetzung der neuen Gerichtsorganisation im Detail
determinieren werden und zukünftige
Mieten in anderen Objekten Ergebnis von
Verhandlungen mit künftigen Vermietern sein werden, kann derzeit noch nicht
verlässlich ermittelt werden, inwieweit sich Mietkosten in Zukunft verändern werden.
Bei unseren Berechnungen zur Ermittlung möglicher Einsparungen sind jedoch
selbst unter der Annahme, dass die Mietkosten steigen werden, auch bei vorsichti -
gen Annahmen durch Synergieeffekte und Effizienzsteigerungen Einsparungen von
über 150 Millionen Schilling anzunehmen.
Zu 9 bis 12:
Einen wesentlichen Kernpunkt der Reformpläne stellt die in der Anfrage angespro -
chene Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit Rechtsberatung dar. Die
Gerichte - die letztlich einen Rechtsstreit zu entscheiden haben - können bei Amtsta -
gen nur eine bloße Rechtsauskunft erteilen, nicht jedoch Ratschläge für ein rechtli -
ches Vorgehen im Sinne einer Rechtsberatung geben. Um ein optimales Netz zur
Beratung entwickeln zu können, bin ich an Bürgermeisterinnen und Bürgermeister
unseres Landes mit einem Fragebogen zur Feststellung des Bedarfes und der
gewünschten Modalität qualifizierter Beratung herangetreten. Durch diese und
weitere empirische Erhebungen (so wurde von meinen Mitarbeitern eine Analyse der
Wünsche und Anliegen von Anrufern bei Gericht auf Basis einer Erhebung durchge -
führt) sowie Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern vor Ort soll ein exakt
auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung abgestimmtes Angebot an
Konsumenten - und Rechtsberatung entwickelt werden. Da insbesondere auch das
optimale Ausmaß dieses Angebotes noch von ergänzenden Analysen abhängig ist,
kann derzeit noch keine präzise Angabe über die erforderlichen finanziellen Aufwen -
dungen erfolgen.
Zu 13:
Wie bereits zu Frage 1 ausgeführt, würden sich bei Umsetzung des neuen Konzep -
tes der Gerichtsorganisation die Anreisewege teilweise verkürzen, weil mit der
Dezentralisierung der Eingangszuständigkeiten der Landesgerichte insbesondere
für Zivilsachen mit einem Streitwert über 130.000 S sowie sämtliche arbeits - und
sozialgerichtlichen Rechtssachen und auch die Firmenbücher die neuen Regional -
gerichte zuständig sein sollen. Soweit sich Anreisewege durch die Vereinigung von
Bezirksgerichten zu Regionalgerichten verlängern, ist darauf hinzuweisen, dass
Österreich nicht nur einen hohen Motorisierungsgrad, sondern auch ein flächen -
deckendes, modernes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln aufweist.
[Grafik "Richter pro BG-Sprengel" konnte nicht gescannt werden]