2084/AB XXI.GP
Eingelangt am: 09.05.2001
DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
zur Zahl 2114/J - NR/2001
Die Abgeordneten zum Nationalrat Beate Schasching, Genossinnen und Genossen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Möglichkeit der Schließung
von Bezirksgerichten in Niederösterreich“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 3:
Wie schon im Rahmen der Beantwortung anderer schriftlicher Anfragen im Zusam -
menhang mit den Bestrebungen zur Herstellung einer zeitgemäßen und leistungs -
starken Gerichtsstruktur festgehalten, habe ich meinen Mitarbeitern den Auftrag
erteilt, insbesondere unter dem Aspekt einer ausgewogenen, qualitativ hochstehen -
den Rechtsversorgung und einer optimalen, leistungsstarken mittleren Gerichts -
größe ein Konzept einer idealtypischen Gerichtsorganisation unter Berücksichtigung
der bestehenden Infrastruktur auszuarbeiten. Im Mittelpunkt meiner Bemühungen
steht daher die qualitative Verbesserung der Rechtsversorgung der Bevölkerung. Es
sollen klare und leistungsstarke Organisationsstrukturen geschaffen werden, die auf
die Rechtsmittelzüge in den Verfahrensgesetzen abgestimmt sind. Der Ansatz ist
also ein weitreichender, der grundsätzlich alle Bezirksgerichte in die Reformpläne
einbezieht. Es soll für alle erstinstanzlichen Rechtssachen dieselbe Organisations -
ebene zuständig sein (die unterschiedlichen Eingangszuständigkeiten der Bezirks -
und Landesgerichte sollen entfallen). Weiters sollen die vier Organisationsebenen
(Bezirksgericht, Landesgericht, Oberlandesgericht, Oberster Gerichtshof) auf drei
Organisationsebenen (Regionalgerichte, Oberlandesgerichte, Oberster Gerichtshof)
reduziert werden. Die Rechtsprechung soll auch bürgernäher erfolgen. Die
Eingangszuständigkeiten sollen von den 21
Landesgerichten (mit Ausnahme haftan -
fälliger Strafsachen) auf die geplanten 64 neuen Regionalgerichte übertragen
werden; gleichzeitig ist eine Konzentration der Zuständigkeiten der 192 Bezirksge -
richte auf die 64 neuen Regionalgerichte geplant.
Nach den Vorstellung des Bundesmininisteriums für Justiz sollen die - in der Anfrage
konkret angesprochenen - Sprengel der Bezirksgerichte Neulengbach, Hainfeld und
Herzogenburg von einem neuen Regionalgericht betreut werden. Auch der Sprengel
des Bezirksgerichtes Purkersdorf soll von einem neuen Regionalgericht betreut
werden.
Nach internationalen Vergleichen und Standards sollen Eingangsgerichte im Durch -
schnitt ein Einzugsgebiet aufweisen, in dem zwischen 80.000 und 120.000 Einwoh -
ner leben, um eine optimale Rechtsversorgung zu gewährleisten. Im Sprengel des
Bezirksgerichtes Hainfeld leben rund 12.000 Einwohner, im Sprengel des Bezirksge -
richtes Herzogenburg rund 25.000 Einwohner, im Sprengel des Bezirksgerichtes
Neulengbach rund 22.000 Einwohner und im Sprengel des Bezirksgerichtes
Purkersdorf rund 25.000 Einwohner.
Zu 4:
Mit dem Inkrafttreten des Bundesimmobiliengesetzes am 1. Jänner 2001, BGBl. I
Nr. 141/2000 wurden die bundeseigenen Gebäude der Bundes - Immobiliengesell -
schaftmbH übertragen. Soweit im Zuge der Umsetzung der neuen Gerichtsorganisa -
tion Räumlichkeiten frei werden, obliegt es daher der genannten Gesellschaft über
die Verwendung der Gebäude zu entscheiden.
Zu 5 und 6:
Ich habe das Konzept der neuen Gerichtsorganisation bei der Sitzung der Nieder -
österreichischen Landesregierung am 8. Mai 2001 vorgestellt Die bereits geführten
Gespräche mit den Landesregierungen von Salzburg, Burgenland, Steiermark,
kärnten und Niederösterreich sind sehr konstruktiv verlaufen, sodass eine Einigung
über die künftige Gerichtsorganisation in Österreich erwartet werden kann, die den
Bedürfnissen der Bevölkerung im Sinne einer optimalen Rechtsversorgung
entspricht.
Zu 7:
Wie bereits zur Frage 1 ausgeführt, steht im Mittelpunkt der Bemühungen der
Gerichtsstruktur die Qualität der Rechtsversorgung der Bevölkerung; dass dadurch
auch erhebliche Einsparungseffekte zu erzielen
sind, stellt lediglich einen
Nebenaspekt dar. Nach den Berechnungen zur Ermittlung möglicher Einsparungen
sind bei vollständiger Umsetzung des Konzeptes bundesweit - auch bei vorsichtigen
Annahmen - durch Synergieeffekte und Effizienzsteigerungen Einsparungen von
über 150 Mio. S anzunehmen.
Zu 8:
Nein.
Einen wesentlichen Kernpunkt der Reformpläne stellt die in der Anfrage angespro -
chene Verbesserung der Rechtsversorgung der Bevölkerung mit Rechtsberatung
dar. Die Gerichte - die letztlich einen Rechtsstreit zu entscheiden haben - können
bei den Amtstagen nur eine bloße Rechtsauskunft erteilen, nicht jedoch Ratschläge
für ein rechtliches Vorgehen in Sinne einer Rechtsberatung geben. Um ein optima -
les Netz zur Beratung entwickeln zu können, bin ich an Bürgermeisterinnen und
Bürgermeister unseres Landes mit einem Fragebogen zur Feststellung des Bedarfes
und der gewünschten Modalität qualifizierter Beratung herangetreten. Durch diese
und weitere empirische Erhebungen (50 wurde von meinen Mitarbeitern eine
Analyse der Wünsche und Anliegen von Anrufern bei Gericht auf Basis einer
Erhebung durchgeführt) sowie Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern vor
Ort soll ein exakt auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung abgestimmtes
Angebot an Konsumenten - und Rechtsberatung entwickelt werden.
Zu 9 und 10:
Für die Bediensteten werden durch größere Gerichtseinheiten verbesserte Laufbah -
nerwartungen und größere Aufstiegschancen entstehen. Wie schon bei den
Gerichtszusammenlegungen in der Vergangenheit wird die Justizverwaltung - in
Zusammenarbeit mit der Personal - und Standesvertretung - bei der konkreten
Umsetzung des Konzepts soweit wie möglich auf die Wünsche und Bedürfnisse der
Bediensteten Bedacht nehmen.