215/AB XXI.GP

 

B e  a n t w o r t u n g

 

der Anfrage der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen

und Freunde, betreffend Grundrecht auf Pension für

geistig behinderte Menschen

(Nr. 164/J)

 

Eingangs ist festzustellen, dass die in der gegenständlichen parlamentarischen An -

frage aufgeworfenen Fragen im Wesentlichen Behinderte betreffen, die in landesge -

setzlich durch die Sozialhilfegesetze oder Behindertengesetze der Länder geregelten

Einrichtungen der Beschäftigungstherapie tätig sind. Bei einer Tätigkeit in solchen

Einrichtungen steht der therapeutische Aspekt im Vordergrund, der Leistungserbrin -

gungsaspekt der Beschäftigung tritt demgegenüber zurück.

 

Zu den einzelnen Fragen führe ich Folgendes aus:

 

Zu Frage 1:

 

Die soziale (Mindest -)Absicherung von geistig behinderten Menschen ist - wenn

keine anderen Möglichkeiten einer existentiellen Absicherung vorhanden sind - durch

die entsprechenden Sozialhilfe- und Behindertenhilfeleistungen der Länder ge -

währleistet. Die Erreichung eines hohen Alters führt dabei selbstverständlich nicht

zum Leistungsausschluss.

 

Darüber hinaus steht auch das Pflegegeld als Beitrag zur Abdeckung des pflegebe-

dingten Mehraufwandes zur Verfügung.

 

Zu Frage 2:

 

Nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) unterliegen Dienst -

nehmer/Dienstnehmerinnen und freie Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen dann der

Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung, wenn die spezifischen Vorausset -

zungen hiefür gegeben sind, wobei dies jedoch nur im konkreten Einzelfall beurteilt

werden kann. Das ASVG differenziert insofern nicht zwischen Behinderten und

Nichtbehinderten. Wenn Behinderte in ihrem Tätigkeitsfeld nicht nach dem ASVG

vollversichert sind, dann basiert diese „Beschäftigung“ daher nicht auf einem Dienst -

verhältnis oder einem freien Dienstverhältnis. Inwieweit in den angesprochenen

Fällen die Voraussetzungen für Dienstverhältnisse oder freie Dienstverträge gege -

ben sind, kann hier nicht abschließend beurteilt werden.

 

Weiters ist noch auf den Umstand hinzuweisen, dass nach den Sozialversicherungs -

gesetzen der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit eine

Änderung, nämlich eine Verschlechterung der physischen und psychischen Leis -

tungsfähigkeit des Versicherten/der Versicherten im Laufe seines/ihres Erwerbs -

lebens, also seit dem Zeitpunkt des erstmaligen Eintrittes in die Versicherung, vor -

aussetzt. Eine anderweitige Auslegung des Begriffes der Invalidität bzw. Berufsun -

fähigkeit kann mit dem Gesetzeswortlaut des § 255 Abs.1 bzw. des § 273 Abs.1

ASVG nicht in Einklang gebracht werden; bringt doch der Gesetzgeber in diesen

Bestimmungen eindeutig zum Ausdruck, dass die Arbeitsfähigkeit auf weniger als die

Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Person von ähnlicher Aus -

bildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sein muss.

Bei einer generellen Gewährung von Leistungen aus dem Versicherungsfall der ge -

minderten Arbeitsfähigkeit (bei schon vor Arbeitsantritt eingetretener Invalidität bzw.

Berufsunfähigkeit) durch die gesetzliche Pensionsversicherung würde es überdies zu

einer Kostenverschiebung zum Nachteil des Bundes und zu Gunsten der Länder

kommen.

 

In der Regel wird bei langjähriger Versicherung jedoch auch eine Verschlechterung

der Leistungsfähigkeit des Versicherten/der Versicherten vorliegen und daher Inva -

lidität gegeben sein. Es kann also auch in den angesprochenen Fällen unter Erfül -

lung der gesetzlichen Voraussetzungen Invalidität eintreten.

 

Zu Frage 3:

 

Eine Änderung der verschiedenen Landesgesetze zur sozialen Absicherung von be -

hinderten Menschen kann nur durch die Länder selbst erfolgen. Die Problematik der

österreichweiten Harmonisierung von Leistungen mit Sozialhilfecharakter wird schon

seit einiger Zeit mit den Landessozialreferenten erörtert. Dabei wurde wiederholt zum

Ausdruck gebracht, dass die Länder grundsätzlich an einer Weiterentwicklung der

Sozialhilfegesetzgebung interessiert sind und auch bereit sind, daran mitzuarbeiten.

Die Landessozialreferentenkonferenz hat diesbezüglich zuletzt angeregt, einen Ar -

beitskreis einzurichten, in dem die Schwerpunkte einer Vereinheitlichung von Qua -

litätsstandards in der Sozialhilfe diskutiert werden sollten.

 

Zu den Fragen 4 und 7:

 

Wie bereits erwähnt, ist die Frage, ob ein behinderter Mensch der Sozialversiche -

rung unterliegt, weder von der Art seiner Behinderung noch davon abhängig, in

welcher Einrichtung er sich befindet, sondern daran geknüpft, dass die Tätigkeit des

behinderten Menschen im Rahmen eines Dienstverhältnisses im arbeits - und sozial -

versicherungsrechtlichen Sinn ausgeübt wird. Von einer der Sozialversicherung un -

terliegenden Erwerbstätigkeit zu unterscheiden sind daher Einrichtungen der Be -

schäftigungstherapie, wo es in erster Linie darum geht, schwerst behinderten Men -

schen unter Berücksichtigung ihrer speziellen Bedürfnisse Tagesstruktur, Betreuung

und soziale Eingliederung zu bieten.

Erreicht der behinderte Mensch ein Alter, in dem eine solche Eingliederung nicht

mehr möglich oder von ihm selbst nicht mehr gewünscht wird, erlöschen die Leis -

tungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (z.B. Sozialhilfe) nicht, sodass auch

kein Wechsel des Systems in Richtung einer Pensionsleistung erforderlich ist.

 

Bezüglich der Maßnahmen zur Unterstützung geistig behinderter Menschen ist auf

Folgendes zu verweisen:

 

Die berufliche Eingliederung im Sinne des Behindertenkonzepts der Bundesregie -

rung ist das primäre Ziel gesellschaftspolitischer Konzepte der Integration behin -

derter Menschen, so weit es Art und Schwere der Behinderung zulassen. Aus der

Sicht des Behinderteneinstellungsgesetzes ist dabei ein geistig behinderter Mensch,

der zumindest einen Grad der Behinderung von 50 v.H. aufweist und zur Arbeit auf

einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb in der Lage ist,

kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung jedem anderen behinderten Menschen

gleichgestellt.

 

Er kann auf seinen Antrag hin dem Kreis der begünstigten Behinderten angehören

und in der Folge sämtliche Förderungen des Ausgleichstaxfonds zur Arbeitsauf -

nahme und Arbeitsplatzerhaltung erlangen. Selbstverständlich unterliegt sein Dienst -

verhältnis auch dem erhöhten Kündigungsschutz und der besonderen Fürsorge -

pflicht des Dienstgebers.

 

Es mag in der Praxis vorkommen, dass in Einrichtungen der Beschäftigungstherapie

behinderte Menschen tätig sind, die mit den dort zu erbringenden Leistungen unter -

fordert sind und bei entsprechender Einschulung in der Lage wären, eine Tätigkeit

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Die Bundesämter für Soziales und

Behindertenwesen haben es sich in den letzten Jahren durch die Förderung von Ein -

richtungen der Arbeitsassistenz und Integrationsbegleitung zu einem Schwerpunkt

gemacht, auch solchen behinderten Menschen den Weg in ein Dienstverhältnis

durch begleitende Hilfen zu erleichtern. Für andere behinderte Menschen mag es

der sozial sicherere und zweckmäßigere Weg sein, in einer Einrichtung der Be -

schäftigungstherapie zu verbleiben. Wichtig dabei ist auch die Wahlfreiheit des Be -

troffenen, da ein Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt natürlich auch das

Risiko von Arbeitsplatzverlust und damit Arbeitslosigkeit in sich birgt.

 

Darüber hinaus ist der Bund bemüht, innerhalb seiner Zuständigkeit entsprechende

Maßnahmen zur Verbesserung der Situation geistig behinderter Menschen zu set -

zen. So bietet beispielsweise das Fortbildungsinstitut der Lebenshilfe Österreich

geistig behinderten Menschen spezielle Behindertenseminare an. Diese Seminare

ermöglichen die - gerade für geistig behinderte Menschen wichtige - Weiterbildung,

welche ihnen bessere Chancen in Alltag und Beruf in Aussicht stellt. Mein Ressort

unterstützt die Lebenshilfe durch jährliche Förderungen.

 

Der rechtliche Schutz geistig behinderter Menschen wird in besonderer Weise durch

die Einrichtungen der Sachwalterschaft und der Patientenanwaltschaft für geistig und

psychisch behinderte Menschen gewährleistet.

Zu Frage 5:

 

Im Rahmen der Integrativen Betriebe kommt es grundsätzlich nicht zur Verleihung

behinderter Arbeitskräfte. In Pilotprojekten wird derzeit jedoch die gemeinnützige Ar -

beitskräfteüberlassung als Instrument der beruflichen Integration überprüft. Hiebei

handelt es sich um behinderte Menschen, die als Dienstnehmer bei einem gemein -

nützigen Träger angestellt sind und von diesem an dritte Beschäftiger überlassen

werden. Diese Dienstnehmer werden flankierend betreut. Integrationsziel ist in einer

zweiten Phase die Anstellung beim Beschäftiger. In allen Phasen befindet sich

bei solchen Projekten der behinderte Mensch in einem Arbeitsverhältnis mit allen ar -

beits - und sozialversicherungsrechtlichen Absicherungen.

 

Sollte mit dieser Frage aber auch die Beschäftigungstherapien angesprochen sein,

so ist auf die Ausführungen zu den Fragen 4 und 7 zu verweisen: Auch bei der dis -

lozierten Beschäftigungstherapie stehen die behinderten Menschen nicht in Dienst -

verhältnissen, da bei der Tätigkeit der therapeutische bzw. ausbildnerische Anteil (in

berufsvorbereitenden Projekten) überwiegt.

 

Zu Frage 6:

 

Die weit gehende Einbindung von Arbeitnehmer/innen/vertretungen bei der Lösung

von Sachfragen ist eine bewährte Praxis meines Ressorts. Die gegenständliche

Frage lässt jedoch nicht erkennen, zu welcher konkreten Fragestellung aus der Sicht

der anfragenden Abgeordneten eine Kontaktierung erfolgen soll.