2216/AB XXI.GP
Eingelangt am: 25.05.2001
BM für auswärtige Angelegenheiten
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ulrike Lunacek und Genossen haben am
28. März 2001 unter der Nr. 2230/J - NR/2001 an mich eine schriftliche Anfrage
betreffend schwere Menschenrechtsverletzungen im Sudan aufgrund von
Ölgeschäften der OMV gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Österreich ist im Sudan - einem Land mit den flächenmäßigen Ausmaßen von
ganz Westeuropa - durch keine Botschaft im Land, sondern nur durch die
Mitakkreditierung des österreichischen Botschafters in Kairo vertreten.
Möglichkeiten, sich vor Ort direkt zu informieren und einen verlässlichen und
direkten Über - und Einblick in die herrschenden Verhältnisse zu erhalten, sind
daher praktisch nicht gegeben.
Grundsätzlich ist die österreichische Außenpolitik bemüht, zu einer Verbesserung
der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beizutragen. Die derzeitige Situation
des Sudan ist von politischer Instabilität und bürgerkriegsähnlichen Zuständen
geprägt. Das Land ist in seiner Kommunikation mit den westlichen Staaten durch
seine langjährige Isolierung stark
eingeschränkt. Obwohl der Sudan das
flächenmäßig größte Land Afrikas ist, sind seine Aussenbeziehungen in politischer
und wirtschaftlicher Hinsicht sehr reduziert.
Der Sudan hat einen gewaltigen Nachholbedarf in vielen Wirtschaftssektoren,
insbesonders an infrastruktureller Nachrüstung in den Bereichen der Energie - und
Wasserversorgung, des Verkehrs und Umweltmanagements. Das Land verfügt
über ein beachtliches Potential an Ressourcen, das bei richtigem Einsatz zu einer
bedeutenden Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung führen könnte.
Zu Fragen 1 - 7:
Diese Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundes im Bereich
des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten.
Zu Fragen 8 und 9:
Das BMaA verfügt über keine Informationen und Meldungen aus eigenen Quellen.
Meldungen von IRIN (Integrated Regional Information Network), welches dem ,,UN -
Office for the Coordination of Humanitarian Affairs“ untersteht, lassen den Schluß
zu, daß es im Zuge von Kampfhandlungen zwischen Truppen der sudanesischen
Armee bzw. regierungstreuen Milizen und Rebellen bzw. regierungsfeindlichen
Milizen sowie fallweise zwischen diversen bewaffneten Fraktionen zu
Plünderungen, Zerstörungen und Menschenrechtsverletzungen von allen Seiten
kommt.
Eine Beobachtergruppe aus in Khartum residenten EU - Botschaftern konnte
kürzlich die Erdölkonzessionsgebiete in Süd - Kordofan und Unity State ohne
Begleitung durch Regierungsfunktionäre besuchen. In ihrer Lagebeurteilung
kommen die Botschafter zum Schluß, daß dabei alle maßgeblichen Faktoren wie
saisonale Wanderbewegungen, Vertreibungen, Konflikt, Gewalt und die jüngste
Dürre in Betracht gezogen werden müssen.
Zu Frage 10:
Die Zerstörung von Behausungen und Siedlungen sowie des Viehbestandes und
der Felder erfolgt durch bewaffnete Gruppen
aller Konfliktparteien. Auf
Regierungsseite sind es, soweit erkennbar, vor allem die als „Popular Defense
Forces“ bezeichneten irregulären Einheiten, die durch solche Aktionen schwere
Menschenrechtsverletzungen begehen.
Zu Frage 11:
Eine bewußte „Politik der verbrannten Erde“ seitens der Regierung geht aus den
zur Verfügung stehenden UN - Berichten nicht hervor. Es kann aber davon
ausgegangen werden, daß die Vertreibung von Zivilisten häufig die Folge
militärischer Aktivitäten aller bewaffneten Gruppen ist. Im Falle des
Ölkonzessionsgebietes Block 5B ist es dagegen in letzter Zeit zu einem vermehrten
Zuzug von intern Vertriebenen zu dort gelegenen, von der Regierung kontrollierten
Siedlungen, wie z.B. Bentiu und Rubkona, gekommen.
Dem Bericht der EU - Botschafter zufolge sind große Teile der gesamten
Konzessionsgebiete stets spärlich bevölkert gewesen. Zahlreiche Dörfer würden in
der Trockensaison verlassen, und die Bevölkerung ziehe zu den Flüssen, um
Wasser für ihre Herden zu finden. Nomadisierende Viehzüchter brennen das Land
ab, um besseren Graswuchs für ihre Rinder sicher zu stellen. Traditionelle
Beziehungen und Konfliktlösungsmechanismen zwischen und innerhalb der
Stämme seien durch jahrelange Umweltschäden und Bürgerkrieg zerstört. Die
große Anzahl vertriebener Personen, die nach sichereren Orten wie Bentiu,
Rubkona, Paryang und Mayom ziehen, wiesen auf erzwungene Abwanderung
wegen der Kämpfe zwischen Nuer - Milizen hin. Hingegen konnten auch die EU -
Beobachter keine Beweise für eine Vertreibung der Bevölkerung aus ihren Dörfern
durch eine groß angelegte Politik der verbrannten Erde seitens der
Regierungstruppen feststellen.
Zu Frage 12:
Dazu liegen dem BMaA keine genauen Angaben vor. Der seit 1983 in
unterschiedlicher Intensität andauernde bewaffnete Konflikt zwischen den
Sicherheitskräften der Regierung und den in der SPLA zusammengeschlossenen
Süd - Sudan - Rebellenbewegung, welcher durch wechselnde Allianzen und lokale
Stammesfehden noch verkompliziert wird ist
für die Unterentwicklung und
Unsicherheit in weiten Teilen des Landes verantwortlich. Dies sowie
wiederkehrende Naturkatastrophen haben zu einer hohen Abhängigkeit der
vertriebenen oder geflüchteten Bevölkerung von Hilfslieferungen geführt.
Im übrigen stellt der Bericht der EU - Botschafter fest, daß z.B. der Bau von
wetterfesten Straßen für die wirtschaftliche Aktivität der Erdölkompanien auch der
örtlichen Bevölkerung zugute komme. Der Zugang der Bevölkerung zu
grundsätzlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsvorsorge sei beträchtlich
verbessert; besondere Erwähnung finden das für die örtliche Bevölkerung
zugängliche Spital in Heglig und andere örtliche medizinische Versorgungspunkte
sowie die Versorgung mit Wasser und Elektrizität. Auch die Wirtschaftstätigkeit
(Transport von Gütern, Ernte und Menschen) habe zugenommen; darüber hinaus
würden die Straßen die Rückkehrmöglichkeiten der vertriebenen Personen in ihre
Ursprungsdörfer verbessern.
Die ausgebaute und verbesserte Infrastruktur, einschließlich Straßen und
Flugplätze, wird laut der den EU - Botschaftern erteilten Auskünfte auch von der
Armee zur Sicherung des Gebietes benutzt.
Zu Frage 13:
Behinderungen von Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung kommen vor; sie sind
nicht immer eindeutig nachweisbar zuzuordnen und dürften von allen
Konfliktparteien begangen werden. Die „Operation Lifeline Sudan“ benötigt derzeit
laut Auskunft des Büros der VN in Khartoum für jeden Flug eine eigene
Genehmigung für Upper Nile; ob dies auch für die Ölfördergesellschaften zutrifft, ist
dem BMaA nicht bekannt.
Zu Fragen 14 - 20:
Diese Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundes im Bereich
des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten.
Zu Frage 21:
Über die Verwendung der derzeit auf ca. 360 Millionen U$ pro Jahr geschätzten
Einnahmen aus Ölexporten durch die
sudanesische Regierung liegen dem BMaA
keine Berichte vor. Laut Aussage von Regierungsseite werden die Öleinnahmen
schwerpunktmäßig zum Ausbau der Infrastruktur im Bereich der Versorgung mit
elektrischer Energie verwendet. Nach Ansicht der EU - Missionschefs könnte durch
Zuteilung eines größeren Teiles der Erdöleinkommen an die Konzessionsgebiete
eine beträchtliche Verbesserung der Lage der örtlichen Bevölkerung erzielt werden.
Zu Frage 22:
Laut IRIN wird der sudanesische Armeesprecher, General Mohammed Osman
Yassin, in der Zeitung ,,Al - Share al - Syasi“ im Juli 2000 dahingehend zitiert, „daß
der Sudan bis Ende 2000 im Bereich leichter, mittlerer und schwerer Waffen autark
sein werde, und mit der Produktion von Panzern, Schützenpanzern, Granatwerfern
und Munition begonnen“ habe. Inwieweit der Sudan tatsächlich eine
Rüstungsindustrie aufgebaut hat und von Waffenimporten weitgehend unabhängig
ist, kann vom BMaA nicht beurteilt werden.
Zu Frage 23:
Österreich ist aktiv an den Bemühungen der EU und der IGAD - Staaten der Region
im Rahmen des IGAD - Partner - Forums beteiligt, eine Verhandlungslösung des seit
1983 geführten bewaffneten Konfliktes im Sudan zu finden. Österreich begrüßt
auch die ägyptisch - libysche Initiative zur Konfliktlösung. Weiters unterstützt
Österreich die Bemühungen um einen zeitlich und örtlich unbegrenzten
Waffenstillstand und eine ungehinderte humanitäre Versorgung der Not leidenden
Bevölkerung.
Zu Fragen 24 - 27:
Die weitgehende außenpolitische Isolation des Sudan wird innerhalb der
Europäischen Union als der falsche Weg angesehen. Daher hat die Europäische
Union im September 1999 einen politischen Dialog mit dem Sudan aufgenommen,
der zum Ziel hat, die laufenden Entwicklungen in den Bereichen Demokratisierung,
Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Terrorismusbekämpfung, sowie den
Friedensprozess und die Beziehungen zu den Nachbarstaaten zu unterstützen.
Auf Grund der positiven Erfahrungen mit dem Dialog ist die EU nun bereit, die
Finanzierung von Programmen zu prüfen,
die unmittelbar mit den Hauptthemen
des Dialogs in Zusammenhang stehen. Ein unter der Bezeichnung „Humanitarian
Plus“ laufendes EU - Wiederaufbauprogramm ist mit E 15 Mio. aus dem 6. EEF
ausgestattet worden, um eine Dynamisierung des Friedensprozesses im Süden zu
erreichen. Das Programm soll über einen rein humanitären Ansatz hinausgehen,
um die benachteiligten Bevölkerungsgruppen des Landes in die Lage zu versetzen,
ihre Abhängigkeit von der Soforthilfe zu verringern.
Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten setzt sich im Rahmen der
Europäischen Union sowie anderer multilateraler Foren für eine Verbesserung der
Lage der Menschenrechte sowie der humanitären Situation ein.
Bei der kürzlich zu Ende gegangenen 57. Tagung der VN - Menschenrechts -
kommission etwa wurde am 20. April d. J. eine Resolution über die
Menschenrechtssituation im Sudan angenommen, die auch von Österreich
unterstützt wurde. Diese drückt tiefes Bedauern über die negativen Auswirkungen
der andauernden bewaffneten Konflikte auf die Situation der Menschenrechte -
insbesondere die Lage der Frauen und Kinder - aus. Speziell genannt werden die
gewaltsamen Vertreibungen, besonders im Zuge von Ölexplorationen; in diesem
Zusammenhang wird auch auf die Einladung des VN - Sonderberichterstatters für
den Sudan durch die sudanesische Regierung verwiesen. Die Resolution fordert
des weiteren ungehinderten Zugang für humanitäre Organisationen zu den
betroffenen Regionen, unter anderen auch in die Region Upper Nile.
Frage 28
Diese Frage wurde u.a. im Rahmen des Dialogs der EU mit der sudanesischen
Regierung aufgegriffen. Inzwischen konnten die in Khartoum residenten EU -
Missionschefs vom 6. - 8. Mai 2001 die Ölkonzessionsgebiete in Süd - Kordofan und
Unity State besuchen.