227/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Schweitzer und Kollegen haben am 16. Dezember
1999 unter der Nr. 215/J an meinen Amtsvorgänger eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend „Schutz der Menschenrechte in Österreich“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich aufgrund der mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu Frage 1:
Der Schutz der Menschenrechte in Österreich ist ein vordringliches politisches Ziel der
Bundesregierung: Das Regierungsprogramm unterstreicht sowohl in der vorangestellten
Deklaration als auch im Abschnitt über Außen - und Europapolitik die Bedeutung der
Menschen- und Minderheitenrechte nachdrücklich. Darüber hinaus bin ich davon überzeugt,
dass im Schutz der Menschenrechte eine wesentliche Funktion der Sicherheitsexekutive liegt.
Zu Frage 2:
Die österreichische Sicherheitsexekutive hat einen hohen Standard der Wahrung der
Menschenrechte in ihrer Arbeit erreicht; wir müssen dennoch laufend um Qualitätssicherung
bemüht bleiben, um den Ist - Zustand einer 100%igen Gewährleistung der Menschenrechte
möglichst anzunähern.
Zu Frage 3:
Für den Bereich der Sicherheitsverwaltung ist mit dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG) am
1. Mai 1993 ein äußerst umfangreiches Rechtsschutzsystem in Kraft getreten, das die bis
dahin vorhandenen Defizite nach nunmehr
weitgehend einhelliger Meinung beseitigt hat.
Mit der SPG - Novelle 1999 ist darüber hinaus eine wesentliche Verbesserung des Verfahrens
bei Beschwerden wegen behaupteter Verletzung einer Berufspflicht nach der Richtlinien -
Verordnung erfolgt. Nunmehr besteht die Möglichkeit einer offenen Aussprache zwischen dem
Beschwerdeführer und den von der Beschwerde unmittelbar betroffenen Organen des
öffentlichen Sicherheitsdienstes. Diese Aussprache, die außerhalb der Dienstaufsicht
stattfindet, wird von besonders geschulten Beamten moderiert. Auf diese Weise wird
einerseits dem Bedürfnis des Beschwerdeführers, die nach seiner Ansicht geschehene
Richtlinien - Verletzung darzustellen, besser entsprochen und andererseits ein Rahmen
geschaffen, der es den Beamten erleichtern soll, die Beschwerde zum Anlaß zu nehmen, ihr
professionelles Verhalten zu überdenken.
Mit derselben SPG - Novelle ist zudem der Menschenrechtsbeirat auf der Grundlage einer
verfassungsgesetzlichen Regelung geschaffen worden. Dieser Beirat soll den Bundesminister
für Inneres bei der Wahrung der Menschenrechte beraten. Hiezu hat der Beirat die Tätigkeit
der Sicherheitsexekutive begleitend zu überprüfen und Strukturdefizite abseits persönlicher
Verantwortung festzustellen, damit eine bessere Wahrung der Menschenrechte durch die
Sicherheitsexekutive gewährleistet werden kann.
Zu Frage 4:
Eine Feststellung der Zahl der in den vergangenen drei Jahren erfolgten
Menschenrechtsverletzungen ist im Hinblick auf die Unschärfe des Begriffs der
Menschenrechte im Verhältnis zu den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten (§§ 88 und 89
SPG, § 67c AVG und §§ 72f FRG) nicht möglich; hinzu kommt, dass die Verletzung eines
Rechtes nicht ident ist mit der Feststellung der Verletzung eines Rechtes. Jedenfalls sind jedoch
Verletzungen folgender verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte festgestellt worden:
|
Verletzte Rechtsnorm |
Anzahl der Fälle |
|
Art. 3 EMRK |
18 |
|
Art. 8 EMRK |
25 |
|
Art 5 EMRK, BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit |
22 |
|
Art 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, Art. 5 StGG |
4 |
|
Art. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur BMRK |
1 |
Zu Frage 5:
Die Behauptung von Rechtsverletzungen führt zu Rechtsschutzverfahren im Bereich der
Verwaltung wie der Strafjustiz. Der dem National - und dem Bundesrat gemäß § 93 SPG
jährlich zu erstattende Sicherheitsbericht enthält auch statistische Angaben über die im
Berichtsjahr geführten Rechtsschutzverfahren sowie über die gegen Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes erhobenen Vorwürfe aus disziplinar - und strafrechtlicher Sicht. Für das
Jahr 1999 sind statistische Angaben gegenwärtig noch nicht verfügbar. Im Jahre 1998 (1997)
sind 2.473 (2.340) Beschwerden erhoben worden, denen in 270 (298) Fällen zumindest
teilweise Berechtigung zuerkannt worden ist. Als Folge dieser Beschwerden ist es in 44 (73)
Fällen zu dienstrechtlichen und in 56 (48) Fällen zu disziplinären Maßnahmen gekommen. In
225 (68) Fällen haben diese Beschwerden zu Anzeigen an Gericht oder Verwaltungsbehörden
Anlaß gegeben.
Zu den Fragen 6 und 7:
Über die zu Frage 5 angeführten Beschwerdefälle hinaus ist besonders auf den
Wahrnehmungsbericht des Menschenrechtsbeirates zu möglichen Verbesserungen im Bereich
von Abschiebungen hinzuweisen. Die vom Menschenrechtsbeirat dem Bundesminister für
Inneres erstatteten 32 Empfehlungen zu möglichen Verbesserungen im Hinblick auf die
Vorgangsweise bei Abschiebungen in sensiblen Fällen werden lückenlos und ohne Verzug
umgesetzt werden. Gegenwärtig ist der Menschenrechtsbeirat damit beschäftigt, sechs
regionale Kommissionen einzusetzen, die mit der Überprüfung der Tätigkeit der Exekutive
vor Ort sowie von Anhalteräumen beauftragt sein werden. Die Mitglieder der Kommissionen
werden insbesondere medizinische, juristische und sozialarbeiterische Expertise mitbringen.
MitarbeiterInnen der Sicherheitsexekutive dürfen den Kommissionen nicht angehören.
Zudem ist auf das - überwiegend aus Mitteln der Europäischen Kommission finanzierte -
Projekt „Pavement“ hinzuweisen, im Zuge dessen es zu einer umfassenden Überprüfung der
Maßnahmen zur Vermeidung von
Diskriminierungen durch die Sicherheitsexekutive kommen
wird. Dieses Projekt wird gemeinsam mit vier anderen Mitgliedstaaten der EU und in enger
Kooperation mit NGOs durchgeführt‘ die benachteiligte Gruppen repräsentieren. Mit dem
Abschluß des Projektes ist im November 2000 zu rechnen. Auf der Grundlage der
umfassenden Überprüfung von Organisation und Tätigkeit der Exekutive aus dem
Blickwinkel des Diskriminierungsverbots des Artikel 13 des EG - Vertrages werden fundierte
Maßnahmen zu Verbesserungen in diesem Bereich erfolgen können.
Zu Frage 8:
1. Aus - und Fortbildung
Im Rahmen der Grundausbildung der Angehörigen der Sicherheitsexekutive wird -
vornehmlich in den Lehrgegenständen „Verfassungsrecht“ und ,,Vollzugsdienst“ - intensiv auf
Bedeutung und Inhalte der Menschenrechte eingegangen. Ferner werden die damit
zusammenhängenden Problemfelder unter dem Gesichtspunkt der einschlägigen
Rechtsvorschriften und Judikatur sowie der exekutivdienstlichen Praxis erörtert.
Ziel der Fortbildungsveranstaltung „Menschen - Rechte“ ist die Thematisierung der
Menschenrechtsfrage und damit einhergehend eine entsprechende Bewußtseinsbildung und
Sensibilisierung. Die jeweiligen Seminare werden gemeinsam von Vertretern nichtstaatlicher
Organisationen und besonders qualifizierten Trainern des Ressorts geleitet. Zuletzt wurden die
Inhalte dieser Veranstaltungen in die Grundausbildung für Polizeischüler als Lehrgegenstand
implementiert.
Die Seminare „Situation von und Umgang mit AusländerInnen“ werden im Rahmen des von
der EU geförderten ‚,NAPAP“ - Projektes (NGOs And Police Against Prejudice) von
ressortinternen Trainern und Repräsentanten der Volkshilfe angeboten. Den Teilnehmern
werden Anleitungen vermittelt, welche dazu dienen,
• die Lebensumstände und Situation der AusländerInnen besser verstehen und
vorurteilsfreier einschreiten zu können,
• Konfliktsituationen, die aus der Herkunft aus verschiedenen Kulturkreisen resultieren
können, besser zu verstehen und mit ihnen menschenrechtskonforrn umgehen sowie
• die Arbeit von NGOs, deren Methoden, Ziele und Motivationen besser nachvollziehen zu
können.
2. Organisatorische Maßnahmen
Auf die Einrichtung des Menschenrechtsbeirates und seiner Kommissionen ist bereits
hingewiesen worden. Soweit die budgetären Rahmenbedingungen es gestatten, werde ich den
weiteren Aufbau der Infrastruktur des Menschenrechtsbeirates und der Kommissionen
unterstützen.
Als eine weitere organisatorische Maßnahme zur Stärkung der Menschenrechtskomponente ist
- auf der Grundlage des Ministerratsbeschlusses vom 20. Juli 1999 zur Schaffung von
Menschenrechtskoordinatoren - die Einsetzung eines Menschenrechtskoordinators auch in
meinem Ministerium erfolgt. Der Menschenrechtskoordinator soll anderen Behörden,
internationalen Organisationen und NGOs als Verbindungsstelle und Ansprechpartner in
ressortspezifischen Fragen der Menschenrechte zur Verfügung stehen und dadurch zum
Aufbau eines Netzwerkes für die Menschenrechte beitragen. Dies wird gerade im Hinblick auf
die steigende Zahl von Kooperationen mit NGOs in menschenrechtsrelevanten Bereichen von
zunehmender Bedeutung sein. Überdies soll der Menschenrechtskoordinator durch die
Thematisierung von Menschenrechtsaspekten zur Sensibilisierung der Exekutive für solche
Fragen beitragen.