234/AB XXI.GP

 

zur Zahl 230/J - NR/1999

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner und Kollegen haben an den

Bundesminister für Justiz eine schriftliche Anfrage, betreffend „strafrechtliche Verfol -

gung der DDR - Spionage in Österreich“, gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zu 1:

 

Wegen des Verdachts der Spionagetätigkeit für die ehemalige DDR wurden in

Österreich 52 Verfahren gegen 67 bekannte und sechs unbekannte Personen ein -

geleitet.

 

Zu 2:

 

Die namentlich bekannten Verdächtigen haben - soweit dies auf Grund der den

Staatsanwaltschaften zur Verfügung stehenden Unterlagen geklärt werden konnte  -

folgende Tätigkeiten ausgeübt:

 

Fünf Angehörige des Staatssicherheitsdienstes bzw. des Ministeriums für Staatssi -

cherheit der ehemaligen DDR,

 

acht öffentlich Bedienstete (hievon drei Lehrer, ein Angehöriger des Bundesministe -

riums für Inneres, zwei Angehörige der Bundespolizeidirektion Wien, ein Angehöri -

ger des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten und ein Finanzbe -

amter),

 

drei leitende Angestellte in der Privatwirtschaft,

16 Arbeiter bzw. Angestellte in der Privatwirtschaft,

zwölf selbständige Unternehmer bzw. Kaufleute,

drei Journalisten bzw. Hörfunkmitarbeiter,

zwei Pensionisten,

ein Abgeordneter zum Nationalrat,

ein Opernsänger,

ein Wissenschafter,

ein Sinologe und

eine Hausfrau.

 

Zu 3:

 

Gegen 72 Personen waren in dem in Rede stehenden Zusammenhang Verfahren

wegen des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs

gemäß § 256 StGB, gegen zwei von ihnen auch wegen des Verbrechens des Ver -

rats von Staatsgeheimnissen nach § 252 StGB und gegen zwei von ihnen auch

wegen des Vergehens der Auskundschaftung eines Geschäfts - oder Betriebsge -

heimnisses zu Gunsten des Auslandes nach § 124 StGB anhängig. Darüber hinaus

lagen in einigen Fällen auch Verdachtsmomente in Richtung anderer Delikte, wie

etwa Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses und Fälschung beson -

ders geschützter Urkunden etc. vor. In einem Fall erfolgte die Anzeigeerstattung

ausschließlich wegen des Verdachts des militärischen Nachrichtendienstes für einen

fremden Staat nach § 319 StGB.

 

Zu 4. 5. 7 und 8:

 

An die „GAUCK - Behörde“ wurde am 6. März 1996 in einem Verfahren ein Rechtshil -

feersuchen gerichtet. Dieses wurde am 5. Juni 1996, allerdings mit weitgehend ne-

gativem Erfolg, beantwortet. Der Beantwortung dieses Rechtshilfeersuchens konnte

nur entnommen werden, dass eine verdächtige Person auf dem Staatsgebiet der

ehemaligen CSSR Kontakt mit einem Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicher -

heit hatte.

Abgesehen von diesem Verfahren wurden in zehn weiteren Verfahren Rechtshilfeer -

suchen vorwiegend an deutsche Justizbehörden gerichtet. Diese Ersuchen wurden

in angemessener Frist beantwortet1 sodass Urgenzen nicht erforderlich waren.

In insgesamt 41 Verfahren unterblieben Rechtshilfeersuchen, weil der Sachverhalt

hinreichend geklärt werden konnte, Tathandlungen bereits im Zeitpunkt der Anzei -

geerstattung verjährt waren oder lediglich vertrauliche, nicht hinreichend konkreti -

sierte Informationen vorlagen, denen eine konkrete Verdachtslage, die weitere Erhe -

bungen indiziert hätte, nicht entnommen werden konnte. In diesen Verfahren wurde

die Anzeige gegen 39 Personen gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt. Wie zu

Punkt 6. näher ausgeführt, wurde gegen fünf Personen Anklage erhoben.

Ein Verfahren wurde wegen Todes des Verdächtigen beendet. Verfahren gegen

fünf Verdächtige mussten abgebrochen werden, weil sich die Verdächtigen im Aus -

land aufhalten. Weitere Verfahren gegen sechs unbekannte Täter, deren Ausfor -

schung bisher nicht gelang, wurden gleichfalls abgebrochen.

 

Zu 6:

 

Im Wesentlichen wurden die obgenannten Verfahren auf Grund vertraulicher Mittei -

lungen westlicher Nachrichtendienste an die Sicherheitsbehörde eingeleitet. Über -

wiegend wurde in diesen Anzeigen die Verdachtslage mit vertraulichen Informatio -

nen begründet, ohne dass die Quelle der vom Bundesministerium für Inneres ange -

zeigten Sachverhalte offengelegt wurde. In zahlreichen Fällen lagen neben dem

Decknamen des Verdächtigen Hinweise vor, die in einem Großteil der Verfahren die

Ausforschung der jeweiligen „Inoffiziellen Mitarbeiter“ bzw. der „Kontaktpersonen“

ermöglichten.

 

Die Verfahren endeten wie folgt:

Gegen fünf Personen wurde Anklage wegen § 256 StGB erhoben. Drei der ange -

klagten Personen wurden von diesem wider sie erhobenen Vorwurf rechtskräftig

freigesprochen, in einem dieser Fälle erfolgte jedoch ein Schuldspruch wegen Fäl -

schung besonders geschützter Urkunden. In einem weiteren Verfahren kann eine

Hauptverhandlung wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten nicht durchge -

führt werden. Schließlich gab das Oberlandesgericht Wien einer Anklage (mangels

hinreichend konkretisierten Tatverdachts) keine Folge und stellte das Verfahren ein.

Anzeigen gegen 53 Personen wurden gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt, weil -

wie bereits ausgeführt - die Erhebungen keine Beweisergebnisse erbrachten, die ei-

nen Schuldspruch hätten erwarten lassen. In der Mehrzahl der Fälle war im Zeit-

punkt der Anzeige bereits Verjährung der Strafbarkeit eingetreten. Gegen 13 Perso -

nen (hievon sechs unbekannte Täter) wurde das Verfahren gemäß § 412 StPO ab -

gebrochen, weil diese für die österreichische Justiz derzeit nicht greifbar sind. Ein

Verfahren wurde wegen Todes des Verdächtigen beendet. Gegen eine Person ist

das Verfahren noch anhängig.

 

Zu 9:

 

Den Medienberichten des vergangenen Herbstes waren vor allem bei

Berücksichtigung der bereits erfolgten umfangreichen Prüfung durch die staatsan -

waltschaftlichen Behörden - keine neuen, ausreichend konkretisierten Verdachts -

momente zu entnehmen, die Anlass für weitere Erhebungsschritte geboten hätten.

Anzeigen durch die Sicherheitsbehörden liegen nicht vor und sind, wie einem Be -

richt des Bundesministeriums für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicher -

heit, an die Staatsanwaltschaft Wien vom 17. Jänner 2000 entnommen werden

kann, auch nicht zu erwarten. Sollten derartige Anzeigen jedoch erstattet werden

oder sonst strafrechtlich relevante Sachverhalte den Anklagebehörden zur Kenntnis

gelangen, werden die damit befassten Staatsanwaltschaften die rechtlich gebotenen

Veranlassungen treffen.

 

Zu 10:

 

Eine Aufklärung verjährter Sachverhalte - mag sie auch aus Gründen der Staats -

räson wünschenswert erscheinen - ist im Wege von Strafverfahren schon auf Grund

des Legalitätsprinzips, dem die österreichische Strafprozessordnung verpflichtet ist,

nicht möglich.