2403/AB XXI.GP

Eingelangt am:06.07.2001

 

Bundesministerium für

Bildung, Wissenschaft

und Kultur

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2507/J - NR/2001 betreffend Finanzierungsquellen

der Ludwig - Boltzmann Gesellschaft, die die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Freundinnen

und Freunde am 31. Mai 2001 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Der Präsident der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft - Generalanwalt Ök.Rat Dr. Christian Konrad

hat anlässlich der Vorstandssitzung am 26. Juni 2001 folgende grundsätzliche Stellungnahme

abgegeben:

 

„Die bisher geleisteten Restitutions - und Entschädigungsleistungen sind durch die Aufarbeitung

der Rolle der Wissenschaft in der NS - Zeit und der Verbrechen, die unter dem Vorwand der

Forschung begangen wurden, zu komplettieren.

 

Dass dies in der Vergangenheit nicht oder in unvollständiger Weise geschehen ist, muss heute als

beschämender und untauglicher Versuch gewertet werden, das Unfassbare auch weitgehend

unausgesprochen zu lassen. Dieser Umstand erhöht aber unsere Verpflichtung zu gewissenhafter

Analyse, zu eindeutigen Aussöhnungsschritten und zu unmissverständlichen Positionierungen

Unabhängig von noch möglichen, sehr schmerzhaften und bedruckenden Ergebnissen eines

derartigen Ausleuchtens der Rolle der Wissenschaft vor 60 Jahren - und in den Folgejahren,

möchte ich als Präsident der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft und aus gegebenem Anlass

ersuchen: ,,lm Namen der Wissenschaft - Verzeihung für das zugefügte Leid!“

Selbst wenn manche meinen, heute sei eine umfassende Darstellung von Verbrechen, die vor

rund 6 Jahrzehnten in Krankenhäusern und Labors begangen wurden, nicht mehr möglich, sind

alle diesbezüglichen Anstrengungen gerechtfertigt. Denn das dunkelste Kapitel unserer

Geschichte wirft Schatten auf die Zukunft, sollten wir gegenwärtig nicht fähig sein, die richtigen

Schlussfolgerungen zu ziehen. Dazu bedarf es mehr als nur einer, auch noch so tief empfundenen

Betroffenheit.

 

Der Versuch, jene Phänomene zu klären, die den Verlust jedes ethischen, moralischen und die

Menschenwürde respektierenden Anspruchs an wissenschaftliches Handeln ermöglichen, ist

dabei vielleicht noch bedeutender, als die Entdeckung weiterer Dokumente über Greueltaten in

der NS - Zeit oder neuer NS - Euthanasie - Beweise. Versäumnisse im historisch dokumentierten

Wissen über Geschehnisse in dieser Zeit gut zu machen, ist zweifellos wichtig und sollte eine der

Aufgaben der neu eingesetzten Ethikkommission der Bundesregierung sein. Institutionen, wie

die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft, werden den Beitrag zu leisten haben, der für eine

abschließende Aufarbeitung der Rolle der Wissenschaft während des Nazi - Regimes erforderlich

ist.

 

Die Fassungslosigkeit über das Leid von Opfern und Angehörigen, über Folterungen und

„wissenschaftlichen Versuchen“ an Kinder, wie an Erwachsenen, muss uns heute zu konkreten

Schritten veranlassen. Auch und gerade jene, die keine persönliche Schuld auf sich geladen

haben und denen die Gnade der späten Geburt gewährt ist.

 

Die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft, die über den Namen eines Arztes und ehemaligen Instituts -

leiters indirekt in die Nähe von unerträglichen und unentschuldbaren Vorkommnissen während

der NS - Zeit gerückt wird, fordert und fördert jede Bemühung, die der historischen Wahrheit

dient

 

Auch eindeutige Gesten:

 

Deshalb regt die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen

für die Aberkennung des Ehrenkreuzes für jenen ehemaligen Leiter eines Ludwig

Boltzmann - Instituts an, dem als Arzt und Wissenschaftler in der „Kinderfachabteilung Am

Spiegelgrund“ (Steinhof, Wien) Mitverantwortung und Mittäterschaft an der NS - Euthanasie

angelastet wird.

 

Deshalb sollte auch die damalige Rolle der Wissenschaft in Österreich nunmehr Gegenstand

einer Studie werden, die die Ethikkommission in Auftrag gibt. Dies scheint vielen auch deshalb

unumgänglich, weil die Fragen der Ethik, der Moral und der Menschenwürde in Wissenschaft

und Forschung angesichts der zu erwartenden Entwicklungspotentiale heute eine neue,

hochbrisante Aktualität erlangen. Wir tragen die Verantwortung für schonungslose Aufklärung

und Offenheit. Ebenso tragen wir aber auch Verantwortung dafür, dass ethische und moralische

Anforderungen an Wissenschaft und Forschung zu jeder Zeit aktualisiert werden.

 

Die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft ist über den Namen eines Arztes und ehemaligen Instituts -

leiters indirekt in die Nähe von unerträglichen und unentschuldbaren Vorkommnissen während

der NS - Zeit gerückt worden. Dessen Ausscheiden als Institutsleiter und Mitglied der Ludwig

Boltzmann - Gesellschaft wurde 1989 veranlasst.“

 

Ad 1. bis 6.:

 

Herr Magistratsdirektor a.D. Dr. Josef Bandion unterhält in der Geschäftsstelle der Ludwig

Boltzmann - Gesellschaft kein privates Büro.

 

Dr. Bandion ist seit Mitte 1996 Hauptmieter seines Büros. Mehr als ein Jahr später wurden

benachbarte Räumlichkeiten frei und von der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft angemietet. Für

beide Mietobjekte bestand vom Vormieter her eine gemeinsame Telefonanlage, welche eine

getrennte Kostenrechnung ermöglicht. Die Kosten für die Inanspruchnahme dieser gemeinsamen

Telefonanlage durch das Büro Dr. Bandion werden von diesem voll ersetzt. Kosten für

Gespräche, die Prof Dr. Bandion für die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft durchführt, werden

von ihm nicht gegenverrechnet, sondern von seinem Büro getragen.

 

Weiters benützt das Büro von Dr. Bandion ein Kopiergerät der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft,

das ebenfalls vom Vormieter her stammt. Auch dafür wird ein entsprechender Kostenersatz

geleistet und die Kopierarbeiten vom Büro Dr. Bandion ohne Inanspruchnahme vom Personal der

Ludwig Boltzmann - Gesellschaft durchgeführt.

 

Diese Kosten werden durch entsprechende monatliche bzw. vorschreibungsweise Barzahlungen

durch das Büro Dr. Bandion refundiert.

 

Dr. Bandion gestattet unentgeltlich der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft die Mitbenützung seiner

Räumlichkeiten und ist nicht nur ehrenamtlich als Vorstandsmitglied für die Ludwig Boltzmann -

Gesellschaft tätig, sondern gewährt dieser auch persönliche Spenden.

 

Ad 7.:

 

Siehe Beantwortung der Fragen 1 bis 6.

 

Ad 8. und 9.:

 

Gehirne wurden nie im Ludwig Boltzmann - Institut aufbewahrt, sondern im Rahmen des

Krankenhauses der Stadt Wien, Baumgartner Höhe. Ebenfalls wurden im Boltzmann - Institut

keine Schnitte hergestellt, sondern diese Schnitte vor Errichtung des Boltzmann - Instituts durch

das Krankenhaus der Stadt Wien, Baumgartner Höhe, vorgenommen. Lediglich bei einer

Begehung im Jahre 1998 wurden einige Hirnsektionsbefunde des Histopathologischen

Laboratoriums des Krankenhauses Stadt Wien, Baumgartner Höhe aus dem Jahr 1954 bis 1957

aufgefünden sowie eine Anzahl histologischer Präparate. Diese wurden dem ärztlichen Direktor

des Krankenhauses der Stadt Wien, Baumgartner Höhe, übergeben.

 

Nach Ausscheiden von Dr. Gross als Institutsleiter sowie auch als Mitglied der Ludwig

Boltzmann Gesellschaft im Jahr 1989 wurden im Ludwig Boltzmann - Institut für klinische

Neurobiologie keinerlei Forschungen an diesen Gehirnen oder Gehirnpräparaten durchgeführt.

Mit den Vorwürfen im Jahr 1989 wurde Dr. Gross konfrontiert und hat, wie erwähnt, sowohl die

Leitung des Instituts als auch die Mitgliedschaft bei der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft zurück -

gelegt.

 

Ad 10.:

 

Wie bereits in der Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 6473/J -

NR/1999, 6168 ABXX.GP. durch den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr

ausgeführt, wurden die dem Ludwig Boltzmann - Institut zur Erforschung der Missbildungen des

Nervensystems bzw. für klinische Neurobiologie bis 1989 zur Verfügung gestellten Mitteln aus

den allgemeinen Zuwendungen der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft getätigt. Diese umfassen

neben den Zuwendungen des Bundes und der Stadt Wien Mitgliedsbeiträge, Zinsenerträge und

kleinere Subventionen. Eine Zuordnung zu einzelnen Einnahmenpositionen erfolgte nicht.

 

Ad 11.:

 

Die Dotierung bis 1989, jenen Zeitraum in dem Dr. Gross noch innerhalb des Ludwig

Boltzmann - Instituts tätig war, wurden bereits in Beantwortung der schriftlichen Anfrage

Nr. 6473/J - NR/1999, 6168/ABXX.GP. dargestellt. Sie betrugen jährlich für die zusammen -

gelegten Institute zwischen 1981 und 1989, wie in dieser Anfragebeantwortung ausgeführt, 2,21

bis 2,89 Mio. Schilling. Diese Mittel waren zweckgebunden für Personal - und Sachausgaben der

Institute. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das Ludwig Boltzmann - Institut zur Erforschung der

Missbildungen des Nervensystems im Jahr 1980 fünf Dienstnehmer/innen beschäftigte und das

Ludwig Boltzmann - Institut für klinische Neurobiologie sieben Dienstnehmer/innen. 1981

beschäftigten beide Institute, ebenso wie 1989, 13 Dienstnehmer/innen.

 

Die Abrechnung der Institute basiert auf den Personal - und Sachausgaben und ist nicht einzelnen

Forschungsprojekten zugeordnet. Es entzieht sich der Kenntnis der Ludwig Boltzmann

Gesellschaft in welchem Ausmaß Dr. Gross Forschungen durchgeführt hat, die nicht in den

jährlichen Geschäftsberichten der Ludwig Boltzmann Gesellschaft oder in den in diesen

Geschäftsberichten angegebenen Publikationen angeführt wurden.

Ad 12. und 13.:

 

Leiter/innen von Ludwig Boltzmann - Instituten und - Forschungsstellen sind ebenso wie

Universitätsprofessor/innen in der wissenschaftlichen Forschung frei und es können ihnen keine

Weisungen erteilt werden.

 

Ad 14.:

 

Nein.

 

Ad 15. bis 17.:

 

Die Funktion der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft, Trägerorganisation von Instituten zu sein,

bedingt im Gegensatz zu einer reinen Projektförderung, dass die Kontinuität auch in der

Finanzierung und in der Liquidität gewährleistet sein muss. Im Jahr 2000 wurden für

durchschnittlich 268 Dienstnehmer allein über die Gehaltsverrechnungsstelle der Ludwig

Boltzmann - Gesellschaft 89,5 Mio. Schilling ausbezahlt. Die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft hat

zur Frage der Rücklagenbildung Gutachten eines Rechtsanwaltes und eines Wirtschaftstreu -

händers eingeholt. Das Wirtschaftstreuhändergutachten führte aus, dass eine ausreichende Liqui -

ditätsreserve zur finanziellen Absicherung auch für anfallende Kosten im Fall der Liquidation

notwendig wäre.

 

Das Kontrollamt der Stadt Wien hat in einem Überprüfungsbericht die Relevanz dieser

Erwägungen anerkannt.

 

Die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft war bestrebt, auch einen Förderungsvertrag mit dem Bund

zu erreichen, der für eine mehrjährige Periode eine Zuwendung vorgesehen hätte. In diesem Fall

waren natürlich Rücklagen in geringerer Höhe ausreichend gewesen. Zum Abschluss eines

solchen Vertrages kam es allerdings nicht.

Das Reinvermögen der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft wird in der Abrechnung 2000 der

Geschäftsstelle mit 42,2 Mio. Schilling ausgewiesen.

 

Daneben bestehen gewidmete Rücklagen von 52,5 Mio.Schilling, die sich allerdings auf bereits

zugesagte, aber noch nicht überwiesene Zahlungen an Institute und Forschungsstellen in der

Höhe von 36,5 Mio.Schilling und auf Rücklagen für Schwerpunktprogramme in der Höhe von

16 Mio. Schilling beziehen. Für Abfertigung, sonstige Urlaubsentschädigungen und - abfindungen

wurden Rückstellungen in der Höhe von 20,5 Mio. Schilling und für laufende Zusagen in der

Höhe von 0,9 Mio. Schilling gebildet.

 

Im Sinne der Vorausführungen ist davon auszugehen, dass diese Rücklagen erforderlich sind.