2621/AB XXI.GP
Eingelangt am: 24.08.2001
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel
Die Abgeordneten zum Nationalrat Theresia Haidlmayr, Freundinnen und Freunde
haben am 27. Juni 2001 unter der Nr. 2603/J an mich eine schriftliche parla -
mentarische Anfrage betreffend „Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" gerichtet.
Diese Anfrage beantworte Ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Eingangs möchte ich festhalten, daß ich den in Ihrer Anfrage mehrfach verwendeten
Begriff ,diskriminierend", der bereits eine negative Wertung zum Ausdruck bringt, so
verstehe, daß damit eine Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung zum
Ausdruck gebracht wird. Nicht jede gesetzliche Ungleichbehandlung ist nämlich
schon eo ipso diskriminierend - Eine Verletzung des verfassungsrechtlich verankerten
Gleichheitsgrundsatzes liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Gesetzgeber gleich -
artige Sachverhalte ohne sachliche Rechtfertigung - ungleich behandelt. Im
Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes,
dem letztlich die Beurteilung der Verfassungskonformität oder der Verfassungs -
widrigkeit einer gesetzlichen Bestimmung obliegt, daß auch eine zunächst gleich -
heftskonforme Regelung durch eine Änderung der "maßgeblichen tatsächlichen
Verhältnisse“ Im Lauf der Zelt gleichheitswidrig werden kann.
Was nun die ersten drei Fragen anlangt, so kann meines Erachtens nicht davon
gesprochen werden, daß unsere Rechtsordnung homosexuelle Partnerschaften
grundsätzlich diskriminiert. Erst kürzlich hat der Gesetzgeber durch eine Erweiterung
des Angehörigenbegriffs nach § 72 StGB homosexuelle Lebensgemeinschaften
heterosexuellen Partnerschaften hinsichtlich straf - und strafverfahrensrechtlicher
Privilegierungen gleichgestellt, ihnen beispielsweise das Zeugnisentschlagungsrecht
(§ 152 StPO) eingeräumt. Ansonsten werden homosexuelle Partnerschaften im
Vergleich zu den In einer Ehe lebenden Partnern wegen der Wesenselemente dieser
Institution vielfach verschieden behandelt. Veränderungen dieser Rechtslage
bedürfen eines grundlegenden und breiten politischen Diskurses und eines
entsprechend gewandelten gesellschaftlichen
Bewußtseins.
Zu den Fragen 4 bis 6:
Im Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes bestehen keine gesetzlichen
Bestimmungen, die eine diskriminierende Behandlung von homosexuellen und nicht -
ehelichen heterosexuellen Beziehungen bzw. Partnerschaften vorsehen. Sollte sich
tatsächlich ergeben, daß sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen in
Bezug auf Partnerschaften in meinem Ressortbereich bestehen, werde ich selbst -
verständlich für deren umgehende Beseitigung eintreten.
Zu Frage 7:
Hinsichtlich dieser Frage wird auf die Ausführungen der Bundesministerin für
auswärtige Angelegenheiten in deren Antwort zur gleichlautenden Anfrage
Nr. 2604/J - NR/2001 verwiesen.
Zu Frage 8:
Art. 13 EGV ermächtigt den Rat, im Rahmen der durch den EG - Vertrag auf die
Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten geeignete Vorkehrungen zur
Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der
ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu treffen.
Diese Bestimmung, deren Einführung von Österreich im Zuge der
Regierungskonferenz 1996 sehr begrüßt wurde, beinhaltet kein unmittelbar
anwendbares Recht. Die konkreten Verpflichtungen Österreichs ergeben sich aus
den auf der Grundlage des Art. 13 EGV erlassenen Rechtsakten. Soweit es sich bei
diesen Rechtsakten um Richtlinien handelt, werden diese fristgerecht und vollständig
in die österreichische Rechtsordnung umgesetzt werden.
Art. 21 Abs. 1 der von Österreich maßgeblich mitgestalteten Charta der Grundrechte
der EU verbietet Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der
Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen
Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder
sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Ausrichtung. Diese Bestimmung ist derzeit rechtlich nicht bindend. Die Frage, ob und
auf welche Weise die in Nizza proklamierte Charta der Grundrechte der EU in die
Verträge aufgenommen und damit mit Rechtsverbindlichkeit ausgestattet werden
soll, wird im Zuge der Regierungskonferenz 2004 zu behandeln sein.
Zu Frage 9:
Bereits in der Präambel des Regierungsprogramms ist das Bekenntnis zur
Unterstützung der weiteren Arbeiten zur Bekämpfung jeglicher Form von
Diskriminierung im Sinn von Artikel 13 des EU - Vertrages enthalten. Wie bereits
erwähnt, ermächtigt Art. 13 EGV den Rat, geeignete Vorkehrungen zur Bekämpfung
der dort genannten Diskriminierungen zu
treffen.
Auf der Grundlage dieser Bestimmung wurde zunächst die Richtlinie 2000/43/EG
(Richtlinie des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen
Herkunft) erlassen. Im engen Zusammenhang damit steht die Richtlinie 2000/78/EG
(Richtlinie des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen
Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf).
Diese Richtlinie gift für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen,
einschließlich öffentlicher Stellen. Sie erfaßt den Bereich der Arbeitswelt und
verbietet unmittelbare wie mittelbare Diskriminierungen auf Grund der Religion oder
der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung.
Die Vorbereitungsarbeiten für die Umsetzung dieser eng miteinander verwobenen
Richtlinien in Österreich sind bereits im Gange, sodaß mit einer fristgerechten
Umsetzung zu rechnen ist.
Darüber hinaus darf darauf hingewiesen werden, daß in Österreich ein allgemeines
Diskriminierungsverbot In der Form des verfassungsrechtlichen Gleichheits -
grundsatzes besteht, das auch unsachliche Ungleichbehandlungen auf Grund der
sexuellen Orientierung erfaßt.
Der Schulz vor unsachlichen Ungleichbehandlungen auf Grund der sexuellen
Orientierung wird sohin sowohl auf europäischer Ebene als auch durch nationales
Verfassungsrecht verwirklicht.
Zu Frage 10:
Hinsichtlich dieser Frage wird auf die Ausführungen des Bundesministers für Justiz in
dessen Antwort zur gleichlautenden Anfragen Nr. 2607/ - NR/2001 verwiesen.
Zu Frage 11:
Die Frage der Abhaltung einer parlamentarischen Enquete oder eines öffentlichen
Hearings über den Gegenstand der vorliegenden Anfrage stellt keine Angelegenheit
der Vollziehung dar, sondern ist im parlamentarischen Bereich zu entscheiden.