266/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Mikl - Leitner und Kollegen haben am
21. Jänner 2000 unter der Nr. 260/J an meinen Amtsvorgänger eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend Expertise zur Einführung der d - Box beim
ORF gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Bei dem in der Anfrage zitierten Gutachten handelt es sich um einen „Dienst -
zettel“ der Abteilung für Medienangelegenheiten des Verfassungsdienstes an
das Kabinett des Bundeskanzlers. Diesem ging eine Anfrage des Kabinetts
bezüglich einer rechtlichen Einschätzung der Verwendung der d - Box im Lichte
gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben voraus. Im Wege eines „Dienstzettels“
ergehen laut Kanzleiordnung für Bundesministerien schriftliche Erledigungen
an Stellen innerhalb eines Ressorts (§
32).
Zu den Fragen 2 und 3.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass den Informationen des Bundeskanzler -
amtes - Verfassungsdienst zufolge sich ein Vertrag des ORF mit dem zur Kirch -
Gruppe gehörenden Unternehmen Betaresearch nicht auf die Einführung oder
den Vertrieb der d - Box beziehen wird, sondern die Lizenzierung der Verwen -
dung des Verschlüsselungssystems ,,Betacrypt“ betreffen wird. Die Einführung
der d - Box in Österreich erfolgte bereits mit Markteintritt des Pay – TV Veranstal -
ters „Premiere“. Die Verwendung des Verschlüsselungssystemes (Conditional
Access - System) ,‚Betacrypt“ zur Verschlüsselung von Programmen ist die Vor -
aussetzung für die Empfangbarkeit dieser Programme durch Haushalte, die die
d-Box verwenden. Gleichzeitig schließt die Verwendung des Verschlüsselungs -
systems „Betacrypt“ nicht aus, daß ein Programmveranstalter zusätzlich noch
von anderen Set - Top - Boxen lesbare Verschlüsselungssysteme verwendet.
Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften bezüglich der Interoperabilität von Con -
ditional - Access -Systemen finden sich in der Richtlinie 95/47/EG vom 24. Okto -
ber 1995 über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernseh -
signalen. Art. 4 c der Richtlinie 95147/EG sieht zur Sicherstellung der Inter -
operabilität vor, dass Anbieter von Verschüsselungssystemen allen Rundfunk -
veranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und nicht diskriminierenden
Bedingungen Zugang zu den Verschlüsselungssystemen einräumen müssen.
Dadurch soll vor allem sichergestellt werden, dass ein Haushalt nicht mehrere
Set - Top - Boxen zum Empfang verschiedener verschlüsselter Programme erwer -
ben muss. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass den Vorgaben
der Richtlinie 95/47/EG seitens der Anbieter von Verschlüsselungssystemen
sowohl durch die Ermöglichung des ,‚Simulcrypt“ - Verfahrens als auch durch das
,,Multicrypt“ - Verfahren entsprochen werden kann (vergleiche Mitteilung der
Kommission, „Die Entwicklung des Marktes für digitales Fernsehen in der Euro -
päischen Union“, Korn (1999) 540). Zur Erläuterung der Begriffe ,,Simulcrypt“
und ,‚Multicrypt“ darf auf die zuvor genannte Mitteilung der Kommission hinge -
wiesen werden.
Die von der Kirch - Gruppe entwickelte d-Box ermöglicht die Verwendung des
,,Simulcrypt“-Verfahrens und entspricht daher im Lichte der rechtlichen Beur -
teilung durch die Europäische Kommission den Vorgaben der Richtlinie
95/47/EG. Im Zusammenhang mit dem ,,Simulcrypt‘ - Verfahren trifft den
Anbieter von Verschlüsselungssystemen (im vorliegenden Fall Betaresearch)
nach dieser Richtlinie die Verpflichtung, ,,Simulcrypt“ dadurch zu ermöglichen,
dass er zu chancengleichen, diskriminierungsfreien Bedingungen interessierten
Rundfunkveranstaltern ,,Simulcrypt“-Vereinbarungen anbietet. Die Rundfunkver -
anstalter, die die Verschlüsselungssysteme ausschließlich verwenden, trifft
nach der Richtlinie 95/47/EG, mit Ausnahme der Veröffentlichung einer Tarif -
liste, keinerlei Verpflichtung. Die Verpflichtungen aus der Richtlinie 95/47/EG
treffen allein die Anbieter von Zugangsberechtigungssystemen.
Der Verwendung eines bestimmten Verschlüsselungssystems durch einen
österreichischen Fernsehveranstalter steht die Richtlinie 95/47/EG nicht ent-
gegen.
Zu den Fragen 4 und 5:
Die Entscheidung zur Verwendung eines bestimmten Verschlüsselungssystems
ist eine vom jeweiligen Fernsehveranstalter zu treffende unternehmenspoliti -
sche Entscheidung. Die Unabhängigkeit der österreichischen Rundfunkveran -
stalter hinsichtlich ihrer Geschäftspolitik ist durch das Bundesverfassungsge -
setz zur Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks garantiert und manife -
stiert sich in den dazu ergangenen Ausführungsgesetzen. Weder das Kabel -
und Satellitenrundfunkgesetz noch das Rundfunkgesetz enthalten Bestimmun -
gen, die die Verwendung eines bestimmten Verschlüsselungssystemes durch
einen Rundfunkveranstalter untersagen oder den Aufsichtsbehörden die Mög -
lichkeit geben würden, Auflagen hinsichtlich der Nutzung von Verschlüsse -
lungssystemen an Rundfunkveranstalter zu
erteilen.
Zu Frage 6:
Die Entscheidung des ORF für die Verwendung eines bestimmten Verschlüsse -
lungssystems ist eine unternehmenspolitische Entscheidung des Österreichi -
schen Rundfunks, die aufgrund des verfassungsrechtlichen Unabhängigkeits -
gebots des Rundfunks allein durch die Gremien des ORF zu treffen ist. Eine
Bewertung unternehmenspolitischer Entscheidungen des ORF obliegt dem
Bundeskanzler ebenso wenig, wie etwa die bereits in gleicher Weise für die
d - Box getroffene Entscheidung eines privaten österreichischen Fernsehveran -
stalters.