2819/AB XXI.GP
Eingelangt am: 23.11.2001
DER
BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
Die Abgeordneten zum Nationalrat Helmut
DIETACHMAYR und Genossen haben
an mich eine schriftliche Anfrage betreffend "Schließung von
Bezirksgerichten im
Bezirk
Linz-Land" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 10:
Ich habe bekanntlich im Hinblick darauf,
dass die österreichische Gerichtsorganisati-
on, die im Wesentlichen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt und die den
heutigen Anforderungen an eine qualitativ hochstehende Rechtsversorgung nicht
mehr gerecht wird, ein idealtypisches Konzept einer Gerichtsorganisation
ausarbei-
ten lassen und dieses den Landeshauptmännern bei der
Landeshauptmännerkonfe-
renz am 17. Februar 2001, dem Rechtsausschuss des Gemeindebundes am
28. Februar 2001, dem Hauptausschuss des österreichischen Städtebundes
am
15. März 2001 und sämtlichen Landesregierungen (mit Ausnahme der
Bundes-
hauptstadt Wien)
persönlich vorgestellt.
Im Rahmen der im Anschluss daran
geführten, sehr konstruktiven Verhandlungen
habe ich den
Landeshauptmännern schriftlich einen Kompromissvorschlag unter-
breitet, der für
Oberösterreich nachstehende Gerichtsorganisation vorsieht:
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Aufzunehmende BG-Sprengel: |
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Damit würden in Oberösterreich
17 Bezirksgerichte bestehen, somit um zwei mehr
als Bezirkshauptmannschaften eingerichtet sind. Mit Ausnahme von Eferding
wäre
in jeder Bezirkshauptstadt ein Bezirksgericht. Eferding sollte deswegen mit
Grieskir-
chen zusammengelegt werden, weil es nur 1,2 Richter mit richterlichen
Rechtspre-
chungsaufgaben auslastet. Die Kleinheit dieses BH-Sprengels ist offenkundig
auch
der Grund dafür, dass Eferding kein eigenes Finanzamt hat, sondern zum
Finanz-
amtssprengel Grieskirchen gehört.
Außerhalb der Bezirkshauptstädte
sieht der Vorschlag die Bezirksgerichte Bad Ischl
und Mattighofen vor.
Am 19. Oktober 2001 habe ich auf Einladung
von Landeshauptmann Dr. Josef
Pühringer im Zuge von zwei Veranstaltungen bei den
Bezirkshauptmannschaften
Urfahr-Umgebung und Wels-Land die Planungen des Justizministeriums im Rahmen
des Kompromissvorschlages eingehend erläutert und präsentiert, bei
zwei weiteren
Veranstaltungen bei
den Bezirkshauptmannschaften Ried und Steyr-Land habe ich
mich wegen einer Terminkollission vom Leiter der Präsidialsektion des
Bundesmini-
steriums für Justiz vertreten lassen, der ebenfalls diese Pläne
vorgestellt und
begründet
hat.
Im Rahmen der Verhandlungen zwischen Bund
und Ländern über die Verwaltungs-
reformen in der Finanzausgleichskommission ist man in der Folge auch
übereinge-
kommen, notwendige
Änderungen in der österreichischen Gerichtsstruktur
vorzunehmen. Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer sowie die FPÖ
Oberösterreich
sind im Sinne einer optimalen Rechtsversorgung für die
oberösterreichische Bevöl-
kerung bereit, entlang der vorgeschlagenen Lösung einen Kompromiss mit dem
Justizressort zu finden. Dass sich Landeshauptmann Dr. Pühringer und die
FPÖ
Oberösterreich mit dieser konstruktiven Haltung auch im Sinne des Wunsches
der
Österreicherinnen und Österreicher verhalten, ergab nicht nur eine
Umfrage, die im
Auftrag der österreichischen Notariatskammer durchgeführt worden ist,
sondern
auch eine jüngst, spezifisch in Oberösterreich durchgeführte
Befragung. Nach der
letztgenannten Befragung halten 72 % der Oberösterreicher ein
Bezirksgericht pro
Bezirk für ausreichend, nur 13 % glauben, dass dies nicht genügen
solle.
In Oberösterreich ergibt sich jedoch
- wie dies jüngsten Medienberichten auch zu
entnehmen war - die politische Situation, dass zwar die Freiheitliche Partei
und die
Österreichische Volkspartei für diese sinnvolle und im Interesse der
Rechtsversor-
gung der Österreicherinnen und Österreicher unbedingt notwendige
Maßnahme
gewonnen werden konnten, die SPÖ diesen notwendigen Reformen jedoch ableh-
nend gegenübersteht und sie sogar zur Koalitionsfrage erhoben hat.
In einem Gespräch mit der oberösterreichischen
Landesregierung, zu dem ich am
12. Oktober 2001 nach Linz gereist bin, konnte mit Dipl.-Ing. Erich Haider
keine
Einigung erzielt werden. Es wurde daher vereinbart, dass die
oberösterreichische
Landesregierung bis 28. Februar 2002 versuchen wird, eine Konsenslösung zu
finden.
Ich hoffe und gehe davon aus, dass sich die SPÖ
Oberösterreich zu den notwendi-
gen Maßnahmen in der Gerichtsorganisation entschließen wird.
Die derzeitige Haltung steht jedenfalls im diametralen Widerspruch
zur bisher von
der sozialdemokratischen Fraktion in der Frage der Gerichtszusammenlegung
vertretenen Haltung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die
Gerichtszusammenlegungen in Österreich in den Jahren 1976 (Steiermark),
1977,
1978 und 1979 (Kärnten und Tirol) auf die Initiative des damaligen
Bundesministers
für Justiz Dr. Christian Broda zurück gingen. Auch während der
Zeit der SPÖ-ÖVP-
Koalition in der Bundesregierung war die Zusammenlegung von
Klein-Bezirksgerich-
ten zu größeren Gerichtseinheiten stets Inhalt des Arbeitsprogramms
des
Bundesministers für Justiz; unter der
SPÖ-ÖVP-Bundesregierung sah die Regie-
rungsvorlage des Strukturanpassungsgesetzes (72 BlgNR XX. GP) eine Änderung
des § 8 Abs. 5 lit. d Übergangsgesetz 1920 vor, wodurch die
Zustimmungsrechte
der Landesregierungen in Bezug auf die Sprengel von Bezirksgerichten durch ein
bloßes Anhörungsrecht hätten ersetzt werden sollen. Diese
Regierungsvorlage ist
am 28. März 1996 im Verfassungsausschuss beraten worden. Zu diesem Punkt
ist
von den damaligen Koalitionsparteien ein Abänderungsantrag beschlossen
worden,
wonach die genannte Novelle als eigenes Bundesverfassungsgesetz hätte
ergehen
sollen (AB 98 BlgNR XX.
GP). Eine Behandlung
dieses Ausschussantrages im
Plenum des Nationalrates erfolgte jedoch nicht.
Namhafte sozialdemokratische
Funktionäre haben sich in der Vergangenheit für
Maßnahmen in der Gerichtsorganisation eingesetzt:
Der Abgeordnete Dr. Günter Krauter
führte schon 1992 aus: "Es ist falsch verstan-
dene Regionalpolitik, in Wahrheit Ressourcen zu vergeuden und es an Sparsamkeit
im Umgang mit öffentlichen Mitteln fehlen zu lassen" (APA OTS vom
16.12.1992)
und appellierte damit um Unterstützung für Maßnahmen zur
Herstellung einer
zweckmäßigen Gerichtsorganisation. Auch der SPÖ-Abgeordnete und
damalige
stellvertretende Vorsitzende des Justizausschusses, Kurt Preis, setzte sich
für Struk-
turbereinigungsmaßnahmen in der Gerichtsorganisation ein:
"Insbesondere muss im
Interesse der Rechtsuchenden die Zusammenfassung von Bezirksgerichten zu
dauernd funktionsfähigen Einheiten durchgeführt werden. Das
nostalgische Festhal-
ten an Zwerggerichten, die zum Teil noch aus der Postkutschenzeit stammen, hat
mit Bürgernähe nichts zu tun, sondern kommt in Folge der sporadischen
Besetzung
in vielen Fällen einer Rechtsverweigerung gleich" (APA OTS vom
27.3.1991). Auch
der Justizsprecher der Sozialdemokratischen Fraktion, Dr. Johannes Jarolim,
sprach
sich wiederholt für diese Maßnahmen aus, "da dieses Vorhaben ja
letztlich allen
Bürgern durch
eine Verbesserung des qualitativen Angebotes zu nutzen wäre" (APA
OTS
vom 17.7.2000).
Ich hoffe daher, dass sich eine
Lösung für Oberösterreich entlang des oben darge-
stellten Kompromissvorschlages erzielen lässt, was im Interesse der
Bürgerinnen
und Bürger des Landes Oberösterreich gelegen wäre.
Was die Umsetzung der Maßnahmen
anlangt, wird die Justizverwaltung wie schon
bei Gerichtszusammenlegungen in der Vergangenheit - in Zusammenarbeit mit der
Personal- und Standesvertretung - soweit
wie möglich auf die Wünsche und Bedürf-
nisse der Bediensteten Bedacht nehmen.
Als Begleitmaßnahme zu den Reorganisationsmaßnahmen
wurde die Einrichtung
eines Rechtsberatungs-Service an den aufzulassenden Gerichtsstandorten angebo-
ten. Bei diesen Beratungsstellen soll eine für die Bevölkerung
kostenlose Rechtsbe-
ratung durch Rechtsanwälte oder Notare erfolgen.