2884/AB XXI.GP

Eingelangt am: 03.12.2001

 

 


Bundesministerium für
Bildung, Wissenschaft
und Kultur

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2894/J-NR/2001 betreffend Demokratie und Mit-
bestimmung an den Universitäten, die die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Freundinnen und
Freunde am 4. Oktober 2001 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

Ad 1.:

Die an den Universitäten praktizierte Form der Entscheidungsfindung ist jedenfalls nicht die
einzige Möglichkeit für eine demokratische Art der Machteinschränkung. Der Gestaltungs-
entwurf des Ministeriums enthält eine Reihe demokratischer Mechanismen und ermöglicht
keineswegs eine “autokratische Herrschaft". Zu erwähnen sind etwa: (a) die Wahlen und
Abwählen der Funktionärinnen und Funktionäre, (b) das Prinzip der “doppelten Legitimation",
(c) die paritätische Zusammensetzung des Senats, (d) die interne Zielvereinbarung durch “Mana-
gement by Objectives", (e) die Berücksichtigung der Lehrveranstaltungsbeurteilungen in den
Leistungsvereinbarungen.

Ad 2.:

Aus der Antwort auf die vorherige Frage geht hervor, dass es bei dem Gestaltungsentwurf nicht
um “Entdemokratisierung" geht. Überdies halte ich fest, dass ich nie davon gesprochen habe,
dass Demokratie kein Qualitätsmerkmal ist. Ob jemand die Ausschreibungskriterien erfüllt oder
nicht ist keine Frage der demokratischen Abstimmung, sondern eine reine Feststellung anhand
der Bewerbungsunterlagen.


Ad 3.:

Nein. Das Parlament ist eine politische Institution, die Universität hingegen nicht.

Ad 4.:

Alle organisatorischen Strukturen sind hierarchisch; auch die Universitäten waren bisher nicht
hierarchiefrei. Die mindere Effizienz universitärer Strukturen ist in der Organisationsforschung
seit langem bekannt, siehe z.B. Cohen, M. D. / March, J. G. / Olsen, J. P.: A Garbage Can Model
of Organizational Choice, in: March, J. G. (Ed.): Decision and Organizations, New York:
Blackwell 1988.

Tatsache ist, dass die derzeitigen Strukturen verbesserungsfähig sind. Das lässt sich, um nicht nur
theoretische Hinweise zu bringen sondern auch einen Beleg aus der Praxis anzuführen, schon aus
der Unzahl universitärer Gremien ableiten:

Wie der Homepage einer mittelgroßen österreichischen Universität zu entnehmen ist, sind
50 periodisch tagende Kommissionen eingerichtet, welche insgesamt 664 Mitglieder haben. Das
bedeutet bei 503 Planstellen für Professorinnen, Professoren und Mittelbauangehörige doch eine
sehr intensive Beschäftigung in Gremien. Dabei ist zu bedenken, dass in diese Zahl der
Kommissionen weder die Institutskonferenzen, noch die wichtige Berufungs- und Habilitations-
kommissionen eingerechnet sind.

Ad 5.:

Die wissenschaftlichen Ergebnisse zu dieser Frage sind differenzierter und lassen den Schluss zu,
dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in höherem Maße motivieren, wenn sie genau in den
Angelegenheiten mitzuentscheiden haben, die sie unmittelbar betreffen. Es geht nicht darum,
dass möglichst viele Repräsentantinnen und Repräsentanten in möglichst vielen Angelegenheiten
mitreden können. Als besonders wirksames Instrumentarium zur Herstellung motivierender
Rahmenbedingungen wird “Management by Objectives" angesehen. Im Gestaltungsentwurf des
Ministeriums ist vorgesehen, diese Vorgehensweise zur Vereinbarung der Arbeitsleistungen ver-
pflichtend einzuführen.


Ad 6.:

Die Senatsmitglieder haben, wie aus dem Text des Gestaltungsvorschlags hervorgeht, keineswegs
nur beratende Funktion, sondern auch entscheidende Rollen: bei der Wahl der Rektorin oder des
Rektors und in Angelegenheiten der Curricula. Die Rektorin oder der Rektor haben zwar in
vielen Fällen (im Sinne demokratischer Machtkontrolle) den Universitätsrat mitzubefassen, sie
haben aber auch eine Fülle von Entscheidungen selbst zu treffen und zu verantworten. Die
Funktion der Rektorin oder des Rektors ist eine hoch attraktive Position, die viel Gestaltungs-
willen erfordert und zur Abstimmung mit anderen zwingt. Diese Kombination von guter uni-
versitärer Tradition und effektiver Mitsprache wird die Konkurrenz- und Leistungsfähigkeit
unserer Universitäten enorm beflügeln.

Ad 7.:

Kritisiert wurde vor allem, dass das Ministerium Beamte in den Universitätsrat entsenden kann
und wird. Die entsprechende Formulierung im Entwurf lautet: "Dem Universitätsrat gehören
folgende Mitglieder an: ... zwei Mitglieder, davon höchstens eine Beamtin oder ein Beamter aus
dem aktiven Dienststand eines Bundesministeriums, die von der Bundesministerin oder dem
Bundesminister bestellt werden;".

Aus dem Text geht eindeutig hervor, dass von den fünf Mitgliedern maximal eines eine aktive
Beamtin oder ein aktiver Beamter sein darf. Diese Bestimmung wurde als Schutz aufgenommen,
um zu verhindern, dass der Universitätsrat von Beamtinnen oder Beamten des Hauses dominiert
werden könnte. Die bisherige Kritik entbehrt also jeder Grundlage. Darüber hinaus habe ich
bereits im September (siehe APA vom 21. 9. 2001) erklärt, dass ich nicht daran denke, Beam-
tinnen oder Beamten des Hauses in Universitätsräte zu entsenden.

Davon abgesehen gibt es in anderen Ländern auch die Variante, dass alle oder ein Teil der Mit-
glieder des Universitätsrates von der Ministerin oder vom Minister ernannt werden:
So hat etwa der Universitätsrat der Universität Zürich sieben bis neun externe Mitglieder, diese
werden von der Regierung bestellt (oder sind selbst Regierungsmitglieder); Universitätsange-
hörige (Leitung und einige gewählte Vertreter der Professoren) haben beratende Stimme.


An der Universität Karlsruhe hat der Universitätsrat neun externe Mitglieder, die vom Senat mit
Zustimmung des zuständigen Ministeriums bestellt werden; Universitätsangehörige sind nicht
vertreten.

Ad 8.:

Die Ministerin oder der Minister hat die Verpflichtung, als Vertreter des Steuerzahlers den
Mitteleinsatz zu verantworten. In Fällen, in denen große Summen an Steuergeldern eingesetzt
werden, ist es üblich, dass “Eigentümervertreter" im Aufsichtsorgan Mitglieder sind.

Ad 9.:

Richtig ist, dass die Mitglieder des Universitätsrats professionell agieren sollen. Dies bedeutet
aber keineswegs, dass es “Berufsräte" geben muss. Die Aufgaben des Universitätsrates sind
denen eines Aufsichtsrates vergleichbar, Umfang und Intensität werden aber höchstens in einer
kurzen Anfangsphase ähnlich sein . Auch für Aufsichträte ist es völlig undenkbar, dass diese
Funktion das Ausmaß eines “Full-time-Jobs" annimmt.

Da unsere Universitäten attraktiv sind und sie die vorgesehene Weiterentwicklung zur Vollrechts-
fähigkeit noch attraktiver macht, wird ganz sicherlich die nötige Anzahl von Persönlichkeiten zu
finden sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Universitätsrat mit entsprechenden Kompeten-
zen ausgestattet ist, und das Gesetz eine Form vorgibt, die ihn entscheidungsfähig macht. Beides
wurde im Gestaltungsvorschlag berücksichtigt.

Ad 10.:

Ich verweise auf die Antworten zu den Fragen 7 und 8.

Ad 11.:

Erstens gehen diese Umfragen von der Voraussetzung aus, dass die Universitäten “ausgegliedert"
werden; diese Voraussetzung trifft nicht zu. Zweitens wurden diese Umfragen noch vor Bekannt-
gabe der politischen Eckpunkte, die im Ministerrat am 13. August 2001 präsentiert wurden,
durchgeführt.


Überdies erfolgt die Erarbeitung des neuen Universitätsgesetzes nach der Methode der offenen
Planung. Dies bedeutet, das der Gestaltungsvorschlag mit den Betroffenen und Interessierten
breit diskutiert wird, bevor ein Gesetzesentwurf erarbeitet wird.

Im Zuge dieser offenen Planung wurde der Gestaltungsvorschlag allen Beteiligten und inte-
ressierten Gruppen Ende August zugesandt und im Internet veröffentlicht. In einer breiten
Diskussionsphase, bei der alleine das Ministerium über 250 Informationsveranstaltungen durch-
führte, wurde der Gestaltungsvorschlag diskutiert und kritische Einwendungen gesammelt,
welche als Grundlage für die Erarbeitung des Gesetzesentwurfs dienen.

Ad 12.:

Die Ziele, die mit dem neuen Universitätsgesetz verfolgt werden können, habe ich bereits bei
vielen Gelegenheiten ausführlich dargestellt und immer auch darauf hingewiesen, dass es hier
nicht um eine “Ausgliederung" geht. Im Wesentlichen sollen Universitäten international konkur-
renzfähiger werden, ihre Leistungen in Forschung und Lehre wechselnden Entwicklungen selbst-
ständig besser anpassen können und längerfristig planen und haushalten als es derzeit möglich ist.

Eine  maßgebliche  Grundlage  bietet  das  seinerzeit  von  der  Rektorenkonferenz  erarbeitete
Konzept, das auch publiziert wurde. Auf diesen 800 Seiten sind die wesentlichen Grundlagen und
Ziele für die Vollrechtsfähigkeit von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zusammengefasst
(S. Titscher / G. Winckler / H. Biedermann / H. Gatterbauer / S. Laske / R. Moser / F. Strehl / F.
Wojda / H. Wulz (Hrsg.): Universitäten im Wettbewerb, München-Mehring: Hampp 2000).

Ad 13.:

Das UOG 1993 bildet die Grundlage für die politischen Eckpunkte der Weiterentwicklung und
für den vorgelegten Gestaltungsentwurf. Das geht auch aus der Antwort auf die folgende Frage
hervor. Man kann auf vielem aufbauen, zu beseitigen sind allerdings jene Elemente im derzeit
geltenden Gesetz, die Barrieren gegen Internationalität darstellen. Das wurde mit dem neuen
Dienstrecht für den Übergang begonnen und muss nun mit einer Weiterentwicklung des Organi-
sations- und Studienrechts fortgesetzt und abgerundet werden.


Ad 14.:

Das UOG 1993 wurde immer als ein Gesetz verstanden, das einen Schritt in Richtung Vollrechts-
fähigkeit macht, aber noch zu wenig weit gegangen ist. Die beabsichtigte Weiterentwicklung geht
diesen Weg konsequent weiter. In Anbetracht der seit Inkrafttreten des UOG 1993 beobachtbaren
internationalen Entwicklung schulden wir das auch unseren Universitäten. Weiterentwicklung
baut immer auf etwas Bestehendem auf. Die Universitäten haben viel Energie in die Umsetzung
des UOG 1993 investiert, viele dieser Umstellungen werden in die Vollrechtsfähigkeit mitge-
nommen werden können.