3059/AB XXI.GP
Eingelangt am: 14.01.2002
Die Bundesministerin
für auswärtige Angelegenheiten
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Josef
Cap, Peter Schieder, Mag. Ulli Sima und
Genossinnen haben am 12. November 2001 unter der Nr. 3062/J-NR/2001 an mich
eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend den europaweiten Ausstieg aus
der
Atomenergie
gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Eingangs verweise ich auf die Beantwortung der parlamentarischen
Anfrage Nr. 3015/J-
NR/2001 vom 24. Oktober 2001 an den Bundeskanzler, die Beantwortung der an mich
gerichteten Anfrage Nr. 2857/J-NR/2001 vom 26. September 2001 betreffend den
aktuellen Stand der Verhandlungen der Energiekapitel mit den
Beitrittskandidatenländern
im Zuge der
EU-Beitrittsverhandlungen, die Beantwortung der parlamentarischen
Anfragen
3061/J-NR/2001 an den Bundeskanzler und Nr. 3063/J-NR/2001 an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
sowie auf die
Ausführungen des
Bundeskanzlers zum dringlichen Antrag 566/A/E der Abg. Glawischnig,
Freundinnen und Freunde betreffend eine österreichische Initiative
für einen
Atomausstieg in Europa beim EU-Gipfel in Laeken im Nationalrat am 12. Dezember
2001.
Darüber hinaus
verweise ich auf den Bericht von Bundesminister Molterer zum Melker
Prozess an die Klubobmänner im Nationalrat vom 5. November 2001.
Zu den Fragen 1 bis 5:
Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm festgehalten, “die Ausarbeitung
von Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie" zu unterstützen, jedoch - “unbeschadet der
Zielsetzung Österreichs, den Verzicht auf AKWs zu erreichen" - zu fordern, “hinsichtlich in
Grenznähe befindlicher oder geplanter AKWs die höchstmöglichen Sicherheitsstandards
anzuwenden".
Österreich hat bereits in jener
Regierungskonferenz, die zum Vertrag von Nizza geführt
hat, den EURATOM-Vertrag zur Diskussion gestellt. In konsequenter Fortsetzung
dieser
Politik ist Österreich auch hinsichtlich des “Konvents zur Zukunft
Europas" für ein breites
Reformmandat eingetreten, um die Schutzbestimmungen des Euratom-Vertrages in
ein
neu zu schaffendes
Energiekapitel zu integrieren und den Förderzweck des
gegenwärtigen EURATOM-Vertrages zu eliminieren. Die Erklärung des
Europäischen
Rates von Laeken “Die Zukunft der Europäischen Union" hat dank
gemeinsamer
österreichischer Initiativen die Möglichkeit zu dieser Diskussion
eröffnet. Diese Arbeit wird
konsequent
fortgesetzt werden.
Bei den zahlreichen Kontakten und
Gesprächen mit den EU-Außenministern im Rat
Allgemeine Angelegenheiten und mit der Europäischen Kommission werden die
Fragen
nuklearer Sicherheit
stets angesprochen. Im Gefolge der Ereignisse des 11. Septembers
wurde am 21. September ein außerordentlicher Europäischer Rat in
Brüssel abgehalten.
In einer von Finnland explizit unterstützten Wortmeldung forderte BK Dr.
Schüssel, die EU
müsse sich mit
neuen terroristischen Risken im biologischen und nuklearen Bereich
befassen. Dabei seien ganz bewusst auch europäische Sicherheitsstandards
für
Atomkraftwerke
anzusprechen.
Der Rat Allgemeine Angelegenheiten
beschäftigte sich bei jeder seiner Tagungen nach
dem 11. September mit der Terrorismus-Thematik. Dabei konzentrierte sich die
Debatte
auf Ursachen des und Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, mit
besonderem
Augenmerk auf Afghanistan und den Nahen Osten.
Die Problematik nuklearer
Sicherheitsstandards wurde dabei regelmäßig im
Erweiterungskontext angesprochen.
Beim Europäischen Rat von Laeken
bemühte sich Österreich um die Aufnahme einer
Passage in die Schlussfolgerungen hinsichtlich der Ausarbeitung von europaweit
gültigen
Standards, betreffend sowohl die Sicherheit als auch den Schutz nuklearer
Anlagen. Nach
längeren Diskussionen einigte man sich schließlich auf folgenden
Text:
“Der
Europäische Rat sagt zu, in der Union auch weiterhin ein hohes Maß
an nuklearer
Sicherheit zu gewährleisten. Er betont mit Nachdruck, dass Schutz und
Sicherheit von
Kernkranwerken überwacht werden müssen. Er bittet um die
regelmäßige Vorlage von
Berichten der Atomenergieexperten der Mitgliedstaaten, die in engem Kontakt mit
der
Kommission bleiben werden."
Obzwar diese Formulierung schon einen wesentlichen Fortschritt
darstellt, zeigt sie aber
auch, dass trotz intensiver Bemühungen der Bundesregierung auf
verschiedenen Ebenen
andere Mitgliedsstaaten, namentlich Schweden und Großbritannien, noch
nicht bereit
sind, konkrete Initiativen zur Erarbeitung gemeinsamer Sicherheitsstandards
oder eines
Ausstiegs aus der Atomkraft zu unternehmen oder mitzutragen. Eine
Schlüsselfrage ist in
diesem Zusammenhang vor allem, welche Rolle der Kommission in dieser
Angelegenheit
für den Fall einer Vergemeinschaftung nuklearer Sicherheitsstandards
zukommen soll.
Dabei ist aber
insbesondere darauf hinweisen, dass die obige Formulierung auch von der
Notwendigkeit der Überwachung des Schutzes von Kernkraftwerken spricht,
was
zweifellos in einem
Zusammenhang mit der allgemeinen Terrorismus-Debatte steht.
Unser Anliegen ist auf Grund der
ständigen österreichischen Bemühungen allen
Mitgliedsstaaten hinreichend bekannt, sodass es zusätzlich zur dichten
Besuchstätigkeit,
Konferenzteilnahme und Kontaktpflege keiner weiteren gezielten Reisediplomatie
bedarf.
Österreich hat schon im Jahre 1998
wesentlich dazu beigetragen, der nuklearen
Sicherheit im Erweiterungsprozess eine wichtige Rolle zu sichern. So wurden auf
österreichische Initiative Ratsschlussfolgerungen zu “Erweiterung
und Umwelt" sowie
“Erweiterung und Nukleare Sicherheit" ausgearbeitet, welche der
Europäische Rat von
Wien indorsierte. Wesentlich ist ferner auch, dass sich die Europäische
Union, nicht
zuletzt auf Betreiben Österreichs, auf das Ziel einer Schließung der
KKWe Bohunice V-1
(Slowakei), Ignalina
(Litauen) sowie Kosloduj (Bulgarien) festlegte und diese Haltung auch
in die jeweiligen Gemeinsamen Positionen der EU in den Beitrittsverhandlungen
Eingang
fand. Als einer der wenigen Staaten hat sich Österreich an allen Fonds zur
Schließung
substantiell (mit je 1,5 MEURO) beteiligt und damit einen
konkreten Beitrag zum Ausstieg
aus der Kernenergie in Europa geleistet.
Österreich tritt auch außerhalb
der EU in multilateralen Gremien für einen Ausstieg aus
der Kernenergie ein und setzt sich für hohe gemeinsame
Sicherheitsstandards ein.
Die Generalkonferenz der IAEO im September 2002 in Wien bot die
Möglichkeit, im
breiten internationalen Rahmen für einen Ausstieg aus der Kernenergie zu
plädieren und
im Falle von Temelin um Unterstützung für eine Ausstiegskonferenz zu
werben.
Österreich gab bei dieser Konferenz eine Erklärung ab, in der die
Nuklearenergie als nicht
nachhaltige Energieform sowie Forschung und Förderung derselben abgelehnt
werden.
Dänemark,
Luxemburg, Irland, Neuseeland, Ecuador und Norwegen schlössen sich der
österreichischen Erklärung an. Deutschland und Schweden unterstrichen
die Bereitschaft
zum Ausstieg aus der
Kernenergie und gaben ähnlich lautende Erklärungen wie
Österreich ab.
Im Rahmen der 6. Vertragsparteienkonferenz
zum Klimaschutz ist es Österreich gelungen
definitiv festzulegen, dass allenfalls durch Nuklearenergie erzielte
Emissionsreduktionen
nicht für die "flexible mechanisms" des Kyoto-Protokolls
herangezogen werden können.
Österreich fühlt sich dadurch in seiner Auffassung bestätigt,
wonach Kernenergie nicht mit
dem Prinzip der Nachhaltigen Entwicklung vereinbar ist.
Fortschritte auf europäischer Ebene
erfordern den Konsens aller Mitgliedsstaaten der
Union. Es handelt sich daher um langwierige Meinungsbildungsprozesse, die keine
schnellen Ergebnisse erwarten lassen.
Zu den Fragen 6 und 7:
Diesbezüglich wird auf die Beantwortung der parlamentarischen
Anfrage Nr. 3063/J-
NR/2001 durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft
verwiesen.
Zu Frage 8:
Diesbezüglich wird auf die ausführliche Darstellung des Bundeskanzlers in seiner
Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 3015/J-NR/2001 verwiesen.