308/AB XXI.GP
B e a n t w o r t u n g
der Anfrage des Abgeordneten Mag. Johann MAIER und Genossen
an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, betreffend
„Jugendliche Heiminsassen als Hilfsarbeiter ohne Sozialversicherung - Anrechnung
von Arbeitszeiten gemäß § 225 ASVG" (Nr.273/J).
Zu den aus der beiliegenden Ablichtung der gegenständlichen Anfrage ersichtlichen
Fragen führe ich Folgendes aus:
Zu Frage 1:
Meinem Ressort liegen lediglich Daten des Erziehungsheimes Lindenhof in Eggen -
burg, Niederösterreich vor. Danach waren im Zeitraum, der für die gegenständliche
Problematik eine Rolle spielt, ca. 260 Personen in diesem Heim beschäftigt; teil -
weise konnte eine Lehrlingsausbildung absolviert werden, andere Personen wurden
als Hilfsarbeiter beschäftigt. Von anderen Erziehungsheimen liegen leider keine
Daten vor.
Zu Frage 2:
a) Es ist richtig, dass bis Ende 1963 die Heimzöglinge nicht zur Sozialversicherung
gemeldet waren.
b) Die Nichtmeldung war kein Versäumnis des Heimträgers, sondern ergab sich aus
den zu Frage 3 angeführten Gründen.
Zu Frage 3:
Nach der einvernehmlichen Auffassung zwischen Heimträger und Gebietskranken -
kasse waren die Genannten nicht zur Sozialversicherung zu melden. Diese Rechts -
auffassung basierte auf der Entscheidung des Bundesministeriums für soziale Ver -
waltung vom 5.11.1957, II - 131.116 - 6/2, und auf dem Erkenntnis des Verwaltungs -
gerichtshofes vom 3.7.1959, Zl. 771/55, VwSlg 4390. In den genannten Ent -
scheidungen wurde im Wesentlichen zum Ausdruck gebracht, dass Fürsorgezög -
linge einer Erziehungsanstalt nicht der Versicherungspflicht unterliegen (die Ent -
scheidung bezog sich auf einen in einer anstaltseigenen Werkstätte ausgebildeten
Lehrling). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes lag die seitens der Erzie -
hungsanstalt über den Zögling ausgeübte Disziplinargewalt nicht in einem Arbeits -
verhältnis begründet, sondern in der Fürsorgeerziehung.
Unabhängig von dieser Rechtsprechung wurde jedoch zwischen der zuständigen
Kasse und der Stadt Wien vereinbart, die Fürsorgezöglinge ab 1.1.1964 zur Sozial -
versicherung zu melden.
Auch das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat (in einer beim
Verwaltungsgerichtshof nicht angefochtenen Entscheidung vom 24.3.1993,
Zl. 120.927/2 - 7/93) festgestellt, dass ein als Bäckerlehrling im Erziehungsheim
Eggenburg beschäftigter Zögling sehr wohl der Versicherungspflicht unterlag.
Zu Frage 4:
Gemäß § 68 ASVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung des
Dienstgebers zur Zahlung von Beiträgen binnen 5 Jahren, Beiträge, die nach diesem
Zeitraum bezahlt werden, sind gemäß § 225 Abs. 1 ASVG unwirksam.
Nach den §§ 225 Abs. 3 und 226 Abs. 3 ASVG können von der Bundesministerin für
Arbeit, Gesundheit und Soziales die Beiträge im Falle eines Vorliegens von
besonderer Härte als wirksam entrichtet anerkannt werden. Der Verwaltungsge -
richtshof hat in seiner ständigen
Rechtsprechung (zuletzt Erk. vom
17.11.1999, Zl. 96/08/0060) allerdings festgelegt, dass das Ermessen in dem Sinn
auszuüben ist, dass eine Wirksamerklärung zum Zwecke der Erhöhung einer Lei -
stung aus der Pensionsversicherung ebenso wenig in Frage kommt wie zum Zweck
der Erfüllung der besonderen Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension bei
langer Versicherungsdauer.
Diese Rechtslage trifft alle nicht rechtzeitig gemeldeten Personen bzw. auch Selbst -
ständige und Bauern, die ihre Beiträge zu spät bezahlt haben.
Angesichts der besonderen Umstände bei den ehemaligen Fürsorgezöglingen in ei -
nem Erziehungsheim ist mein Ressort mit den Pensionsversicherungsträgern über -
eingekommen, dass unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. niedriges Einkommen
des ehemaligen Zöglings, niedrige zu erwartende Pension, Lehrverhältnis) die Ver -
sicherungsträger einen Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit
und Soziales (ab 1.4.00: BMsSG), mit dem die Wirksamkeit der Beiträge auch zum
Zwecke der Erhöhung der Leistung zuerkannt wird, nicht beim Verwaltungsgerichts -
hof mit Beschwerde bekämpfen werden.
Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales macht in diesen Fällen
von dem ihm zustehenden Ermessen in diesem Sinn Gebrauch, weil unter Berück -
sichtigung der gesamten Umstände sicherlich ein besonderer Härtefall zu bejahen
ist.
Für vor 1956 gelegene Zeiten stehen Heiminsassen, die als Lehrlinge beschäftigt
waren, Ersatzzeiten zu. (Aus diesem Grund bestanden die Pensionsversicherungs -
träger auch auf einer Einschränkung der Regelung auf Lehrlinge).
Eine weitere Möglichkeit für die ehemaligen Fürsorgezöglinge, den Schaden, der
durch die Nichtmeldung zur Sozialversicherung entstanden ist, geltend zu machen,
besteht (theoretisch) im Wege einer Schadenersatzklage gegen den Dienstgeber.
(Neben dem Faktum, dass die Ansprüche in der Regel verjährt sind, ist das Ver -
schulden des Heimträgers unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Frage 3
nicht ohne weiteres zu bejahen.)
Zu Frage 5:
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Einzelfällen gegen die
einschränkende Interpretation des Ermessensspielraumes in den §§ 225 Abs. 3
ASVG, 226 Abs. 3 ASVG, 115 Abs. 3 GSVG und 106 Abs. 3 BSVG entschieden
wurde, es sind jedoch mehrere Verfahren diesbezüglich beim Verwaltungsgerichts -
hof anhängig.
Zu den Fragen 6, 7, 8 und 9:
Es ist nicht eruierbar, wie viele Anträge auf Wirksamerklärung von ehemaligen
Heimzöglingen gestellt wurden bzw. wie diese entschieden wurden.
Es wird aber darauf hingewiesen, dass nach den Geburtsdaten diese Personen -
gruppe erst jetzt ins Pensionsalter kommt.
Ich lege in der Anlage Zahlen über Anträge auf Wirksamerklärung von Pensions -
versicherungsbeiträgen insgesamt vor.
Das Problem, dass Personen durch die unterlassene Meldung des Dienstgebers, die
nicht innerhalb von 5 Jahren nachgeholt wird, ein Schaden bei der Pensionshöhe
entsteht, ist nämlich ein allgemeines. (Bei den Selbstständigen und Bauern tritt die -
ses Problem auch auf, es ist allerdings differenziert zu sehen, weil in diesen Fällen
von einer Identität des Versicherten und des Melde - und Beitragspflichtigen auszu -
gehen ist.)
ERLEDIGTE WIRKSAMERKLÄRUNGEN 1995 - 1999
|
|
1995 |
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1996 |
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1997 |
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1998 |
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1999 |
|
Total |
Gesamt Total |
|
|
|
pos. |
neg. |
pos. |
neg. |
pos. |
neg. |
pos. |
neg. |
pos. |
neg. |
pos. |
neg. |
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ASVG |
es liegen keine Angaben vor |
1 |
1 |
1 |
2 |
1 |
2 |
1 |
7 |
4 |
12 |
16 |
|
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BSVG |
0 |
2 |
2 |
1 |
1 |
1 |
0 |
3 |
2 |
1 |
5 |
8 |
13 |
|
GSVG |
2 |
2 |
2 |
4 |
2 |
2 |
1 |
2 |
7 |
1 |
14 |
11 |
25 |
|
Gesamt 1995 - 1999 |
2 |
4 |
5 |
6 |
4 |
5 |
2 |
7 |
10 |
9 |
23 |
31 |
54 |
Zu 6.
Im Zeitraum von 1995 bis 1999 wurden insgesamt 54 Anträge auf Wirksamerklärung
entschieden, und zwar
PVA d. Arb. und Ang. 16
SVA der Bauern 13
SVA der gew. Wirtschaft 25
Zu 7.
Im Zeitraum von 1995 bis 1999 wurden 31 Anträge auf Wirksamerklärung abgelehnt,
und zwar
PVA d. Arb. und Ang. 12
SVA der Bauern 8
SVA der gew. Wirtschaft 11
Zu 8.
Die Ablehnung der 31 Anträge wurde wie folgt begründet:
• In 17 Fällen hätte die Wirksamerklärung zu einer Erhöhung der Leistung geführt,
• in 6 Fällen hätte die Wirksamerklärung zu einer vorzeitigen Alterspension geführt,
• in 8 Fällen musste der Antrag aus anderen Gründen abgelehnt werden.
Zu 9.
In 17 Fällen hätte die Wirksamerklärung zu einer Erhöhung der Leistung geführt.