312/AB XXI.GP

 

Zur schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 295/J - NR/2000, betreffend die

Erweiterung des § 29b StVO, die die Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und

Freunde am 26. Jänner 2000 an meinen Amtsvorgänger gerichtet haben, beehre ich

mich, auf Grund der mir vorgelegten Unterlagen, folgendes mitzuteilen:

 

Die Problematik des Berechtigtenkreises für den Ausweis für dauernd stark

gehbehinderte Personen gemäß § 29b StVO wurde in den letzten Jahren in

unterschiedlichen Gremien behandelt, wobei nicht nur eine Ausdehnung, sondern

auch eine gewisse Einschränkung des Berechtigtenkreises des § 29b StVO

diskutiert wurde.

 

Grundsätzlich möchte ich zu bedenken geben, dass § 29b StVO eine

Ausnahmebestimmung darstellt, durch die für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe

eine Begünstigung geschaffen wird. Wie bei allen derartigen Regelungen ist auch

hier besonders auf die sachliche Rechtfertigung im Sinne des

verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes Bedacht zu nehmen. Wird nun vom -

sachlich begründeten - Kriterium der „dauernd starken Gehbehinderung“

abgegangen, so besteht angesichts des Fehlens eines anderen, sowohl objektiv

feststellbaren und als auch sachlich begründbaren Arguments die Gefahr, daß die

gesamte Regelung verfassungswidrig wird. Während nämlich eine Differenzierung

zwischen Gehbehinderten und anderen Verkehrsteilnehmern im Hinblick auf den

augenfälligen Zweck des § 29b (Menschen, die schlecht zu Fuß sind, sollen nach

Möglichkeit lange Fußwege zwischen Auto und Zielort erspart werden) keine

Probleme bereitet, ist jede Erweiterung über den Kreis der im eigentlichen Sinn

Gehbehinderten hinaus rechtlich kaum argumentierbar: es wird leider immer

Körperbehinderungen geben, die zwar keine Gehbehinderung im engen Sinn

darstellen, aber dem Betroffenen längere Fußwege beschwerlich machen. Eine

Aufzählung verschiedener Arten von Körperbehinderungen im Gesetz würde daher

fast zwangsläufig lückenhaft bleiben, was aber wieder zu der eingangs geschilderten

Gleichheitsproblematik führt.

 

Da sich andererseits aber auch nicht jede Art der Körperbehinderung bei jedem

Menschen gleich und vor allem nicht unmittelbar auf das körperliche Zurücklegen

von Wegstrecken auswirken wird - während eine Gehbehinderung in jedem Fall das

Gehen erschwert oder verunmöglicht - ist ein generelles, nicht differenziertes

Abstellen auf das Vorliegen einer körperlichen Behinderung gleich welcher Art

ebenfalls nicht zielführend. Auch darin wäre nämlich eine verfassungsrechtlich

bedenkliche Gleichbehandlung ungleicher Lebenssachverhalte zu sehen. Aus

diesen Gründen erschien bisher eine Änderung der Bestimmung des § 29b StVO

nicht möglich.

 

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass auch die Unterarbeitsgruppe

Mobilität der beim Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst eingerichteten

Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Rechtsordnung hinsichtlich

behindertendiskriminierender Bestimmungen, welcher unter anderen verschiedene

Behindertenorganisationen und Behördenvertreter angehörten, in diesem

Themenbereich zu keinem einhelligen Ergebnis gelangen konnte. Gerade die

Änderung einer so sensiblen Materie wie die Anspruchsvoraussetzungen für einen

Behindertenausweis würde aber meiner Ansicht nach eine vorausgehende Einigung

innerhalb der Behindertenorganisationen voraussetzen, welche allerdings bislang

nicht zustandegekommen ist.

Ich nehme jedoch ihre Anfrage zum Anlass, diese Frage neuerlich rechtlich prüfen

zu lassen und - bei einem positiven Ergebnis - im Zuge der nächsten Begutachtung

einer Novelle zur StVO noch einmal zur Diskussion zu stellen.