3293/AB XXI.GP

Eingelangt am: 21.03.2002

 

 


 

DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ

Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Wilhelm Weinmeier und Kollegen haben an
mich eine schriftliche Anfrage betreffend “Verzögerungen im Verfahren 1 P 57/98p
des Bezirksgerichtes Purkersdorf gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Im Zusammenhang mit dem der Anfrage zu Grunde liegenden Sachverhalt wurden
beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu
26d Vr 11.624/97 gerichtliche Vorerhebungen gegen den Kindesvater wegen des
Verdachtes des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 StGB geführt.
Der in diesem Verfahren vom Gericht beigezogene kinderpsychologische Sachver-
ständige kam zu dem Ergebnis, dass beim Kind eine eingeschränkte Aussagefähig-
keit und -tüchtigkeit gegeben ist. Einen zwingenden Zusammenhang zwischen den
Verhaltensauffälligkeiten des Kindes und einem allfälligen sexuellen Missbrauch
konnte der Sachverständige nicht feststellen. Nach dem erstatteten Gutachten sei
derartiges auch bei "intrapsychischen Spannungszuständen" möglich. Da sich die
Psychotherapeutin des Kindes einer Zeugenaussage gemäß §§ 152 Abs. 1 Z 5
StPO, 15 Psychotherapiegesetz entschlagen hatte, war dem Sachverständigen im
Hinblick auf das unter Nichtigkeitssanktion stehende Umgehungsverbot nach § 152
Abs. 3 StPO eine Einsichtnahme in die bezughabenden Therapieprotokolle nicht
möglich. Auf Grund der gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen nahm die
Staatsanwaltschaft Wien von einem Antrag auf Einvernahme mehrerer von der Kin-
desmutter bekannt gegebener Personen, die sie auf das "wahrscheinliche


Fehlverhalten des Kindesvaters" hingewiesen haben sollen, Abstand. Diese Zeugen
hätten lediglich über von ihnen allenfalls beobachtete Verhaltensauffälligkeiten des
Kindes aussagen können, nicht aber über mögliche Missbrauchshandlungen. Im
Hinblick auf das Sachverständigengutachten ist das Unterbleiben der von der
Kindesmutter angestrebten Zeugeneinvernahmen nicht zu beanstanden.

Zu 3 und 5:

Der Grund für die objektiv gesehen lange Dauer des Verfahrens 1 P 57/98p des

Bezirksgerichtes Purkersdorf liegt in dem durch eine große Anzahl von Eingaben,
Beweisanträgen, Stellungnahmen und Rechtsmitteln der Verfahrensbeteiligten
bedingten hohen Verfahrensaufwand und in der Dauer der Erstellung der als
Entscheidungsgrundlage erforderlichen, (jedenfalls teilweise) sehr umfangreichen
Gutachten. Den mit dieser Pflegschaftssache befassten Gerichten fällt nach den mir
vorliegenden Berichten keine Verzögerung des Verfahrens zur Last.

Zu 4:

Aus dem Akt 26d Vr 11.624/97 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ist er-
sichtlich, dass der Untersuchungsrichter nach Einstellung der gerichtlichen Vorerhe-
bungen die Verwahrungsstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien angewie-
sen hat, die Videokassette mit der Aufzeichnung der kontradiktorischen Einver-
nahme des Kindes an den Vorsteher der Geschäftsstelle auszufolgen. Sodann
wurde das Band vernichtet. Gemäß Teil
II, II. Hauptstück ("Beweismittel und Be-
weisverfahren"), Punkt 3. des Einführungserlasses zum Strafprozessänderungsge-
setz 1993 richtet sich bei kontradiktorischen und "schonenden" Vernehmungen die
Protokollführung nach § 104 StPO. Somit ist grundsätzlich ein Diktatprotokoll aufzu-
nehmen. Die Videoaufnahmen sind vom Gericht zu verwahren und können - in ana-
loger Anwendung des § 271 Abs. 6 letzter Satz StPO - nach Ablauf von zwei Mona-
ten nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss gelöscht werden, wenn der
Vorsitzende nicht aus besonderen Gründen etwas anderes anordnet. Eine Aufbe-
wahrung von Ton- oder Bildaufnahmen einer Vernehmung gemäß § 162a Abs. 1
letzter Satz StPO ist gesetzlich nicht zwingend vorgesehen. Die im vorliegenden Fall
gewählte Vorgangsweise verstieß nicht gegen den genannten Erlass.