335/AB XXI.GP
der Anfrage der Abgeordneten Dietachmayr und Genossen
betreffend Kieferorthopädie
(Nr. 334/J)
Zur vorliegenden Anfrage führe ich Folgendes aus:
Zu Frage 1:
Im Jahr 1998 wurden von den Krankenversicherungsträgern österreichweit die Ko -
sten von insgesamt 111.417 kieferorthopädischen Behandlungsjahren übernommen
bzw. Zuschüsse geleistet. Als Leistungserbringer fungieren Vertrags - und Wahlzahn -
behandler, Ambulatorien der Krankenversicherungsträger und Vertragseinrichtun -
gen.
Zu Frage 2:
Im Jahr 1998 wurden von den Krankenversicherungsträgern 71.540 kieferorthopädi -
sche Behandlungsjahre auf der Basis abnehmbarer Geräte mit Vertragszahnbehand -
lern, Ambulatorien der Krankenversicherungsträger und Vertragseinrichtungen abge -
rechnet. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der 39.877 kieferor -
thopädischen Behandlungsjahre bei Wahlzahnbehandlern im Jahr 1998 festsitzende
Kieferregulierungen darstellen. Somit kann angenommen werden, dass rund zwei
Drittel abnehmbar und ein gutes Drittel festsitzend reguliert wird.
Zu Frage 3:
Die österreichweiten Gesamtkosten für festsitzende Kieferregulierungen, die den Pa -
tienten erwachsen, sind mir nicht bekannt. Auch verfüge ich über keine detaillierte
Preisinformationen.
Die Autonomen Honorarrichtlinien der Österreichischen Ärztekammer vom
11. Dezember 1998 empfehlen für die Gesamtbehandlung festsitzende kieferortho -
pädie ein Honorar von S 59.130,-- und für ein Diagnosepaket (Modellanalyse, Fern -
röntgen, Fotodokumentation) ein Honorar von S 3.760,--; davon lässt sich bei all -
gemein 3 - jähriger Behandlungsdauer auf das Behandlungsjahr bezogen ein Honorar
von rund S 20.000,-- ableiten. Geht man davon aus, dass die knapp 40.000 kieferor -
thopädischen Behandlungsjahre bei den Wahlzahnbehandlern gänzlich festsitzend
erfolgt sind, würden den Patienten daraus Ausgaben von rund 800 Mio. Schilling er -
wachsen. Unter Heranziehung eines 50 - prozentigen Zuschusses des Vertragstarifes
für abnehmbare Kieferorthopädie - wie er von den meisten Gebietskrankenkassen
gewährt wird - reduzieren sich die Nettoausgaben der Patienten um rund 194 Mio.
Schilling auf knapp über 600 Mio. Schilling.
Zu Frage 4:
In dieser Frage kann von den vertraglich abgerechneten 71.540 kieferorthopädi -
schen Behandlungsjahren ausgegangen werden. Bei den meisten Gebietskranken -
kassen ist der Patientenanteil mit 50% der derzeitigen vertraglichen Kieferorthopä -
diepauschale pro Behandlungsjahr von S 9.700,-- festgelegt. Daraus würden sich bei
Gesamtausgaben von rund 694 Mio. Schilling ein auf die Patienten entfallender Hälf -
teanteil von rund 347 Mio. Schilling ergeben.
Zu Frage 5:
Der derzeit gültige Vertrag über die Kieferorthopädie als Kassenleistung wurde 1972
zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Dentisten -
kammer sowie dem Hauptverband geschlossen und regelt seit 31. Dezember 1972
nur die kieferorthopädische Behandlung auf der Basis abnehmbare Geräte.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war die Kieferorthopädie auf der Basis ab -
nehmbarer Geräte die vorwiegende Behandlungsmethode und somit auch Gegen -
stand der damaligen Verhandlungen. Erst durch den kontinuierlichen medizinischen
Fortschritt im kieferorthopädischen Fachgebiet haben sich die Kieferregulierungsme -
thoden insbesondere in Richtung festsitzender und kombinierter Apparate weiter -
entwickelt. Diesem medizinischen Fortschritt soll nunmehr durch eine Vertragserwei -
terung Rechnung getragen werden (vgl. dazu die Beantwortung zu Frage 6).
Zu Frage 6:
Es bestand bisher Interesse der Zahnbehandler, festsitzende Arbeiten im Privatbe -
reich zu erbringen. Derzeit finden Gespräche zwischen der Bundeskurie Zahnärzte
und dem Hauptverband statt, die das Ziel verfolgen, methodenunabhängig - und da -
her auch die festsitzenden Maßnahmen umfassend - die Kieferorthopädie in den
Vertragsbereich einzubinden.
Zu Frage 7:
Festzustellen ist, dass die im Ärztegesetz 1998 gegebene Umschreibung des ärztli -
chen Berufsinhaltes insgesamt Tätigkeiten, die auf medizinisch - wissenschaftlichen
Erkenntnissen begründet sind und unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den
Menschen ausgeführt werden, dem Arzt zuweist.
Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung zu Frage 6.
Zu Frage 8:
In der modernen Kieferorthopädie kommen sowohl abnehmbare als auch festsitzen -
de und kombinierte Geräte zur Anwendung. Die Wahl der Apparaturen hängt von
den jeweiligen medizinischen Indikationen ab.
Generell kann gesagt werden, dass kieferorthopädische - also das Knochenwachs -
tum verändernde Eingriffe - und einfache Zahnbewegungen mit herausnehmbaren
Geräten gemacht werden, dass aber die genaue Feineinstellung aller Zähne nur mit
festsitzenden Geräten gemacht werden kann.
Der moderne Kieferorthopäde beherrscht alle Behandlungsarten. Voraussetzung ist
eine genaue kieferorthopädische Diagnose. Es kann durchaus vorkommen, dass mit
abnehmbaren Geräten eine Behandlung begonnen und später mit festsitzenden Ge -
räten beendet wird, aber auch das Umgekehrte kann sein.
Zu Frage 9:
Da in Österreich derzeit nur die kieferorthopädische Behandlung auf Basis abnehm -
barer Geräte vertraglich geregelt ist, werden großteils Zahnfehlstellungen abnehm -
bar reguliert.
Zu Frage 10:
Es liegen mir keine Unterlagen vor, die einen internationalen Vergleich zu dieser Fra -
ge ermöglichen.
Jedenfalls gibt es keine einheitliche Regelung in den verschiedenen Ländern. Es gibt
unterschiedliche Honorierungssysteme (100 - prozentige Übernahme bis Kostenzu -
schüsse), die sich einerseits nach dem Schweregrad der Fehlstellungen orientieren
bzw. andererseits das Alter der Patienten (z.B. Kostenübernahme bis zum 18. Le -
bensjahr) berücksichtigen.
Soweit telefonisch in Erfahrung gebracht werden konnte, besteht z.B. in Deutschland
keine Festlegung auf eine bestimmte Behandlungsmethode als Vertragsleistung der
allgemeinen Ortskrankenkasse. Maßstab ist vielmehr die medizinische Sinnhaftigkeit
im konkreten Fall, wobei der behandelnde Kieferorthopäde die Art der Behandlung
festlegt.
Zu Frage 11:
Richtig ist, dass es zwar (nur) in einigen EU - Staaten Fachärzte für Kieferorthopädie
gibt, in Österreich jedenfalls jeder Facharzt für Zahn - , Mund - und Kieferheilkunde
bzw. jeder Zahnarzt auf dem Gebiet der Kieferorthopädie tätig sein darf.
Die kieferorthopädische Ausbildung war bisher so geregelt, dass nach dem Ab -
schluss des Studiums der gesamten Heilkunde die zunächst zweijährige und dann
dreijährige Ausbildung zum Facharzt für Zahn - , Mund - und Kieferheilkunde erfolgte.
Die kieferorthopädische Ausbildung ist demnach Bestandteil des nunmehr dreijähri -
gen zahnmedizinischen Lehrganges (Facharztausbildung), der im Anschluss an das
Studium der gesamten Heilkunde absolviert wurde bzw. noch bis 2002 absolviert
werden kann.
Seit Einführung eines eigenen Zahnarztstudiums hat die kieferorthopädische Ausbil -
dung in diesem Rahmen zu erfolgen. Die ersten Absolventen werden dieses Studium
frühestens 2004 abgeschlossen haben, weshalb sich die Frage nach einer weiterfüh -
renden Spezialausbildung derzeit noch nicht stellt. Ein Vorschlag des Bundesmini -
steriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Rahmen der Vorbereitung des Ärz -
tegesetzes 1998, einen ,,Fachzahnarzt“ für Kieferorthopädie zu schaffen, wurde je -
denfalls von der Österreichischen Ärztekammer vehement abgelehnt.
Zu Frage 12:
Fort - und Weiterbildungen werden von den Universitäten und von der Ärztekammer
für Wien im Dr. Wilhelm Brenner - Institut angeboten. Am Dr. Wilhelm Brenner - Institut
haben laut einer Mitteilung der Ärztekammer für Wien 5.649 Zahnärzte an Fort - und
Weiterbildungen teilgenommen, davon 2.259 aus Wien.
Weiters gab der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger fol -
genden Stand vom Mai 1999 bekannt:
Austrian Board of Orthodontists (ABO) 19 Zahnärzte
European Board of Orthodontists (EBO) 3 Zahnärzte
Anmeldungen für ABO 12 Zahnärzte
Zu Frage 13:
Hinsichtlich dieser Frage verweise ich auf die Beantwortung zu den Fragen 6 und 11.
Zu Frage 14:
Es ist nicht klar erkennbar, worauf die Fragestellung „freiwillige Leistung“ in diesem
Bereich abstellt. Sollte dies im Zusammenhang mit Befreiungen vom Patientenanteil
gemeint sein, möchte ich auf die Regelung bei der Sozialversicherungsanstalt der
gewerblichen Wirtschaft verweisen, die für Kinder bei vertraglich durchgeführten ab -
nehmbaren Behandlungen keinen Patientenanteil
und bei festsitzenden Behandlun -
gen für Kinder einen 100 - prozentigen Zuschuss im Ausmaß des abnehmbaren Ver -
tragstarifs vorsieht.
Ergänzend ist noch zu erwähnen, dass Restkosten, die im Zusammenhang mit der
Kieferregulierung anfallen, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, insbe -
sondere in Berücksichtigung der Familien - , Einkommens - und Vermögensverhält -
nisse des zu Unterstützenden, aus dem Unterstützungsfonds des jeweiligen Versi -
cherungsträgers übernommen werden können. Nach meinem Wissensstand wird
von den Krankenversicherungsträgern von dieser Möglichkeit in Einzelfällen durch -
aus Gebrauch gemacht.